Tauschgeschäft statt Rettungsring China reicht Europa die Hand
14.09.2011, 15:47 Uhr
Wen Jiabao streckt die Hand in Richtung Europa aus.
(Foto: AP)
China will den Europäern helfen. Regierungschef Wen Jiabao verspricht mehr Investitionen in EU-Ländern. Wie das konkret aussehen soll, bleibt völlig offen. Es ist ein gezieltes Vertrauenssignal - und ein Tauschgeschäft: Wen Jiabao stellt politische Bedingungen.
"China hat das ganze Geld." Robert Greenhill, Geschäftsführer des Weltwirtschaftsforums, wundert sich nicht, dass der chinesische Banker Ma Weihua in Dalian ein gefragter Mann ist. Der sonst medienscheue Präsident der "China Merchants Bank" war am Mittwoch zum Auftakt des "Sommer-Davos" in der nordostchinesischen Hafenstadt umlagert von Journalisten. Alle wollten wissen, was Chinas Finanzwelt davon hält, dass Regierungschef Wen Jiabao kurz zuvor im Plenum den Europäern mehr Investitionen versprochen hat, um eine Ausbreitung der Schuldenkrise in Europa zu verhindern.
Es klingt wie "Retter in der Not". Nur wie sollen verstärkte Investitionen nach Europa fließen? In Staatsanleihen oder in Unternehmen? Und überhaupt: "Glauben Sie, dass die Investitionen auch sicher sind?", fragt ausgerechnet ein Journalist aus Italien, das am Vortag großen Wirbel mit seinen Angaben ausgelöst hatte, Gespräche mit dem milliardenschweren chinesischen Staatsfonds (CIC) über Investitionen in italienische Unternehmen geführt zu haben.
Italienische Schuhe als Investition
Der Banker lächelt, gibt sich skeptisch. Es wäre zwar gut, die weltgrößten Devisenreserven Chinas in Höhe von 3,2 Billionen US-Dollar (2,3 Billionen Euro) breiter gestreut anzulegen. Doch bei Investitionen im Ausland oder einer größeren Internationalisierung chinesischer Unternehmen ist er wenig zuversichtlich. "Um diese Politik umzusetzen, muss noch viel getan werden." Chinesische Firmen oder auch Banken müssten auch ihr Management verbessern, um international überhaupt wettbewerbsfähig sein.
Der Chef der sechstgrößten Bank Chinas hat Premier Wen Jiabao ohnehin etwas anders verstanden: So sollten die Chinesen vor allem ihr eigenes Haus in Ordnung bringen, auch wenn sie hilfsbereit seien. "Unser Wachstum ist schon ein großer Beitrag zur Weltwirtschaft." China kaufe bereits italienische Schatzanleihen. Ma Weihua spricht von "aktiver Unterstützung", zählt dazu chinesische Touristen in Italien oder die guten Geschäfte, die italienische Firmen in China machten. "Sehr viele Chinesinnen lieben Kleidung und Schuhe aus Italien", weiß Ma Weihua.
Ähnlich vage war auch Wen Jiabao zuvor bei seiner Zusage vor den 1700 Teilnehmern des Weltwirtschaftsforums geblieben, den Europäern eine "helfende Hand auszustrecken". Der chinesische Staatsfonds hat seine Milliarden eigentlich alle angelegt. Und der Kauf von Anleihen europäischer Staaten ist Normalität und keineswegs uneigennützig. China sammelt durch seinen großen Handelsüberschuss mit Europa viele Milliarden an Euros an, die in Euro-Bonds investiert werden.
Absicht reicht dem Markt
In der allgemeinen Verunsicherung nehmen aber die Währungs- und Aktienmärkte die Käufe von Anleihen angeschlagener Staaten wie Griechenland, Portugal, Spanien oder Italien oder selbst nur solche Absichtserklärungen immer dankbar auf. Niemand weiß, wie viele Anleihen wirklich gekauft werden. Doch wird diese Alltäglichkeit gerne als besonderer Vertrauensbeweis gezielt überbewertet, um die Märkte wieder nach oben zu bewegen.
"Ich bin begeistert", jubelt auch prompt der Chef des britischen Versicherungsriesen Prudential, Tidjane Thiam, vor Journalisten in Dalian über die "wichtige Erklärung" des Premiers. "Ich bin begeistert." Aus seiner Sicht ist die globale Wirtschaftskrise nämlich "vor allem eine Vertrauenskrise." Die Unternehmen machten "mehr Gewinne als je zuvor", kann er die schlechte Stimmung gar nicht verstehen. Wegen der großen Verunsicherung brauche es eben solche Signale aus der Politik, gab sich Thiam demonstrativ "sehr beruhigt".
Vage Versprechungen, konkrete Bedingungen
China spielt mit und kann noch politisches Kapital aus der Wahrnehmung als "weißer Ritter" schlagen. So allgemein Wen Jiabao das Hilfeversprechen fasste, so konkret stellte er seine Bedingungen. Er setzt die Europäer unter Druck, China endlich als volle Marktwirtschaft anzuerkennen, was Schutz in Handelsstreitigkeiten gewährt. Ihm schwebt - in aller Freundschaft - eine Art "Termingeschäft" vor: So sollte es bis zum EU-China-Gipfel am 25. Oktober Ende in Tianjin einen "Durchbruch" geben. Von den USA forderte Wen Jiabao mehr Offenheit gegenüber Investitionen chinesischer Firmen und eine Aufhebung von Exportbeschränkungen.
"Die Weltwirtschaft erholt sich langsam, aber Instabilität und Unsicherheit wachsen", sagte Wen Jiabao. Er zeigte sich demonstrativ zuversichtlich, dass die Europäer und Amerikaner ihre Probleme bewältigen könnten. Alle Regierungen müssten aber "ihre Verantwortung erfüllen und ihr eigenes Haus in Ordnung bringen". Die großen Industrienationen sollten ihre Schulden in den Griff bekommen und Investitionen schützen. Sein Land sei bereit, "eine helfende Hand auszustrecken" und mehr in den europäischen Ländern und den USA zu investieren. "China kann sich nicht isoliert vom Rest der Welt entwickeln, und die Welt braucht auch China für seine Entwicklung."
Quelle: ntv.de, Andreas Landwehr, dpa