"Kein Platz für heilige Kühe" Athen schaltet staatlichen Rundfunk ab
11.06.2013, 20:02 Uhr
Das schnelle Aus hat die ERT-Angestellten kalt erwischt.
(Foto: picture alliance / dpa)
Im Zuge der Sparmaßnahmen gibt die Regierung in Griechenland überraschend die sofortige Schließung des öffentlich-rechtlichen Radio- und Fernsehsenders ERT bekannt. Seit 23.00 Uhr ist der Betrieb eingestellt und soll später in einer deutlich schmaleren Version wieder aufgenommen werden. Die Beschäftigten reagieren geschockt.
Der griechische öffentlich-rechtliche Rundfunksender ERT hat am Dienstagabend die Ausstrahlung seiner Programme eingestellt. Kurz nach 23.00 Uhr (Ortszeit, 22.00 Uhr MESZ) stoppten alle Sender ihren Betrieb und die Bildschirme wurden schwarz. Zuvor habe die Polizei die Hauptsendeantenne auf einem Berg nahe der Hauptstadt Athen ausgeschaltet, hieß es aus Gewerkschaftskreisen. "Das ist illegal", sagte der Präsident der wichtigsten Gewerkschaft der Fernsehmitarbeiter, Panagiotis Kalfagianis.
Die griechische Regierung hatte die Schließung von ERT am Dienstag überraschend noch für denselben Abend angekündigt. Sie begründete dies mit der schlechten Führung und den hohen Kosten des Senders. Der von Gewerkschaften umgehend scharf kritisierte Schritt ist auch ein Entgegenkommen an die internationalen Geldgeber, die derzeit in Athen den Stand der Reformen überprüfen.Nach dem Ende des Programms heute Abend sei Schluss, teilte Regierungssprecher Simos Kedikoglu über den staatlichen Sender mit. Zu einem späteren Zeitpunkt sollen die Programme wieder auf Sendung gehen, aber mit weniger Beschäftigten und einer schlankeren Struktur. ERT sei ein außerordentliches Beispiel für "fehlende Transparenz" und "unglaubliche Ausgaben", sagte Kedikoglu zur Begründung. "Das wird nun ein Ende haben."
Geschlossen werden sollen drei staatliche landesweit ausgestrahlte Fernsehprogramme, sieben landesweit ausgestrahlte Radioprogramme sowie 19 regionale Radiosender. Damit geht eine 75-jährige Ära in der griechischen Medienlandschaft zu Ende. Das erste staatliche Rundfunkprogramm war im Jahr 1938 ausgestrahlt worden.
Sender-Aus als Troika-Opfer
Die Ankündigung der Regierung kam überraschend und fiel zusammen mit der Anwesenheit der Vertreter der Gläubiger-Troika aus EU, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds. Die neue Mission soll dazu dienen, den Fortgang der Reformen zu überprüfen, so dass in den kommenden Wochen eine weitere Zahlung von 3,3 Mrd. Euro für das überschuldete Land freigegeben werden kann.
Die Schließung soll dazu beitragen, die Auflagen des Sparprogramms zu erfüllen, das die internationalen Geldgeber dem Land auferlegt haben. "In einer Zeit, in der das griechische Volk Opfer bringen muss, gibt es keinen Platz für Verzögerungen, Zögerlichkeiten oder Heilige Kühe", sagte der Regierungssprecher.
Beschäftigte des Senders versammelten sich nach der Ankündigung vor der Zentrale in Athen. Sie kündigten an, gegen die Entscheidung zu kämpfen und riefen andere Medien dazu auf, ihre Arbeit aus Protest ebenfalls einzustellen. Griechischen Medien zufolge sollen rund 2900 Techniker, Angestellte und Journalisten ihre Arbeit verlieren. Der Plan sehe vor, in der nächsten Monaten einen neuen Arbeitsplan für ein kleines, kompaktes staatliches Fernsehen und Radio mit rund 1000 Mitarbeitern auszuarbeiten, hieß es aus Regierungskreisen.
Die mitregierende Partei der Sozialisten (Pasok) kritisierte die Schließung das staatliche Rundfunk - und Fernsehens. Radio und Fernsehen müssten zwar modernisiert werden, dies könne aber nicht überraschend und ohne Bewertung des Personals stattfinden, hieß es in einer Erklärung der Partei. Auch vom kleineren Koalitionspartner, der Demokratischen Linken (Dimar), kam Kritik: Es könne nicht sein, dass das Land ohne staatliches Radio und Fernsehen bleibe, hieß es.
Griechenland muss im Rahmen seines Konsolidierungsprogramms bis Ende des Jahres 4000 Staatsbedienstete entlassen. Bis Ende 2014 sollen 15.000 gehen.
Quelle: ntv.de, sla/rts/AFP