Geldgeber wollen Fortschritte sehen Athen reizt die Troika
03.07.2012, 18:20 Uhr
Was bringt die Zukunft?
(Foto: dapd)
Experten der internationalen Geldgeber prüfen in Athen, wie weit Sparversprechen und Reformen umgesetzt werden. Das Urteil dürfte ernüchternd ausfallen. Dennoch will die neue griechische Regierung Erleichterungen durchsetzen.
Die Regierung in Athen steht vor unangenehmen Gesprächen. Denn Vertreter der Troika der internationalen Geldgeber haben in der griechischen Hauptstadt ihre Arbeit aufgenommen und überprüfen, welche der versprochenen Sparmaßnahmen und Reformen eingeleitet oder gar umgesetzt worden sind. Die Kontrollen der Experten von EU, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds sollen mehrere Wochen dauern.
Ihr Urteil entscheidet darüber, ob Griechenland weitere Kredittranchen erhält. Athen ist auf das Geld angewiesen, um die drohende Pleite zu verhindern. Im Gegenzug zu milliardenschweren Krediten hatte das Land Sparpakete und Strukturreformen zugesagt. Es zeichnet sich allerdings ab, dass davon nur wenig umgesetzt worden ist. So liegt beispielsweise das Privatisierungsprogramm praktisch auf Eis, auch von einem massiven Abbau des Beamtenapparats kann offenbar nicht die Rede sein.
Samaras will mehr Zeit
Vor diesem Hintergrund steht Griechenland vor harten Verhandlungen mit den Vertretern der Troika. Dazu kommt, dass die neue Regierung unter dem Konservativen Antonis Samaras darauf setzt, dass das Sparprogramm gelockert wird. In erster Linie geht um eine Streckung der Zeit, innerhalb der Athen die strengen Auflagen erfüllen muss. Die Frist solle um zwei Jahre bis Ende 2016 hinausgezögert werden, heißt es.
Die Troika wird aber wohl auf den Auflagen bestehen. 15.000 Staatsbedienstete sollen bis Ende des Jahres gehen. Bis 2015 sollen es 150.000 werden. Löhne sollen weiter gekürzt werden. Außerdem erwartet die Troika von der Regierung, Privatisierungen voranzutreiben und mehr Steuern einzunehmen. Doch angesichts von Rezession, hoher Arbeitslosigkeit und sinkenden Löhnen steht die Regierung unter einem enormen innenpolitischen Druck.
Dabei sind die Krisenkosten in Griechenland höchst ungleich verteilt. Vor allem Griechen in bescheideneren Verhältnissen leiden unter den Konsequenzen, während vermögendere Griechen vergleichsweise gut durch die Krise kommen. Reformen im Staat wurden nicht umgesetzt. Und die Steuerhinterziehung blüht weiter.
Die Regierung will laut Koalitionsvertrag nun "Ungerechtigkeiten rückgängig machen", die es bei Renten und kleinen Gehältern in den letzten Jahren gegeben habe. Zudem soll das Arbeitslosengeld statt bislang ein Jahr künftig 24 Monate ausgezahlt werden. "Keine weiteren Kürzungen der Löhne und Renten; keine neuen Steuern", führt der Koalitionsvertrag wörtlich als "allgemeine Bestrebung" an. Bei aller Verschlankung der staatlichen Strukturen soll es keine Entlassungen mehr geben. Die Zahl der Staatsbediensteten soll stufenweise reduziert werden, indem nur eine von zehn Stellen wieder besetzt wird, die durch Verrentung frei werden.
Neue Versprechen aus Athen
"Wenn die Geldgeber das alles hören, werden sie durchdrehen", meinte ein hoher Beamter des Finanzministeriums, der an den Verhandlungen mit der Troika teilnimmt. Aus diesem Grund hat die Regierung bereits erklärt, dies seien "Bestrebungen", die in den kommenden vier Jahren infrage kämen, wenn die Bedingungen dafür reif seien.
Griechenland will die Troika offenbar milde stimmen, indem das Privatisierungsprogramm wieder aufgenommen werden soll. Eine spektakuläre Privatisierungswelle stehe bevor, lässt die Regierung an die Presse durchsickern. Das könnte die Eisenbahnen, die staatlichen Glücksspiele, die Gaswerke, die Trabrennbahn von Athen sowie mehrere Häfen und Flughäfen betreffen.
Nach den Worten des verantwortlichen Behördenchefs Costas Mitropoulos stehen dem aber erhebliche Hürden entgegen. Zunächst müsse in Griechenland erst einmal ein Konsens hergestellt werden, dass Privatisierungen absolut notwendig seien. "Alle zusammen, die gesamte Regierung, alle politischen Parteien müssen akzeptieren, dass die Privatisierungen zum Nutzen des Landes sind, und wir sollten das nicht in Frage stellen", sagte der Chef des griechischen Entwicklungsfonds und zählte eine lange Liste von Problemen auf, vor denen er und seine Mitarbeiter stehen. Große Schwierigkeiten bereiten ihnen zum Beispiel der Rücktritt des Verwaltungsratsvorsitzenden des Fonds, das mangelnde Vertrauen der Investoren in die politische Stabilität, Gerichtsprozesse sowie Finanzierungsprobleme bei potenziellen Investoren.
Eigentlich sollten durch den Verkauf von Staatsbesitz bis 2015 rund 50 Mrd. Euro in die Kassen des überschuldeten Mittelmeerlandes fließen. Doch die Projekte liegen weit hinter dem Zeitplan. Im April hatte der Vorstand des Entwicklungsfonds beschlossen, bis zu einer erfolgreichen Regierungsbildung alle Geschäfte einzufrieren. Jetzt kommt die Behörde ins Schwimmen, selbst das abgespeckte Ziel von 19 Mrd. Euro bis 2015 zu erreichen. Mitropoulos deutete nun an, dass ein Erlös von 15 Mrd. in den kommenden zweieinhalb Jahren wohl realistischer sei. Bis jetzt hat der Staat lediglich 1,8 Mrd. Euro aus Privatisierungen eingenommen.
Quelle: ntv.de, jga/rts/DJ/dpa