Neuer Chef, neue Modelle, "New Peugeot"? Chinesen bändigen französischen Löwen
19.02.2014, 13:20 Uhr
Rot umrahmt: Chinas zweitgrößter Autokonzern Dongfeng steigt beim französischen Autobauer Peugeot Citroen ein.
(Foto: picture alliance / dpa)
1896 gegründet, verliert Frankreichs größter Autokonzern Peugeot Citroen nun seine Unabhängigkeit. Dongfeng und der Staat steigen ein und sichern das Überleben von Europas Branchen-Vize. Ein neuer Chef kommt auch - und der krempelt um.
Der angeschlagene Autobauer PSA Peugeot Citroën verliert nach einem erneuten Milliardenverlust seine Unabhängigkeit und gibt dem Schulterschluss mit Dongfeng bekannt. Wie der größte französische Autobauer mitteilte, ist eine insgesamt drei Milliarden Euro schwere Kapitalspritze vorgesehen. In deren Rahmen investieren die französische Regierung und der zweitgrößte chinesische Autohersteller jeweils 800 Millionen Euro in PSA und erhalten dafür einen Anteil von je 14 Prozent. Den müssen sie zudem mehrere Jahre halten. Der Staatseinstieg sollte zudem verhindern, dass Dongfeng die Kontrolle über das französische Traditionsunternehmen und Europas zweitgrößten Autobauer erlangt.
Die Übernahme nach Unternehmensangaben Ende März besiegelt werden. Dann wird Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping zu einem Besuch in Paris erwartet.
"Akt der Verantwortung"
Der französische Industrieminister Arnaud Montebourg sprach von einer "patriotischen Entscheidung" zugunsten der französischen Wirtschaft und Industrie. Regierungschef Jean-Marc Ayrault nannte den Einstieg des Staates bei PSA einen "Akt der Verantwortung". Bereits Ende Oktober hatte PSA zugesichert, bis 2016 kein weiteres Werk in Frankreich zu schließen.
Weitere 14 Prozent verbleiben bei der Gründer-Familie Peugeot. Bisher hielten die Erben gut ein Viertel des Kapitals und - wegen Aktien mit doppeltem Stimmrecht - gut 38 Prozent der Stimmrechte. Thierry Peugeot ist zudem Vorsitzender des Aufsichtsrats, unter den 15 Mitgliedern des Gremiums sind noch drei andere Angehörige der Familie. Er wird seinen Posten nun wohl räumen müssen.
Erneuter Milliardenverlust
Für das vergangene Jahr gab Peugeot einen deutlich verringerten Nettoverlust bekannt. Er sank auf 2,32 Milliarden von rund 5 Milliarden Euro im Jahr zuvor. Damals hatten hohe Abschreibungen das Ergebnis belastetet. Im Kerngeschäft machte PSA nur noch 177 Millionen Euro Verlust, Analysten hatten mit etwa 250 Millionen gerechnet. Die Umsätze sanken 2013 um 2,4 Prozent auf gut 54 Milliarden Euro.
PSA steckt vor allem wegen der Absatzkrise in Europa in erheblichen Schwierigkeiten. Experten zufolge hatte sich der Konzern in der Vergangenheit zu stark auf die Geschäfte auf dem Heimatkontinent konzentriert. Es folgte ein rigoroses Sparprogramm mit einer Werksschließung und dem Abbau von 11.000 Arbeitsplätzen.
Neuer Chef sofort
Deutliches Zeichen des jetzt eingeläuteten Umbruchs soll die Ablösung des bisherigen Konzernchefs Philippe Varin werden. Bereits von diesem Donnerstag an wird nach PSA-Angaben der frühere Renault-Manager Carlos Tavares die Geschäfte des Konzerns führen. Er war zu Jahresbeginn in das PSA-Management eingestiegen.
Der künftige Chef kündigte auch an, die Zahl der Modelle zu reduzieren. Er wolle die Ausgaben für Forschung und Entwicklung bei PSA erhöhen, sagte er. Gleichzeitig kündigte er weiter an, stärker auf ausgefallenere Versionen zu setzen.
Weitere wichtige Veränderung ist der Kontrollverlust der Peugeot-Familie über das Unternehmen. Ihr Anteil verringert sich im Zuge der Kapitalerhöhung von aktuell 25 auf ebenfalls 14 Prozent. Die Finanztochter Banque PSA Finance soll mit dem spanischen Institut Santander Consumer Finance zusammengeschlossen werden. Sie hatte zuletzt Milliardengarantien des französischen Staates in Anspruch nehmen müssen.
Anleger honorieren
Von soliden Ergebnissen sprach ein Händler bei Peugeot. Der Umsatz liege 2013 etwas über der Konsensschätzung und der Verlust sei etwas geringer als erwartet. Vor allem aber der verbrannte Free-Cash-Flow von 426 Millionen Euro liege deutlich unter der Konsensschätzung von 1,35 Milliarden Euro.
Der Aktienkurs zog am Vormittag deutlich an und legte rund 6 Prozent zu. Im weiteren Handelsverlauf gab das Papier einige der Gewinne wieder ab und lag noch 1 Prozent fester. Peugeot sei wohl die am stärksten leer verkaufte europäische Automobilaktie, sagte ein Händler mit Verweis auf den starken Anstieg am Vormittag.
Ehrgeizige Pläne
Dongfeng ("Ostwind") wurde 1969 gegründet. Im vergangenen Jahr setzte das Unternehmen 3,53 Millionen Fahrzeuge ab. In China liegt der Marktanteil bei rund 16 Prozent.
Nach dem Einstieg bei PSA will Dongfeng seine Kooperation mit dem angeschlagenen französischer Hersteller ausbauen. Forschung und Entwicklung sollen erweitert und die Zusammenarbeit in dem gemeinsamen Joint Venture in China intensiviert werden. Beide wollen auch neue Exportmärkte ins Visier nehmen, so Dongfeng.
Beide Hersteller setzen sich als Ziel, bis 2020 jährlich insgesamt 1,5 Millionen Autos unter den Marken Dongfeng, Peugeot und Citroën zu produzieren. Sie wollen auch eine Exportfirma gründen, um Autos aus ihrem Joint Venture in China in der asiatisch-pazifischen Region und insbesondere in der südostasiatischen Asean-Region zu verkaufen.
Quelle: ntv.de, bad/rts/dpa/DJ