Wirtschaft

Hohe Zinsen, stabile Politik Brasilien lockt Anleger

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(Foto: REUTERS)

Historisch niedrige Leitzinsen und schwer berechenbare Finanzmärkte machen Anlegern das Leben in Industrieländern schwer. Brasilien lockt dagegen mit einem Leitzins von 11,5 Prozent. Und jüngst hat mit S&P die letzte der drei großen Ratingagenturen den Rohstoffriesen auf BBB hochgestuft. Allerdings sollten Investoren genau hinsehen.

Anfang September stand die brasilianische Zentralbank in der Kritik von Börsen-Analysten: Abhängigkeit von der Politik lautete ihr Vorwurf. Die Banco Central do Brasil (BCB) hatte den Leitzins Selic von 12,5 auf 12 Prozent gesenkt. Mitte Oktober ging es weitere 50 Basispunkte nach unten.

Für Standard & Poor's offenbar kein Grund, Brasiliens Bonität zu misstrauen. Mitte November hat die Ratingagentur brasilianische Staatsanleihen hochgestuft – acht Monate nach Fitch und vier nach Moody's: langfristige Anleihen auf BBB, kurzfristige auf A-3 (Fitch F-2, Moody'sP-2). Damit ist Brasilien besser bewertet als seine ehemalige Kolonialmacht Portugal; trotzdem zahlt der Rohstoffriese zum Teil doppelt so hohe Kupon-Zinsen.

"Die Kombination aus umsichtiger Wirtschaftspolitik, einer diversifizierten Wirtschaft und einer schrittweisen Verbesserung der Außendarstellung macht Brasilien zunehmend unempfindlich gegenüber möglichen externen Schocks", begründet S&P-Analyst Sebastián Brizzio den Schritt. Dem stimmt auch Prof. Federico Foders vom Kieler Institut für Weltwirtschaft zu: "Brasilien betreibt seit den 90er-Jahren eine sehr solide Wirtschaftspolitik." Unter Präsident Lula habe das Land zudem außenpolitisch an Bedeutung gewonnen, so der Lateinamerika-Experte; die behutsame Sozialpolitik der letzten Dekade gebe zudem innenpolitische Stabilität.

Es gibt Haken

Gerade erst ist die Inflationsrate leicht gesunken, sie steht aber immer noch bei gut sieben Prozent. Die Leitzinssenkung könnte ein Wiederaufflammen begünstigen. Das gilt auch für die 2012 anstehenden Lohnerhöhungen: Brasilianische Arbeitsverträge beziffern das Gehalt nämlich in Vielfachen des Mindestlohns; und der wird 2012 per Gesetz um 7,5 Prozent plus Inflationsrate heraufgesetzt.

Die steigenden Lohnkosten in Verbindung mit dem Konkurrenzdruck nach außen könnten die Konjunktur beeinträchtigen. Im dritten Quartal 2011 stagnierte sie bereits. Außerdem hat die Regierung in der Vergangenheit immer wieder ausländische Investitionen besteuert, um die Kapitalfluten einzudämmen. Denn die haben den Real in Höhen getrieben, die der einheimischen Industrie die Konkurrenz mit China erschweren.

Genau deshalb verstehen Kritiker die Leitzinssenkung wohl auch als politisch motiviert, weil sie das Wachstum auf Kosten der Geldwertstabilität in Schwung halten soll. Das könnte Ausdruck eines Paradigmenwechsel bei der Notenbank sein. Trotzdem hat S&P auch Transfer- und Konvertibilitätsfähigkeit (T&C) auf A- hochgestuft.

Gute Aussichten

Aktuelle Prognosen sehen für 2012 einen Rückgang der Geldentwertung auf unter sechs Prozent. Auch Brizzio betont: "In ihrem ersten Amtsjahr hat die Regierung unter Dilma Rousseff fiskalisch besser abgeschnitten als vorgesehen." Und das verleihe ihr mehr geldpolitischen Spielraum.

Oder wie Foders es sieht: "Brasilien kann es sich leisten den Leitzins zu senken." Der Ökonom sieht in Brasilien das Land der Stunde: "Der Kapitalmarkt kann sich vor ausländischen Investitionen derzeit kaum retten." Angesichts der Schwierigkeiten der heimischen Industrie sei die moderate Senkung des Basiszinses zwar ordnungspolitisch anzumahnen, realpolitisch aber durchaus sinnvoll. "Die brasilianische Regierung hat ihre Interventionen bisher mit viel Bedacht dosiert und ist damit seit Jahren sehr gut gefahren", so Foders.

Auch wenn sich die Ratingagenturen noch scheuen, langfristige Anlagen mit einem A zu bewerten, ist sich der Kieler Professor sicher: "Gerade wer sich für Direktinvestitionen interessiert, ist in Brasilien bestens aufgehoben." Denn mit einem Binnenmarkt von bald 200 Millionen Menschen sei der produzierende Sektor nur bedingt auf Exporte und die instabile Weltwirtschaft angewiesen.

Quelle: ntv.de

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