Wer hat den Schwarzen Peter? Banken gegen den Rest der Welt
16.10.2011, 16:52 UhrWieder steht Europa vor einer Bankenkrise und wieder sollen Finanzhäuser mit öffentlichem Geld gerettet werden. Das ruft nicht nur überall in Europa die Bürger auf die Straße, sondern auch Politiker aller Couleur auf den Plan. Sie fordern eine Neuordnung der Kreditwirtschaft, doch die sieht den Schwarzen Peter vielmehr bei den Staaten und damit der Politik selbst.
Angesichts einer neuen Bankenkrise werden die Rufe nach einer grundlegenden Neuordnung der Branche lauter. SPD-Chef Sigmar Gabriel spricht sich für eine Trennung von Investmentbanking und Geschäftsbanken aus. Der Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir fordert eine Schuldenbremse für Banken und eine Verkleinerung der Institute.
Die Banken müssten wieder "zu Dienern der Realwirtschaft" werden, sagte Gabriel dem "Spiegel". "Jeder Mittelständler, der einen Kredit braucht, wird morgen in Schwierigkeiten kommen, wenn eine Bank pleitezugehen droht, weil sie sich im Investmentbanking verzockt hat."
Gabriel weiter: "Ich möchte, dass beim Geschäftsfeld des Investmentbankings ein ganz großes Schild an der Tür steht mit der Aufschrift "Hier endet die Staatshaftung"." Er habe überhaupt nichts dagegen, dass Leute mit ihrem Geld spekulierten. "Aber wenn die Zockerei schiefgeht, sollten die Spekulanten mit ihrem Geld dafür haften und nicht unschuldige Dritte", sagte Gabriel. "Was wir derzeit haben, ist ein Verlustsozialismus. Was schiefgeht, trägt die Allgemeinheit, und was gutgeht, wird privatisiert."
Falsche Signale
Für grundlegende Änderungen im Bankensystem tritt auch Özdemir ein. "Der Finanzmarkt muss schlichtweg unaufgeregter werden, und dazu gehört, dass Banken nicht mehr 'too big too fail' sein dürfen", sagte er der "Rheinischen Post". Die systemrelevanten Banken hätten Anreize, noch mehr Risiken einzugehen, da im Notfall der Staat mit Steuergeld einspringe. "Diese Logik muss durchbrochen werden. Das heißt, je größer eine Bank, desto höher muss auch das Eigenkapital sein, damit mögliche Verluste von der Bank selbst aufgefangen werden können. Wir brauchen eine Schuldenbremse für Banken."
FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle hält ein verstärktes Eingreifen der Politik in den Finanzmarkt für möglich. "Bei den Banken ist es wie mit Staaten: Machen sie ihre Hausaufgaben nicht, nehmen wir sie an die Hand", sagte Brüderle gegenüber "Bild". Man würde die Entwicklung bei den Banken ganz genau beobachten, um Pleiten zu verhindern und Jobs nicht zu gefährden. "Notfalls muss der Staat den Banken klare Vorgaben machen." Brüderle sieht Banken heute zwar besser mit eigenem Kapital ausgestattet als in der Finanzkrise 2008. Es seien aber weitere Schritte notwendig. "Auf die Schuldenkrise in einigen Staaten sind manche Institute nicht ausreichend vorbereitet."
EU-Kommissionschef José Manuel Barroso will derweil mit strafrechtlichen Konsequenzen Finanz-Jongleuren das Handwerk legen, die bewusst Krisen schüren. In einem Interview mit der französischen Zeitung "Le Parisien" stellte er "individuelle strafrechtliche Konsequenzen" in Aussicht, die er am Donnerstag offiziell vorstellen will. Wörtlich betonte Barroso: "Das wird eine Premiere im europäischen Recht und ein sehr starkes Signal werden." Es habe an den Märkten missbräuchliches Verhalten gegeben. "Einige haben die aktuelle Krise hervorgerufen. Diese Praktiken werden wir regulieren! Diejenigen, die sie verletzen, werden bestraft werden", sagte Barroso.
Banken wehren sich
Die deutschen Banken machen massiv Front gegen EU-Rettungspläne für die Kreditwirtschaft, die aus Sorge vor einem Kollaps der Branche in der Euro-Schuldenkrise geschmiedet werden. Barroso hatte gefordert, die Institute sollten sich am Markt frisches Kapital besorgen, um riskante Geschäfte besser abzusichern. Gelingt dies nicht, sollen den Banken Kapitalspritzen aufgezwungen werden.
Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann hat die Debatte scharf kritisiert und sie kontraproduktiv genannt. "Nicht die Kapitalausstattung der Banken ist das Problem, sondern die Tatsache, dass Staatsanleihen ihren Status als risikofreie Aktiva verloren haben." Ackermann stellte klar, dass das größte deutsche Geldhaus in der Euro-Schuldenkrise - wie schon nach der Lehmann-Pleite - ohne Staatshilfe auskommen wolle.
Sturm der Entrüstung
Seine Äußerungen stoßen bei Politikern weiter für Kritik . Die Chefin der CSU-Landesgruppen im Bundestag, Gerda Hasselfeldt, sagte im "Spiegel", Ackermann trage als Vertreter einer wichtigen Bank "große wirtschaftliche, aber auch gesellschaftliche Verantwortung". CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt kritisierte diejenigen Institute, die "immer noch Erträge vorwiegend in Boni und Dividenden stecken".
Grünen-Chef Özdemir sagte dem Magazin: "Ich frage mich, ob Herr Ackermann überhaupt an einer dauerhaften Lösung der Krise interessiert ist." Es dürfe nicht sein, dass Banken massive Risiken eingehen können, sich selbst über beide Ohren verschulden und die Steuerzahler dann dafür geradestehen müssten." Der SPD-Haushaltspolitiker Carsten Schneider sagte mit Blick auf die Deutsche Bank: "Auch wenn sie in der letzten Finanzkrise keine unmittelbare Hilfe erhalten hat, hat sie davon profitiert, dass die Politik einen Kollaps des Finanzmarktes verhindert hat. Etwas Demut stünde Herrn Ackermann gut zu Gesicht."
Dagegen warnten die Privatbanken angesichts der Debatte über die EU-Bankenpläne vor einer Eskalation des Streits. "Die Politik darf uns jetzt nicht den Krieg erklären - sondern lieber mit uns bei Wasser und Brot ins Kloster gehen und arbeiten, bis weißer Rauch aufsteigt und es eine gemeinsame Lösung gibt", sagte der Präsident des Bundesverbands deutscher Banken, Andreas Schmitz gegenüber "Bild". "Wir haben keine Bankenkrise, sondern eine politische Vertrauenskrise", so Schmitz weiter. In der Finanzkrise 2008 hätten manche Banken die Staaten in Schwierigkeiten gebracht. "Heute ist es umgekehrt. Manche Staaten bringen einige Banken in Schwierigkeiten."
Quelle: ntv.de, nne/dpa