Umbau der Bankenlandschaft Briten reiten voran
02.11.2009, 22:52 UhrBei der Sanierung ihrer angeschlagenen Banken sind die Briten Vorreiter. Finanzminister Alistair Darling will die mit Milliardengeldern gestützten Bankengiganten Royal Bank of Scotland (RBS) und Lloyds aufspalten und sie kleiner, also weniger systemrelevant machen. Er will verhindern, dass die Institute wegen ihrer schieren Größe nicht pleite gehen können, ohne das gesamte Finanzsystem ins Wanken zu bringen. In anderen Ländern ist man noch nicht ganz so weit: Der US-Kongress arbeitet an einem Gesetz, mit dem die mit Großbanken verbundenen Risiken besser unter Kontrolle gebracht werden sollen. In der Europäischen Union hat die Diskussion darüber erst begonnen.
Experten dringen jedoch darauf, dass alle Länder an einem Strang ziehen. "Die Verhandlungen über eine gemeinsame, grenzübergreifende Lösung sollten sofort beginnen", fordert die Squam Lake Working Group, eine Gruppe von 15 internationalen Wissenschaftlern. Möglichst schnell solle eine weltweit einheitliche Form der Bankensanierung gefunden werden.
Die Experten, darunter auch der bekannte US-Ökonom Robert Shiller, fordern eine Art Testament, das sämtliche großen Banken und Finanzinstitute zu Lebzeiten aufstellen sollen, um sich auf den Ernstfall - also eine Insolvenz - vorzubereiten. Die Briten brachten diese Idee schon vor Wochen auf den Tisch. Auch die EU-Kommission diskutiert inzwischen, ob ein solcher "letzer Wille" im Krisenfall das richtige Vorgehen ist. Auf dem Gipfel der wichtigsten Industrie- und Schwellenländer (G20) wurde im September beschlossen, dass Banken bis Ende des nächsten Jahres Notfallpläne zu einer Abwicklung aufstellen sollen. Der damit beauftragte Finanzstabilitätsrat will bis Oktober 2010 Empfehlungen vorlegen.
Das Testament soll regeln, wie ins Straucheln geratene Institute, die für die Stabilität des globalen Finanzsystems relevant sind, im Notfall aufgelöst werden können. Es soll künftig verhindert werden, dass Staaten zu Milliardenhilfen gezwungen sind, weil die Häuser zu groß sind. Auch die oft sehr verschachtelten Konzernstrukturen sollen vereinfacht werden.
Lehman-Kollaps soll nicht wieder vorkommen
Regierungen weltweit arbeiten derzeit an Plänen, wie die Zügel für Banken gestrafft werden können. Die Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers vor gut einem Jahr hatte Banken rund um den Globus in den Abgrund gezogen und die Weltwirtschaft in die schlimmste Krise seit Jahrzehnten gestürzt. Weltweit mussten Staaten hunderte Milliarden aufbringen, um Banken zu retten, damit nicht das gesamte Finanzsystem in sich zusammenstürzt. Viele Banken waren "too big to fail" - also zu groß, um umzufallen.
In den USA wird derzeit ein Gesetzentwurf beraten, nach dem systemrelevanten Banken strengere Vorsorgepflichten auferlegt werden sollen.Auch hat die US-Regierung festgelegt, dass sie einer gescheiterten Bank nur im Fall einer geordneten Abwicklung Staatshilfe gibt. In der EU wird neben einem Testament angeregt, das Insolvenzrecht zu harmonisieren und ein System zu finden, wie die Kosten der Rettung eines solchen Instituts unter den beteiligten Mitgliedsländern aufgeteilt werden können. Konkrete Gesetzentwürfe soll es frühestens im nächsten Jahr geben.
Eine Aufspaltung von großen Banken, wie sie Großbritannien derzeit vorantreibt, löst nicht überall Beifall aus: Der Chef der Londoner Finanzaufsichtsbehörde FSA, Adair Turner, warnte vor neuen Risiken, die bei einer Teilung in etwa eine Privatkundenbank und eine Investmentbank entstehen könnten. "Dies könnte das Finanzsystem noch anfälliger und instabiler machen als es heute ist", sagte Turner. Helfen würde vielmehr eine höhere Eigenkapitalausstattung größerer Institute.
Quelle: ntv.de, rts