Großaktion bei der EZB Banken tanken Milliarden
30.06.2010, 13:34 UhrSeit Ausbruch der Finanzkrise liegen am Interbankenmarkt die Nerven blank. Mit viel Aufwand muss die Europäische Zentralbank die Geldhäuser flüssig halten. Einen Tag vor einem geplanten Rekord-Deal zeichnet sich unverhofft Entspannung ab. Am Markt kommt Hoffnung auf.

Weniger Andrang als erwartet: Die "Milch" der Europäischen Zentralbank reicht dicke, die Banken fangen an, sich wieder auf eigene Faust zu versorgen.
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Die Geschäftsbanken des Euroraums haben sich in einer weltweit beachteten Aktion 131,93 Mrd. Euro bei der Europäischen Zentralbank (EZB) geliehen. Das Geschäft mit drei Monaten Laufzeit war mit großer Spannung erwartet worden, weil zum 1. Juli die Rückzahlung eines Jahrestenders der EZB über die Rekordsumme von 442 Mrd. Euro ansteht. Angesichts solcher Beträge liegt die nun tatsächlich zugeteilte Summe am unteren Ende der Erwartungen. Das Geschäft wurde zu einem festen Zinssatz von 1,0 Prozent durchgeführt. Insgesamt haben sich 171 Banken an dem Tender beteiligt. Aus welchen Ländern die Bankenanfragen kamen, teilte die EZB nicht mit.
Im Vorfeld hatte vor allem das rekordhohe Volumen der anstehenden Refinanzierungsaktion für erhebliche Beunruhigung gesorgt. An den asiatischen Aktienmärkten hatten sich Beobachter um die Liquiditätsversorgung im europäischen Bankensektor insgesamt gesorgt. Der bevorstehenden Tender-Termin wurde sogar als wahrscheinliche Ursache für den jüngsten Abwärtstrend an den Börsen herangezogen.

Milliarden zu Traumkonditionen: Bei der Grundsteinlegung für die künftige EZB-Zentrale legte Notenbankchef Jean-Claude Trichet ein Bündel Euro-Banknoten in eine Kassette, die nun im Fundament des Neubaus ruht.
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Geldmarkthändler hatten damit gerechnet, dass sich die Banken bei der EZB insgesamt 210 Mrd. Euro sichern dürften. Der tatsächliche Bedarf blieb mit den erwähnten 131,9 Mrd. Euro weit unter den Schätzungen. Als sicher gilt: Analysten hätten eine höhere Nachfrage als Indiz für die anhaltenden Spannungen in der Bankenbranche bewertet - und entsprechend mit Verkaufsempfehlungen reagiert.
Begeisterte Experten
"Das ist wirklich ein gutes Zeichen", sagte Gilles Moec, Geldmarktexperte bei der Deutschen Bank, im Rahmen einer ersten Reaktion. "Es bedeutet, dass sich die Institute auch am europäischen Interbankenmarkt noch Geld besorgen können. Es gibt also nicht nur das vertikale Verhältnis zwischen den Banken und der EZB. Wir müssen aber noch bis morgen warten, bis wir das Gesamtbild haben." Ähnlich äußerte sich Elmar Völker von der LBBW: "Es deutet daraufhin, dass der Liquiditätsbedarf der Banken geringer ist als am Markt befürchtet. Der Aktienmarkt hat einen Sprung gemacht. Das ist ein positives Zeichen, dass sich die Banken weniger Geld beschaffen müssen."
"Die abgerufene Summe beim Dreimonatstender ist erfreulich moderat", stellte Uwe Dürkop von der Landesbank Berlin fest. "Jetzt ist es spannend zu verfolgen, wie sich die Entwicklung der Einlagefazilität der EZB weiterentwickelt. Wenn sich dort ein Rückgang ergibt, würde dies die Hoffnung nähren, dass die Spannungen am Geldmarkt zu stark thematisiert worden sind." Der Überschuss in der Einlagefazilität wäre dann im Nachhinein als "Präventivmaßnahme der Banken mit Blick auf das Auslaufen des Jahrestenders" zu werten, meinte Dürkop.
Ein Händler, der nicht genannt werden wollte, fasste seine Wertung noch knapper zusammen: Die überraschend geringe Nachfrage zeige, "dass die Banken nicht gewillt sind, für 90 Tage mit einem Prozent Geld aufzunehmen. Dann kann die Not ja nicht so groß sein. Da kann man schon von einer Normalisierung sprechen."
Klares Signal für Anleger
Die Reaktionen an den Börsen fielen eindeutig aus: Bankwerte legten europaweit deutlich zu. Der europäische Branchenindex verbuchte die mit Abstand höchsten Gewinne. "Das hängt mit der Zuteilung des EZB-Tenders zusammen, die wesentlich geringer war als erwartet", sagte ein Händler. "Das heißt, dass die Banken keinen so großen Refinanzierungsbedarf haben, und das wird sehr positiv gesehen."
In Frankfurt zogen Deutsche Bank gegen Mittag um 2,6 Prozent auf 47,21 Euro an. Commerzbank gewannen knapp zwei Prozent auf 5,92 Euro. An der Madrider Börse stiegen Banco Santander um 5,2 Prozent, in Paris legten BNP Paribas um vier Prozent zu. Barclays gewannen in London 4,2 Prozent.
Quelle: ntv.de, mmo/dpa/rts