Neuer Fördertopf angezapft Bund stockt Intel-Hilfen wohl auf - Konzernchef bei Scholz
16.06.2023, 16:23 Uhr Artikel anhören
Die Bagger sind schon da. Die Archäologen auch. Nächste Woche könnte der Deal über die Staatshilfen stehen.
(Foto: picture alliance / dpa-Zentralbild)
Intel will bei Magdeburg ein Chipwerk aus dem Boden stampfen - und bittet um mehr Staatshilfe. Finanzminister Lindner klammert sich aber an die Schwarze Null. Doch weil offenbar niemand für das Scheitern des Mega-Projekts verantwortlich sein will, sucht die Regierung nach weiteren Töpfen - und wird fündig.
Der US-Chipkonzern Intel erhält voraussichtlich mehr staatliche Mittel als bislang geplant für seinen Fabrik-Komplex in Magdeburg in Sachsen-Anhalt. Wie das "Handelsblatt" unter Berufung auf Regierungskreise berichtete, sollen 9,9 Milliarden Euro anstatt der bislang zugesagten 6,8 Milliarden Euro fließen. Die Bundesregierung äußerte sich nicht zur konkreten Fördersumme, bestätigte aber ein Treffen von Bundeskanzler Olaf Scholz mit Intel-Chef Pat Gelsinger im Kanzleramt kommende Woche. Eine Vereinbarung für die Staatshilfen soll in den nächsten Tagen finalisiert und Anfang nächster Woche in Berlin unterzeichnet werden.
Eigentlich war der Bau des von der Bundesregierung und der EU-Kommission geförderten Projekts in Magdeburg im ersten Halbjahr dieses Jahres geplant. Wegen laufender Verhandlungen über Subventionen wurde er verschoben, wie Anfang des Jahres bekannt wurde. Später kamen dann die Folgen des Ukraine-Kriegs und vor allem hohe Kosten hinzu. Dem "Handelsblatt" zufolge erhöhte Intel wegen gestiegener Baukosten sowie modernerer Technologie, die bei dem Projekt zur Anwendung kommen soll, die Investitionssumme forderte mehr Geld.
Lindner hat die Hand auf dem Etat
Wegen Unstimmigkeiten zwischen Bundesfinanzminister Christian Lindner und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck soll dieses zusätzliche Geld demnach aber nicht aus dem Bundeshaushalt, sondern aus einem Sondervermögen des Wirtschaftsministeriums kommen. Konzernvertreter und Bundesregierung wollten die Details dem Bericht zufolge am Wochenende festlegen. Eine Sprecherin des Bundeswirtschaftsministeriums sagte, es gebe "intensive und auch laufende Gespräche".
Das Ziel der Bundesregierung sei klar: "Wir wollen Deutschland als Mikroelektronikstandort stärken, das ist für die Transformation und die technologische Souveränität von großer Bedeutung." Lindner hatte sich bislang gegen höhere Subventionen gesträubt. "Im Haushalt ist kein Geld mehr vorhanden", sagte er vor wenigen Tagen in einem Interview.
Kanzler Scholz hatte am Vortag nach einem Treffen mit den Ministerpräsidenten der Länder auch darauf verwiesen, dass durch den Ausbau der Erneuerbaren Energien die Stromerzeugung künftig preiswerter sein könne als zuletzt. Dadurch könnten "Unternehmen, die eine Ansiedlungsentscheidung, eine große Investitionsentscheidung treffen, die Möglichkeit haben, eine feste Zusage für einen billigeren Strompreis zu bekommen", weil der Ausbau "geschehen sein wird, wenn die Fabrik eröffnet wird".
"Polen war einfach ein bisschen hungriger"
Insgesamt könnten sich die Investitionen von Intel in den Standort Europa in den kommenden zehn Jahren auf 80 Milliarden Euro summieren. So kündigte der US-Chipkonzern etwa Investitionen in ein Werk in Polen in Höhe von umgerechnet 4,2 Milliarden Euro an. Geplant ist ein Werk zum Test und zur Montage von Prozessoren. "Polen war einfach ein bisschen hungriger, den Zuschlag zu erhalten", sagte Konzernchef Gelsinger.
Mehrere Staaten hatten sich als Standort angeboten. Der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki nannte die Fabrik "die größte Investition auf der grünen Wiese in der Geschichte Polens". In der Anlage selbst sollen bis 2027 rund 2000 hoch qualifizierte Arbeitsplätze entstehen. Die Bundesregierung sieht darin keine Konkurrenz zum Werk in Magdeburg. In Kürze ist auch ein Treffen von Gelsinger mit Sachsen-Anhalts Regierungschef Reiner Haseloff geplant.
Die EU und die nationalen Regierungen erhoffen sich von der Intel-Ansiedlung eine größere Unabhängigkeit von globalen Lieferketten und den asiatischen Herstellern der Zukunftstechnologie. Ziel der EU ist es, bis 2030 rund 20 Prozent der globalen Halbleiterproduktion in Europa anzusiedeln - doppelt so viel wie jetzt.
Quelle: ntv.de, jwu/AFP/rts/dpa