Wirtschaft

Brüssel will helfen Asche-Wolke bedroht Airlines

Das Flugverbot kostet die Airlines Millionen, einigen könnte gar das Aus drohen. Die Branche fürchtet durch die Island-Asche einen größeren Schaden als durch die Anschläge vom 11. September 2001 in den USA. Nun kündigt die EU an, Notfallhilfen zu erleichtern.

Teurer Stillstand

Teurer Stillstand

(Foto: dpa)

Brüssel eilt den von Flugverboten betroffenen notleidenden Airlines zu Hilfe: Wegen ihrer Millionenverluste infolge der Asche-Wolke will die EU-Kommission staatliche Finanzspritzen für die Unternehmen erleichtern. "Wir sind bereit, ähnlich zu reagieren wie nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001", sagte EU- Wettbewerbskommissar Joaquín Almunia.

"Die Auswirkungen übertreffen die Folgen von damals deutlich", betonte EU-Verkehrskommissar Siim Kallas. Genaue Zahlen lägen aber noch nicht vor und könnten frühestens in einer Woche geschätzt werden. Der Kommissar will sich dafür einsetzen, dass die Flugverbote bald aufgehoben werden - allerdings habe die Sicherheit der Passagiere oberste Priorität.

Die Airlines drängten darauf, bald wieder Flüge aufzunehmen. Die Lage für die Fluggesellschaften, die jeden Tag Millionen verlieren würden, nannte der Kommissar "wahrlich unerträglich." "Diese Situation kann nicht lange Zeit aufrechterhalten werden, selbst für einige Tage", sagte Kallas, der zugleich Vizepräsident der EU- Kommission ist. 80 Prozent der europäischen Flughäfen seien geschlossen, 85 Prozent der Flüge am Vortag ausgefallen. Bis der Flugverkehr wieder normal laufe, werde es drei bis vier Tage dauern.

Staaten könnten helfen

Eine verweiste Fluggastbrücke am Hamburger Flughafen.

Eine verweiste Fluggastbrücke am Hamburger Flughafen.

(Foto: dpa)

Der Kommissar wies die Kritik der Fluggesellschaften an der Sperrung der Lufträume zurück. "Es kann keinen Kompromiss bei der Sicherheit geben", sagte Kallas. Alle Entscheidungen in Europa sowie bei der europäischen Luftsicherheitsbehörde Eurocontrol basierten auf der Meinung von unabhängigen Experten und Wissenschaftlern

Die Kommission beabsichtigt nun, Regeln neu zu definieren. Innerhalb dieser Grenzen dürften die Staaten ihren Airlines dann Notfallhilfen gewähren, ohne dass sie jeweils einzeln in einem langen Verfahren in Brüssel genehmigt werden müssten. Das würde deutlich schneller gehen. "Solche Hilfen müssen anders geprüft werden", sagte Almunia.

Das Geld müsse von dem jeweiligen Staat kommen. Voraussetzung sei, dass ein Unternehmen die Hilfe dringend brauche, die Summe angemessen sei, keinen Konkurrenten benachteilige und nicht Firmen rette, die schon vorher Schwierigkeiten hatten. Brüssel muss staatliche Finanzspritzen genehmigen, damit der Wettbewerb in Europa nicht verzerrt wird.

Millionenverluste

Die Nerven in den Konzernzentralen der Fluggesellschaften liegen blank. Seit Donnerstag vergangener Woche müssen alle Flieger am Boden bleiben. Auf den hohen laufenden Kosten bleiben die Airlines sitzen und verdienen zugleich keinen Cent. Für die Fluggesellschaften kommen die Ausfälle zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt, da sie noch mit den Auswirkungen der Wirtschaftskrise zu kämpfen haben.

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(Foto: dpa)

Tag für Tag entgehen den europäischen Flugunternehmen nach Berechnungen des Luftfahrtverbands Iata Umsatzverluste durch die Vulkanasche von umgerechnet mindestens 150 Mio. Euro. Auch mehr als 200 Mio. Euro pro Tag seien gut möglich, schätzt der Branchenverband. Allein bei den größten sechs europäischen Anbietern Easyjet, Ryanair, British Airways, Iberia, Air France KLM und Lufthansa summieren sich die täglichen Umsatzverluste laut einer Studie der Schweizer Bank UBS auf zusammen bis zu 140 Mio. Euro.

Zu den Umsatzverlusten kommen nach Angaben des Iata noch Ausgaben zur Entschädigung von Passagieren oder für Treibstoff zur Verlegung leerer Flugzeuge. Versichert ist gegen derartige Belastungen keine einzige Fluggesellschaft.

Damit bremst die Aschewolke aus Island die gerade begonnene Erholung der krisengeschüttelten Branche, die nach der Wirtschaftskrise zuletzt wieder Licht am Horizont sah. Die Folgen des Vulkanausbruchs könnten für den Sektor nach Einschätzung der IATA härter sein als die Anschläge vom 11. September, nach denen die Nachfrage nach Flugreisen massiv einbrach. 

"Die Wolke hat bereits die Reisepläne von acht Millionen Passagieren in Europa und dem Rest der Welt berührt",  so das Centre for Asia Pacific Aviation, eine Unternehmensberatung aus Sydney. "Die Kosten für die gesamte Luftfahrtbranche (Fluggesellschaften, Flughäfen, Spediteure, Zulieferer, etc.) könnten bei rund 2 Mrd. Dollar liegen."

Ausfälle schnell existenzbedrohend

Auf die größten europäischen Fluggesellschaften Lufthansa und Air France-KLM kommen nach Einschätzung von Analysten täglich Einbußen von 20 bis 25 Mio. Euro zu. Kleinere Fluggesellschaften und Billigflieger wie Air Berlin, Ryanair und Easyjet dürften mit täglich rund 5 Mio. Euro davonkommen.

Auf Ausgleichzahlungen etwa durch eine Versicherung können die Airlines nicht hoffen. Sie sind gegen eine derartige Betriebsunterbrechnung meist nur dann verichert, wenn diese durch einen Brand oder ähnliches verursacht wird. Im Gespräch sind lediglich staatliche Kompensationszahlungen, über die es aber noch keine Gewissheit gibt.

So unklar bislang noch ist, mit welchen tatsächlichen Einbußen jede einzelne Fluggesellschaft kämpfen muss, wirft die Vulkankrise jedoch die bisherigen Prognosen zur Erholung der Luftfahrt über den Haufen. "Besonders gefährdet sind kleine Fluggesellschaften mit Problemen bei der Liquidität", warnt Iata-Präsident Giovanni Bisignani. Branchenexperten halten auch Zusammenbrüche einzelner Anbieter für möglich. "Die Situation wird relativ schnell ziemlich bedrohlich", warnt Jürgen Pieper, Luftfahrtanalyst vom Bankhaus Metzler bei n-tv. Wenn die Flugausfälle deutlich länger als einen Monat dauerten, wäre dies unter Umständen existenzgefährdend. Davon sei beispielsweise auch Air Berlin betroffen, "wenn sich die Schäden auf mehrere hundert Mio. Euro aufrechnen", so Pieper.

Anders als der Einbruch nach den Anschlägen vom 11. September gebe es aber keine lang andauernde Vertrauenskrise. Wenn der Himmel wieder offen sei, werde schnell eine Erholung einsetzen. "Vielleicht bekommen die Fluggesellschaften Hilfe von den Banken, denn die Notlage ist zeitlich sehr begrenzt", sagte Bisignani.

Die Branche hat in den vergangenen Jahren Analysten zufolge rund 50 Mrd. Euro verloren. Grund dafür waren neben den Anschlägen am 11. September die SARS-Pandemie aus dem Jahre 2004, der massive Anstieg des Kerosinpreises 2008 und die Folgen der weltweiten Wirtschafts- und Finanzkrise.  

Auch Flughäfen rechnen

Mittlerweile rechnen nicht nur Airlines, sondern auch Flughäfen und Reiseveranstalter die Kosten aus dem Asche-Chaos hoch. So haben die Flugausfälle den weltgrößten Reiseveranstalter Tui Travel bislang umgerechnet rund 23 Mio. Euro gekostet. Mit jedem Tag kommen nach Unternehmensangaben 6 bis 7 Mio. Euro hinzu. Noch rund 100.000 Urlauber, die mit Tui Travel im Urlaub sind, sitzen derzeit noch an ihren Urlaubsort fest. Der Touristikkonzern Tui ist an dem deutsch-britischen Joint Venture mit 43 Prozent beteiligt.

Auch den Flughäfen entgehen durch den Stillstand wichtige Einnahmen. Durch das  Flugverbot müssen die deutschen Airports nach  vorläufigen Berechnungen täglich Einnahmeverluste in Höhe von mehr  als zehn Mio. Euro verkraften. Der Frankfurter Flughafen - der größte in Deutschland - schätzt die Kosten auf täglich 2,5 bis 3 Mio. Euro.

Zwangspause

Als erste Fluggesellschaft hat die skandinavische SAS ihre Mitarbeiter in Norwegen ohne Lohn von der Arbeit freigestellt. Auch der Konkurrent Norwegian soll bereits entsprechende Maßnahmen planen. In Deutschland spielen solche Maßnahmen jedoch bislang keine Rolle. Weder bei der Lufthansa oder Air Berlin noch bei kleineren Airlines wie Germanwings oder Tuifly sollen Mitarbeiter freigestellt werden.

In der Brache wächst derweil der Unmut über das umfassende Flugverbot. "Niemand will durch eine Vulkanasche-Wolke fliegen. Aber was wir in den vergangenen Tagen gesehen haben, ist alles andere als Gefährdungspotenzial“, sagte Lufthansa-Chef Mayrhuber im ZDF. Das Vorgehen der Behörden ist nach Einschätzung des Chefs des deutschen Branchenprimus skandalös. Auch Schadensersatzforderungen, weil die Regierung ohne eigene Messungen ein so weitreichendes Flugverbot verhängt habe, schloss Mayrhuber nicht aus.

Auch der Branchenverband Iata kritisiert das politische Krisenmanagement. Es gebe "keine Risikoeinschätzung, keine Konsultation, keine Koordinierung und keine Führung", sagte Bisignani. Die Entscheidungen zur Schließung der Flughäfen und Sperrung der Lufträume basierten lediglich auf theoretischen Modellen und nicht auf Fakten. "Wir müssen von diesen Pauschal-Schließungen wegkommen und Wege zur flexiblen Öffnung des Luftraums finden, Schritt für Schritt", forderte Bisignani.

Rufen der Airlines nach staatlicher Unterstützung erteilte Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer vorsorglich eine klare Absage. "Ich wehre mich gegen jeden Ruf an den Staat", sagte der CSU-Politiker im Deutschlandfunk. Die Fluggesellschaften wüssten, dass sie vom Wetter abhängig seien. Zudem gebe es auch Branchen, die von den Folgen der Asche-Wolke profitierten, deren zusätzliche Gewinne könne er auch nicht abschöpfen.

Quelle: ntv.de, jga/nne/rts/dpa

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