Alle zieht's nach Afrika China erwächst neue Konkurrenz
11.10.2012, 10:49 Uhr
Immer mehr aufstrebende Wirtschaftsstaaten wollen in China hoch hinaus.
(Foto: REUTERS)
Nicht nur China hat den wirtschaftlich aufstrebenden Schwarzen Kontinent im Visier: Brasilien und Indien wollen auch ein Stück vom Kuchen und verweisen auf "enge Bande". So hat etwa die Hälfte der 190 Millionen Brasilianer afrikanische Wurzeln und Indiens Nationalheld Gandhi fand einst in Südafrika Zuflucht. China gefällt das ganz und gar nicht.
China bekommt zu spüren, was es bedeutet, als Supermacht betrachtet zu werden: Selbst Verbündete und Freunde reiben sich gerne an dem scheinbar übermächtigen Partner und werben in der Welt damit, dass sie ganz anders seien als der beängstigende Gigant. In Afrika betonen Brasilien und Indien - beide mit China im Schwellenländer-Bündnis BRICS verbunden - immer wieder, dass ihre Interessen nicht nur auf Rohstoffausbeutung und Absatzmärkte zielen. "Wir wollen afrikanische Partner, wir wollen keine Hegemonie ... Wir wollen nicht als Imperialisten auftreten", beteuerte Brasiliens Ex-Präsident Luiz Inácio Lula da Silva 2010.
Indiens Premier Manhoman Singh beschwor vor einem Jahr in Addis Abeba eine "neue Ära in den afrikanisch-indischen Beziehungen". Er beteuerte den "afrikanischen Brüdern und Schwestern", dass Indien die Entwicklung afrikanischer Produktionsstätten vorantreiben und lokale Arbeiter engagieren wolle. Alle Anwesenden wussten, dass das indirekte Seitenhiebe auf China waren, das für seine Projekte Hunderttausende chinesischer Arbeiter nach Afrika gebracht hat.
Indien pirscht sich ran
Noch ist China mit einem Handelsvolumen von über 100 Mrd. Dollar (77,7 Mrd. Euro) im Jahr ökonomisch der Platzhirsch in Afrika, aber die BRICS-Konkurrenten holen auf. Indien ist inzwischen mit 33 Mrd. Dollar der zweitwichtigste Investor auf dem afrikanischen Kontinent. Indien konzentriert sich dabei vor allem auf Landwirtschaft und Telekommunikation. Der Handel zwischen Indien und Afrika stieg seit 2000 um das 20-fache von drei Milliarden US-Dollar auf 60 Mrd. Dollar (2011) - wobei Öl und andere Rohstoffe die zentrale Rolle spielen. Für 2015 wird ein Volumen von 90 Mrd. Dollar angepeilt.
Vor allem bei der Zusammenarbeit auf dem Bildungssektor möchte Indien ein deutliches Zeichen des Unterschieds zu China setzen: Neu Delhi will 100 Ausbildungsstätten mit den Schwerpunkten Landwirtschaft und Informationstechnologie errichten. Tausende afrikanischer Stipendiaten lernen in Indien, zudem wurden virtuelle Ausbildungsgänge für Afrikaner geschaffen. Afrikanische Experten sollen beim Bau von Straßen und Häfen sowie im Bergbau intensiv beteiligt werden.
Brasilien zieht nach
In Brasilien war es vor allem Präsident Lula da Silva, der den Fokus in seiner Amtszeit (2003-2010) auf Afrika legte und dafür sorgte, dass hier 19 neue Botschaften geöffnet wurden. Brasiliens Handelsvolumen mit Afrika betrug 2011 über 27 Mrd. Dollar. Der Eisenerz-Gigant Vale ist in neun afrikanischen Ländern aktiv, darunter in Liberia, Kongo, Sambia, Mosambik und Südafrika.
Vale-Präsident Murilo Ferreira kündigte vor einigen Monaten Investitionen von 7,7 Mrd. Dollar in Afrika an. Ölmulti Petrobras ist schon lange in Nigeria und in Angola aktiv, wo auch Brasiliens Baukonzern Odebrecht gute Geschäfte macht. Brasiliens Energieriese Eletrobras will in Mosambik ein Wasserkraftwerk bauen. Geschätzte Kosten inklusive Trassen: 5 Mrd. Dollar.
Die staatliche Entwicklungsbank BNDES sieht das Engagement der Firmen mit Wohlwollen und stellt Milliarden-Kredite zur Verfügung. "Afrika wird in den nächsten Jahren mindestens jeweils um 5 oder 5,5 Prozent wachsen. Brasilien muss sich Afrika annähern", gibt BNDES-Chef Luciano Coutinho die Marschrichtung vor.
Indien und Brasilien betonen gerne ihre historische und kulturelle Verbundenheit mit Afrika. In Brasilien haben immerhin etwa die Hälfte der über 190 Millionen Brasilianer afrikanische Wurzeln. Von Vorteil ist natürlich auch, dass in Angola, Mosambik und den Kapverdischen Inseln Portugiesisch gesprochen wird. «Brasilien ist dabei, die portugiesische Kolonialmacht zu beerben», schreibt der amerikanische Brasilien-Experte Nikolas Kozloff.
Indien verweist darauf, dass Nationalheld Mahatma Gandhi einst in Südafrika Zuflucht fand und Indien stets die anti-kolonialen Freiheitsbewegungen in Afrika unterstützte. Während es in vielen Ländern Afrikas - wie Sambia oder Angola - inzwischen massive anti-chinesische Vorbehalte in der Bevölkerung gibt, erfreuen sich Brasilianer und Inder eines positiven Ansehens. Das soll, so hoffen beide, auch ökonomisch Früchte tragen.
Quelle: ntv.de, dpa