Pest oder Cholera Bernanke in der Zwickmühle
05.11.2010, 13:56 UhrAuf US-Notenbankchef Bernanke prasselt heftige Kritik ein. Seine Geldpolitik stößt auf wenig Verständnis. Auch Finanzminister Schäuble schüttelt angesichts der neuen Milliardenspritze mit dem Kopf. Zu Unrecht. Denn Bernanke versucht verzweifelt, eine Deflation zu verhindern.
Ben Bernanke gehört derzeit zu den unbeliebtesten Menschen. Auch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble ist auf den Chef der amerikanischen Notenbank Fed nicht sonderlich gut zu sprechen. Grund für den Unmut ist die neue milliardenschwere Geldspritze für die US-Konjunktur.
"Bei allem Respekt, mein Eindruck ist, die Vereinigten Staaten von Amerika sind ratlos", sagt Schäuble. Die aktuellen Wege der USA würden nicht aus der Krise führen. "Sie haben ja schon unendlich viel Geld in die Wirtschaft gepumpt." Dies sei einerseits durch extrem hohe staatliche Defizite geschehen. Zudem habe die Notenbank schon vor der 600-Milliarden-Dollar-Ankündigung sehr viel Geld in die Wirtschaft gepumpt. "Die Ergebnisse sind trostlos", analysiert Schäuble und verweist auf die hohe Arbeitslosigkeit.
Dabei scheint Schäuble zu übersehen, dass Stimuluspaket, Rettung von Banken und Autoindustrie sowie niedrige Zinsen die USA aus der Rezession geführt und - bislang - verhindert haben, dass das Land in die Rezession zurückfällt. Ohne die außergewöhnlichen Maßnahmen von Fed und Regierung läge die Arbeitslosenquote sehr viel höher. Allein das Stimulusprogramm hat unabhängigen Schätzungen zufolge im zweiten Quartal weit mehr als drei Millionen Jobs gerettet.
Die Deflation droht
Die Fed beunruhigen derzeit zwei Dinge: Die Arbeitslosigkeit und die Inflation. Während die Kerninflationsrate nahe Null liegt, verharrt die Arbeitlosenquote bei 9,6 Prozent und damit auf dem höchsten Stand seit 30 Jahren. Die Konjunktur wächst nur langsam und unsicher.
Die USA stehen vor einer Deflation, also einer Phase fallender Preise. Das hätte verheerende Auswirkungen auf die Wirtschaft; das zeigt das Beispiel Japan. Die Fed will verständlicherweise mit allen Mitteln verhindern, dass die USA ein ähnliches Schicksal erleiden.
Natürlich können Kritiker recht haben, die vor unkontrollierbarer Inflation, neuen Spekulationsblasen und heftigeren Währungsungleichgewichten warnen. Diese Gefahren sind auch der Fed bewusst. Doch Bernanke muss handeln, um ein Abgleiten in die Deflation zu verhindern. Mit den Zinsen nahe Null bleiben der Fed nur wenig Mittel, die drohende Deflation zu verhindern. Zu den nun ergriffenen Maßnahmen hätte Bernanke wohl selbst gerne eine geldpolitische Alternative, doch die gibt es nicht.
Keine Unterstützung
Schlimmer noch: Die Notenbank muss künftig alleine kämpfen. Die wiedererstarkten Republikaner werden Geldausgeben von Seiten des Staates mit aller Macht zu verhindern suchen. Verständnis für Stimulusprogramme ist von ihnen nicht zu erwarten
Die Warnungen vor einer Deflation werden so auf noch mehr taube Ohren stoßen. IWF-Chefvolkswirt Olivier Blanchard versucht es trotzdem: "Die USA befinden sich in einer Phase sehr niedriger Inflation, und es gibt die Gefahr einer Deflation." Die Aufblähung der Geldmenge um mehr als eine halbe Billion Dollar sei daher "kein Drama". Wenn das Inflation erzeuge, dann wäre das nicht das Ende der Welt.
Damit ihre Wirtschaft wieder auf die Beine kommt, müssen die Amerikaner Geld ausgeben. Der Konsum macht in den Vereinigten Staaten 70 Prozent der Wirtschaftsleistung aus. Doch nicht nur die Verbraucher halten sich zurück, auch Unternehmen horten Geld und investieren nur zögerlich.
Um Verbraucher und Industrie zum Geldausgeben zu animieren, macht es Sinn, die Inflationserwartungen in die Höhe zu treiben und die realen Zinsen zu senken. Genau das versucht die Fed. Ihr bleibt auch nichts anderes übrig.
Quelle: ntv.de