Milliardenübernahme droht zu platzen Brown knöpft sich Murdoch vor
12.07.2011, 19:41 Uhr
Der Skandal erschüttert sein Imperium: Murdoch wird vor dem Parlament Rede und Antwort stehen müssen.
(Foto: REUTERS)
Der Abhörskandal weitet sich aus: Ex-Premier Brown wirft Murdochs Medien kriminelle Machenschaften vor. Brown empört besonders, dass über eine geheim gehaltene Krankheit seines kleinen Sohnes berichtet wurde. Auch wirtschaftlich gerät Murdoch unter Druck: Die geplante Übernahme von BSkyB droht zu platzen, er muss vor dem Parlament erscheinen.
Im Abhörskandal um britische Zeitungen gerät Medienzar Rupert Murdoch zunehmend unter Druck. Der ehemalige Premierminister Gordon Brown warf dem Medienimperium von Murdoch vor, "bekannte Kriminelle" benutzt zu haben, um an Geschichten zu kommen. Abgeordnete forderten, Murdoch müsse vor einem Parlamentsausschuss Rede und Antwort stehen.
Brown, der von 1997 bis 2007 Finanzminister und anschließend bis zum Mai 2010 Regierungschef war, bezeichnete sich als Opfer von "Machtmissbrauch zu kommerziellen oder politischen Zwecken". Murdochs Verlag News International, der britische Ableger des Medienimperiums, habe in einigen Fällen Verbindungen zu "vorbestraften Tätern" und zur "kriminellen Unterwelt" unterhalten. Am Montagabend war bekannt geworden, dass die Murdoch-Zeitungen "The Sunday Times" und "The Sun" den Labour-Politiker und seine Familie möglicherweise jahrelang ausspionierten. Den Angaben zufolge soll der Privatdetektiv Glenn Mulcaire im Auftrag von News International unter anderem Browns Handy gehackt haben, als dieser Finanzminister war.
Den Premier ausspioniert?
Brown berichtete in einem BBC-Interview über die Verzweiflung seiner Familie, nachdem sie erfahren habe, dass die "Sun" über eine eigentlich geheim gehaltene Krankheit seines kleinen Sohnes berichten werde. Nur die Familie und die Ärzte hätten über den Zustand des vier Monate alten Kindes Bescheid gewusst. Er wisse nicht, wie die Zeitung an die Informationen gekommen sein könne. Die damalige "Sun"-Chefin und heutige Managerin bei News International, Rebekah Brooks, habe ihn angerufen und ihn über die bevorstehende Veröffentlichung informiert. Die Murdoch-Vertraute Brooks steht in der Affäre massiv und Druck und sieht sich Rücktrittsforderungen gegenüber.
BBC und die Zeitung "Guardian" berichteten, die "Sunday Times" habe sich private medizinische und finanzielle Daten sowie Informationen über ein Wohnungsgeschäft beschafft. Laut "Guardian" reichen die Vorwürfe bis in die Amtszeit von Brown als Regierungschef.
News International erklärte dagegen, die Geschichte von Browns Sohn sei seinerzeit mit legalen Methoden zustande gekommen. Der Verlag bitte darum, ihm alle Informationen zu den Anschuldigungen zu übermitteln. Erst in der vergangenen Woche war bekannt geworden, dass "News of the World" tausende Menschen illegal abgehört hatte. Die Zeitung war daraufhin eingestellt worden.
Cameron schwenkt um
In dem Abhörskandal gerät auch Medienmogul Murdoch selbst immer stärker in die Kritik. Eine parteiübergreifende Koalition aus Regierung und Opposition stellt sich gegen den gebürtigen Australier: Die Konservativen von Premierminister David Cameron wollen sich einem Antrag der oppositionellen Labour-Partei anschließen, der Murdoch zum Rückzug von seiner beabsichtigten Komplettübernahme des Fernsehkonzerns BSkyB auffordert. "Wir beabsichtigen, das zu unterstützen", sagte ein Sprecher der Downing Street. Der kleinere Koalitionspartner der Konservativen, die Liberaldemokraten, hatte bereits zuvor angekündigt, im Zweifel mit der Opposition zu stimmen.
Murdochs beabsichtigter Milliardendeal, mit dem er über seinen Medienkonzern News Corp. die 61 Prozent am britischen Bezahlsender BSkyB übernehmen will, ist seit langem ein Zankapfel. Bis vor wenigen Wochen hatte die Regierung Cameron das Gebot Murdochs in Höhe von rund acht Milliarden Pfund (neun Milliarden Euro) noch mitgetragen und angedeutet, ihm eine langwierige Prüfung durch die Wettbewerbskommission zu ersparen. Am Montag war die Angelegenheit dann doch der Wettbewerbskommission übergeben worden.
Ein Parlamentarier-Komittee forderte Murdoch sowie dessen Sohn James, der Chef von News International ist, für kommende Woche auf, vor dem Ausschuss Rechenschaft abzulegen. Auch Brooks soll erscheinen. News International kündigte eine Zusammenarbeit mit dem Parlament an.
Informationen zurückgehalten?
Die Polizei warf dem Unternehmen unterdessen vor, bis vor kurzem wichtige Informationen und Beweise zurückgehalten zu haben. Erst mit den neuen Erkenntnissen hätten die Ermittlungen im Januar wieder neu aufgenommen werden können, sagte der an den Ermittlungen beteiligte John Yates vor dem Parlamentarier-Ausschuss. Politiker hatten kritisiert, die Polizei hätte schon viel früher agieren müssen.
Der Skandal um abgehörte Telefone und Bestechungspraktiken bei der "News of the World" läuft bereits seit Jahren. Nachdem vergangene Woche herausgekommen war, dass auch die Handys von Mord- und Terroropfern angezapft worden sein könnten, wurde das 168 Jahre alte Blatt am Sonntag eingestellt. Bereits 2007 waren ein Journalist und ein Privatdetektiv zu mehrmonatigen Haftstrafen verurteilt worden, weil sie die Handys von Mitarbeitern der britischen Königsfamilie abgehört hatten. Nun wurde auch bekannt, dass bislang nur 170 der fast 400 potenziellen Opfer kontaktiert worden sind.
Aktie unter Druck
Die Londoner Polizei hatte bereits bestätigt, dass einige hohe Beamte womöglich Bestechungsgelder von der Zeitung angenommen haben. Es geht um eine Gesamtsumme von mehr als 100.000 Pfund (rund 113.000 Euro). Der frühere "News of the World"-Chefredakteur und spätere Regierungssprecher von Premierminister David Cameron soll die Zahlungen selbst abgezeichnet haben. Andy Coulson wurde unter anderem wegen des Verdachts der Korruption am vergangenen Freitag festgenommen und kam später gegen Zahlung einer Kaution wieder frei.
News Corp. versucht derweil, mit einem groß angelegten Aktienrückkauf das Vertrauen der Anleger zurückgewinnen. Das von Rupert Murdoch kontrollierte Unternehmen kündigte an, für insgesamt 5 Milliarden Dollar (3,6 Milliarden Euro) Anteilsscheine aufkaufen zu wollen. Das treibt den Kurs, weil die verbleibenden Anteilseigner ein größeres Stück am Unternehmen bekommen.
Quelle: ntv.de, dpa/rts/AFP