Alstom wirft sich in amerikanische Arme Bittere Zeiten für Frankreich
30.04.2014, 17:35 Uhr
Die Farben im Logo gehören zu Frankreich - wie französisch wird Alstom bleiben?
(Foto: dpa)
Neben Kühlschränken und Klärwerken könnte der US-Konzern GE künftig auch französische Windkraftanlagen bauen. Und Paris steht hilflos daneben. Der Versuch, Alstom noch schnell mit dem Europäer Siemens zu verkuppeln, macht den Deal für GE nur noch lukrativer.
Für Franzosen mit Nationalstolz sind es bittere Zeiten. Nach dem Teilverkauf des traditionsreichen Autobauers Peugeot an die Chinesen bahnt sich nun eine Zerschlagung des Energie- und Bahntechnik-Konzerns Alstom an. Das Unternehmen, das neben Kraftwerksturbinen unter anderem die TGV-Hochgeschwindigkeitszüge baut, gilt als zu klein und zu europäisch, um langfristig auf dem Weltmarkt bestehen zu können.
Doch statt einer "europäischen Lösung" mit der Hilfe von Siemens bevorzugt die Unternehmensführung einen Verkauf des Energietechnik-Geschäfts an den Mischkonzern General Electric. Ein weiteres Aushängeschild gehe verloren, kommentieren die Medien. Für die Regierung um Präsident François Hollande gilt der Deal als eine neue Niederlage im Kampf um den angeschlagenen Wirtschaftsstandort.
"Schreiende Hilflosigkeit des Staates"
"Die Affäre Alstom ist ein Paradebeispiel für die fehlende Voraussicht und schreiende Hilflosigkeit des Staates in industriellen Angelegenheiten", schrieb die linksliberale Pariser Zeitung "Libération" bissig. Die "Monde" bezeichnete den Deal als Zeichen für das "Ende einer Ära". Der Staat habe nicht mehr die Mittel, geschwächte Unternehmen in sensiblen Bereichen zu schützen, hieß es. Nun müsse er zumindest den Schiedsrichter spielen.
Die Regierung steckt dabei allerdings in der Bredouille. Der Staat ist seit 2006 nicht mehr an Alstom beteiligt und kann deswegen nicht direkt auf strategische Entscheidungen Einfluss nehmen. Gegen eine mögliche Teilverstaatlichung sprechen der riesige Schuldenberg und die EU-Sparauflagen.
Als Druckmittel bleibt vor allem die Tatsache, dass Alstom zum größten Teil von Staatsaufträgen lebt. Um einen schnellen Abschluss der Verhandlungen zu verhindern, brachte die Regierung zuletzt Siemens als möglichen Partner für Alstom ins Spiel. Hollande hatte bereits im Januar vorgeschlagen, eine deutsch-französische Allianz im Energiebereich zu schmieden. Als Vorbild für gelungene Zusammenarbeit nannte er den vor allem von Deutschland und Frankreich geschaffenen Luft- und Raumfahrtkonzern Airbus (früher EADS).
"Es gibt zwei Lösungen. Um Bilder zu benutzen, die den Franzosen etwas sagen: Entweder lässt man sich von Boeing kaufen, oder man baut am Airbus. Siemens will zwei Weltführer in den Bereichen Energie und Verkehr aufbauen", kommentierte Wirtschaftsminister Arnaud Montebourg von Siemens-Chef Joe Kaeser vorgelegte Pläne. Offen schürte die Regierung gleichzeitig, die Furcht, dass Frankreich durch einen Deal zwischen Alstom und GE Arbeitsplätze, Entscheidungszentren und Unabhängigkeit in Energiefragen verlieren könnte.
Dass ein Tausch von Geschäftsfeldern zwischen Siemens und Alstom nach Ansicht vieler Experten langfristig wegen größerer Überschneidungen viel mehr Arbeitsplätze gefährden würde, kommentierte sie nicht.
Regierung soll sich nicht einmischen
Auch das Argument der nationalen Unabhängigkeit in Fragen der nationalen Energieversorgung überzeugt längst nicht jeden. Französische Atom-U-Boote würden von GE-Turbinen angetrieben, spotten Anhänger des GE-Deals. Wenn das kein Problemen sei, warum könnten dann nicht auch die Turbinen für Kernkraftwerke unter dem Namen GE gebaut werden. Wie Siemens wollen auch die Amerikaner Garantien für Standorte und Jobs in Frankreich abgeben. Alstom-Chef Patrick Kron zeigte sich in einem Interview verärgert über die Einmischung der Regierung. Letzlich könnte sich die Einflussnahme allerdings ausgezahlt haben. Wie das GE-Angebot ausgesehen hätte, wenn Siemens keine Gegenvorschläge gemacht hätte, ist in der Öffentlichkeit nicht bekannt.
Ungläubig hatten viele Franzosen zuletzt wahrgenommen, dass die Regierung offensichtlich erst aus den Medien davon erfuhr, dass ein Verkauf der Alstom Energietechnik-Sparte an GE kurz vor dem Abschluss steht. Montebourg, der sich gerne als Wahrer nationaler Industrieinteressen präsentiert, warf Kron daraufhin vor, ihn in den vergangenen Monaten über seine Allianz-Pläne mit GE angelogen zu haben. "Muss der Wirtschaftsminister in seinem Büro einen Lügendetektor installieren? (...)", fragte Montebourg in Anspielung auf seine Gespräche mit Kron.
Quelle: ntv.de, Von Ansgar Haase, dpa