Wirtschaft

Ohne Chef und ohne Geld Besetzte Betriebe in Argentinien

Arminda Palacios arbeitete bereits als Schneiderin für das Hotel B.A.U.E.N. in Buenos Aires als es noch 4 Sterne und einen Besitzer hatte.

Arminda Palacios arbeitete bereits als Schneiderin für das Hotel B.A.U.E.N. in Buenos Aires als es noch 4 Sterne und einen Besitzer hatte.

(Foto: dpa)

Gekündigte Angestellte in Argentinien besetzen ihr bankrottes Hotel, verpfänden ihre Häuser, um Geld zu investieren und arbeiten in Eigenregie weiter. Doch der Erfolg ist nicht garantiert.

"Dieses Hotel hat uns Tränen gekostet", erzählt Arminda Palacios und blickt nachdenklich aus dem Fenster. Im Zentrum der argentinischen Hauptstadt Buenos Aires, wenige Minuten von zahlreichen Touristenattraktionen entfernt, liegt das Hotel "B.A.U.E.N." ("Buenos Aires Una Empresa Nacional" / "Buenos Aires - Ein einheimisches Unternehmen"). Es ist das wohl bekannteste Beispiel des südamerikanischen Landes für Unternehmen, die in wirtschaftliche Schwierigkeiten gerieten und von den Angestellten in Eigenregie fortgeführt werden. Doch das ist hartes Brot.

Palacios' Arbeitsplatz liegt im dritten Stock des 20-stöckigen Hotels, dessen Spitze im dunstigen Himmel der Großstadt verschwindet. Eine Geräuschkulisse aus Motoren und Stimmengewirr dringt von der Straße in ihre kleine Werkstatt. Die Schneiderin muss neue Vorhänge für die Hotelzimmer nähen. Eigentlich hätte sie damit bereits vor einer Woche fertig sein wollen. Palacios zuckt mit den Schultern: "Dieses mal mussten wir eben länger auf das Material warten." Dass an ihrem Arbeitsplatz einiges auf sich warten lässt, daran hat sie sich längst gewöhnt.

Angestellt gründen Kooperative

Palacios arbeitet bereits seit den 1990er Jahren in dem Hotel, das seinerzeit von der Militärdiktatur aus Anlass der 1978 in Argentinien ausgetragenen Fußball-Weltmeisterschaft errichtet wurde. Doch mit der Wirtschaftskrise, die das Land 2001 und 2002 schwer traf, verloren sie und die anderen 400 Angestellten des ehemals luxuriösen Hotels ihren Arbeitsplatz. Denn im Krisenjahr wurde das Hotel geschlossen.

Totaler Ausverkauf: Ein Geschäft in Buenos Aires muss Weihnachten 2001 aufgrund der anhaltenden Wirtschaftkrise schließen.

Totaler Ausverkauf: Ein Geschäft in Buenos Aires muss Weihnachten 2001 aufgrund der anhaltenden Wirtschaftkrise schließen.

(Foto: REUTERS)

Mit einigen ihrer Ex-Arbeitskollegen tat Palacios zwei Jahre nach der Schließung das, was zu jener Zeit in Argentinien viele gekündigte Angestellte taten: sie besetzten ihren ehemaligen Arbeitsplatz und gründeten eine Kooperative. "Wir sind durch das Parkhaus in das Gebäude eingedrungen", erzählt die Angestellte Eva María Lossada: "Damals gab es hier nichts mehr, der Eigentümer hatte alles mitgenommen." Die beiden Frauen erinnern sich an bitterkalte Winternächte, in denen sie in der Hotellobby Wache hielten. Nicht einmal Strom, Gas oder Wasser habe es gegeben. "Wir sind auf die Straße gegangen und haben Passanten um etwas Geld oder Essen gebeten", sagt Lossada.

Viele verpfändeten ihre Häuser

Seither sind sieben Jahre vergangen, in denen die heute 150 Angestellten ihre gesamte Arbeitskraft in das zunehmend vom Verfall bedrohte Gebäude steckten. Um das Hotel wieder eröffnen zu können, mussten die 186 Zimmer erst komplett eingerichtet werden. "Viele von uns haben ihre Häuser verpfändet, um ein wenig Geld investieren zu können", erzählt Lossada, die zuletzt das Amt der Präsidentin der Kooperative innehatte. Jeder musste dort anpacken, wo er konnte. "In einem Moment war ich alles auf einmal", sagt sie: "Kellnerin, Rezeptionistin, Zimmermädchen."

Zwar hat das Hotel bisher überlebt, aber dennoch: "Vieles könnte besser laufen", räumt Palacios ein. Und ein Blick in die abgelegeneren Flure des Gebäudes reicht, um zu verstehen, was sie meint. Bauschutt im Swimmingpool und vergilbte Vorhänge, tropfende Wassertanks, kaputte Klimaanlagen oder der Ausfall des Fahrstuhls: Jede Reparatur bedeutet weniger Gehalt für die Mitarbeiter, die nur noch 1000 Pesos (190 Euro) pro Monat verdienen. "Eine Familie kann davon nicht leben", sagt Palacios.

Trotz aller Schwierigkeiten wollen die Mitarbeiter weiter für "ihr" Hotel kämpfen. Immerhin zählt es zu den erfolgreichsten aller selbstverwalteten Unternehmen in Argentinien.

Quelle: ntv.de, Vera Freitag, dpa

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