Alle Hände voll zu tun Auf VW rollt was zu
27.09.2011, 13:55 Uhr
Volkswagen: Ein Konzern für alles.
(Foto: REUTERS)
Die Wolfsburger freuen sich: Die EU-Kommission gibt grünes Licht für die Einverleibung von MAN. Experten beobachten die neuen Herausforderungen für die Wolfsburger jedoch mit Argusaugen. Der Konzern hat noch viele andere Baustellen.
VW-Patriarch Ferdinand Piëch kann nach jahrelangen Bemühungen die angestrebte Allianz der beiden Lkw-Bauer MAN und Scania schmieden. Die EU-Kommission gab VW am Montagabend grünes Licht für die Übernahme des Münchner Lastwagen- und Maschinenbauers MAN, der damit nach über 250 Jahren seine Unabhängigkeit verliert. Die Kartellwächter kamen zu dem Ergebnis, dass auch nach dem Zusammenschluss ausreichend Wettbewerb durch Anbieter wie Daimler, Volvo, Iveco und DAF bestehe.
Piëch (hier mit Frau Ursula) ist noch nicht am Ziel.
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Volkswagen begrüßte die Freigabe als wichtigen Meilenstein auf dem Weg zu einem integrierten Nutzfahrzeugkonzern aus MAN, Scania und der VW-Transportersparte. Europas größter Autobauer muss sich die Kontrolle des Münchner Lkw-Konzerns weltweit von den Behörden in etwa 20 Ländern genehmigen lassen. Mit der EU-Kommission ist eine wichtige Hürde genommen, da beide Unternehmen in Europa die meisten Geschäfte machen. Die Übernahme soll in den nächsten Wochen vollzogen werden, wenn auch die letzten noch ausstehenden Länder China, Serbien und Südafrika keine Bedenken anmelden.
Piëch und sein Lebenswerk
Experten rechnen damit, dass auch diese Staaten das Vorhaben durchwinken werden. Dann kann VW-Aufsichtsratschef Piëch, der auch den Kontrollrat von MAN leitet, darangehen, sein Lebenswerk zu vollenden. Der Porsche-Enkel plant einen Konzern, der vom sparsamen Kleinwagen über Kompaktautos und rassige Sportwagen von Lamborghini, Bugatti und Porsche bis hin zum 40-Tonnen-Schwerlaster alles im Angebot hat. Dabei spielt die Größe von Volkswagen nach Überzeugung von Analysten eine wichtige Rolle.
Durch die Übernahme des MAN-Konzerns, der sich anfangs erbittert gegen eine Einflussnahme aus Wolfsburg gewehrt hatte, schiebt sich Volkswagen nach Einschätzung der EU-Kartellwächter bei schweren Lastwagen an die Marktspitze in Europa. Zusammen kamen Scania und MAN bei den Neuanmeldungen bis August auf einen Marktanteil von 28,9 Prozent, gefolgt von Volvo/Renault mit zusammen 23,4 Prozent und Daimler mit 21,1 Prozent. Weltweit dürfte VW im Lkw-Geschäft dann einen Platz unter den ersten sieben einnehmen.
Von der Zusammenarbeit mit dem Münchner Lkw-Bauer und mit der schwedischen Tochter Scania erhofft sich VW Kostenvorteile bei Einkauf, Entwicklung und Produktion von 200 Millionen Euro im Jahr. Langfristig sollen sogar bis zu einer Milliarde Euro möglich sein. Bis VW - wie im Pkw-Geschäft bereits seit längerem üblich - auch bei Lastwagen einheitliche Bauteile zur Kostensenkung einführen kann, dürfte nach Überzeugung von Analysten allerdings einige Jahre vergehen. Verglichen mit der zurückliegenden Problemen wäre das jedoch ein Katzensprung: Die ersten Bemühungen um ein Lkw-Bündnis liegen über fünf Jahre zurück. Damals hatte MAN versucht, Scania zu übernehmen, blitzte damals aber ab, weil Piëch andere Pläne hatte.
Größe bereitet Probleme
Mit MAN als elfter Marke kommen gut 52.000 Mitarbeiter zu dem Wolfsburger Riesenkonzern hinzu, der zur Jahresmitte bereits auf 435.000 Beschäftigte kam. Noch nicht mitgerechnet sind die rund 13.000 Beschäftigten von Porsche, dessen Fahrzeuggeschäft erst zur Hälfte zu VW zählt.
Angesichts vieler "Baustellen" sehen die Experten den Wolfsburger Konzern vor gewaltigen Herausforderungen. Das Management hat bereits alle Hände voll mit der Integration von MAN und Porsche zu tun. Hinzu kommen juristische und steuerliche Stolpersteine, die die geplante Fusion mit der Porsche SE erschweren. Der Streit mit Suzuki bindet weitere Kräfte. Gleichzeitig sollen auf dem Weg an die Weltmarktspitze viele neue Modelle an den Start gebracht werden. "Die Größe des Konzerns könnte Volkswagen zunehmend Probleme bereiten", meint Frank Schwope von der NordLB. Der Rivale General Motors sei nicht zuletzt deshalb ins Straucheln geraten, weil er "ein unübersichtliches Markenkonglomerat war", sagt der Analyst.
Ein erster Stresstest könnte auf VW zukommen, wenn sich das Wachstum auf wichtigen Massenmärkten wie China und Brasilien weiter verlangsamt. Dann muss das Management womöglich seine ehrgeizigen Investitionspläne überarbeiten, glaubt Schwope. Ein anderer Analyst erkennt bereits Stresssymptome bei VW: "Das Krisenmanagement bei Suzuki war bisher ein einziges Desaster", sagte ein Branchenexperte, der nicht namentlich zitiert werden will.
Quelle: ntv.de, rts