Keine Steuersenkungen Bundesbankpräsident warnt Berlin
12.06.2011, 15:22 UhrDer neue Bundesbankpräsident Jens Weidmann spricht sich ausdrücklich gegen Steuersenkungen aus. "Ein zügiger Defizitabbau sollte Vorrang haben", sagt Weidmann in Richtung FDP. Beim Thema Griechenland hat Weidmann Zweifel an der Beteiligung privater Gläubiger an den Kosten.
Bundesbankpräsident Jens Weidmann bleibt bei seiner Ablehnung von Steuersenkungen. "Angesichts eines Schuldenstandes von rund zwei Billionen Euro, einer weiterhin hohen Neuverschuldung und absehbaren Belastungen aufgrund einer alternden Bevölkerung sollte ein zügiger Defizitabbau Vorrang haben", sagte Weidmann der "Welt am Sonntag". Ähnlich hatte er sich bereits nach der jüngsten Steuerschätzung im Mai geäußert. Diese hatte ergeben, dass das staatliche Defizit 2011 weitaus geringer ausfallen wird als erwartet.
Anstrengung muss sich lohnen
Trotz Widerstands auch beim Koalitionspartner Union bleibt das Thema Steuersenkung auf der Agenda der FDP. Der nordrhein- westfälische FDP-Landesvorsitzende und Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr will noch in dieser Legislaturperiode niedrigere Steuersätze durchsetzen. "Deutschland steht heute wirtschaftlich wieder gut da. Wir werden den Menschen zeigen, dass es ihnen mit der FDP in der Regierung besser geht", sagte er der "Bild am Sonntag". "Der Facharbeiter muss spüren, dass sich seine Anstrengung lohnt. So darf der Staat von einer Gehaltserhöhung nicht den Großteil für sich beanspruchen. Deshalb müssen spätestens 2013 Steuerentlastungen kommen."
Die Bundesbank rechnet zwar damit, dass das Defizit im laufenden Jahr unter zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts fallen könnte. Dennoch empfiehlt Weidmann Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), nicht vom Konsolidierungskurs abzuweichen: "Der Fehler, dass in guten Zeiten nicht genug Haushaltsdisziplin gewahrt wurde, darf nicht wiederholt werden."
Risiken der Griechenlandkrise
In Sachen Griechenlandkrise hat Weidmann Zweifel an der Umsetzbarkeit und Wirkung einer Beteiligung privater Gläubiger an den Kosten geäußert. An dem Grundgedanken sei nichts falsch, sagte Weidmann der Zeitung "Welt am Sonntag". "Im Gegenteil, es wäre sinnvoll, weil so die Gläubiger mit in die Verantwortung für ihre Anlageentscheidungen genommen werden, und es entlastet die Steuerzahler." Es gehe aber um die Umsetzung. "Eine erzwungene Laufzeitverlängerung birgt in der konkreten Situation mehr Risiken als Chancen." Vor allem störten die Folgen für die Notenbanken. "Ein vermutlich vergleichsweise kleiner Beitrag der Privaten würde mit Ansteckungsgefahren und einer höheren Risikoübernahme der Notenbanken erkauft. Dagegen wehren wir uns", sagte Weidmann.
Wie Finanzminister Wolfgang Schäuble plädierte am Wochenende auch Eurogruppen-Chef Jean-Claude Juncker erneut für eine Beteiligung privater Gläubiger. Im Gespräch ist, dass die Banken freiwillig einer Verlängerung der Laufzeit griechischer Anleihen zustimmen. Das Euro-Land bekäme so einen Zahlungsaufschub und wäre nicht gezwungen, sich an den Finanzmärkten um Geld zu bemühen.
Merkel gegen unkontrollierten Bankrott
Eine rein freiwillige Lösung würde er begrüßen, sagte Weidmann weiter. Die Gläubiger sollten ein Interesse an einer Stabilisierung haben und bereit sein, einen eigenen Beitrag zu leisten. "Allerdings sollten wir die Erwartungen auch deshalb nicht zu hoch setzen, da schon jetzt nicht mehr so viele Papiere von privaten Gläubigern außerhalb Griechenlands gehalten werden." Alles andere als eine rein freiwillige Lösung würde wohl als Kreditereignis gewertet. Dann würden die Anleihen durch die Rating-Agenturen als Ausfall bewertet. Damit könnten aber die Investoren das Vertrauen auch in andere angeschlagene Euro-Länder verlieren, und die Krise würde sich weiter ausbreiten, warnte der frühere Wirtschaftsberater von Bundeskanzlerin Angela Merkel.
Bei einem Kreditereignis handelt es sich um eine völlige oder teilweise Zahlungsunfähigkeit des Schuldners, bei der Kreditversicherungen (CDS) fällig werden. Viele Experten befürchten, dass dies eine Finanzkrise wie nach der Pleite der der US-Bank Lehman Brothers auslösen könnte.
Davor warnte auch die Kanzlerin. Weder dürfe Deutschland "einen unkontrollierten Bankrott eines Landes zulassen", noch etwas tun, was den Aufschwung weltweit insgesamt in Gefahr bringe, sagte Merkel in ihrer wöchentlichen Video-Botschaft. Der Bankrott von Lehman habe in Deutschland 2009 zu einem Wirtschaftseinbruch von fast fünf Prozent geführt. "So etwas muss unbedingt verhindert werden."
Insolvenz nicht ausgeschlossen
Bis 2014 muss Griechenland Staatsanleihen im Wert von 80 bis 90 Mrd. Euro an seine Geldgeber zurückzahlen. Rund ein Drittel stehen Banken, Fonds, Versicherungen und anderen privaten Geldgebern zu, der Rest öffentlichen Gläubigern wie der Europäischen Zentralbank (EZB).
Weidmann sagte, die Zahlungsfähigkeit Griechenlands hänge vor allem von der Haltung der Regierung und der Bevölkerung ab, die immer mehr gegen den verordneten Sparkurs rebelliert. Wenn das Euro-Land die strikte Auflagen, zu denen auch umfangreiche und rasche Privatisierungen gehören, nicht erfülle, entfalle die Basis für weitere Mittel aus dem Hilfsprogramm. "Griechenland hätte dann diese Entscheidung getroffen und müsste die sicherlich dramatischen wirtschaftlichen Konsequenzen eines Zahlungsausfalls tragen." Das sei zwar nicht sinnvoll und würde die Partnerländer in eine schwierige Situation bringen. "Der Euro wird aber auch in diesem Fall stabil bleiben."
Quelle: ntv.de, sla/dpa/rts