Japans Geschoss-Züge Concorde auf Schienen feiert Jubiläum
01.10.2014, 09:54 Uhr
Bis zu 400.000 Pendler täglich nutzen die Hochgeschwindigkeitszüge, die nun schon seit 50 Jahren auf Japans Schienen unterwegs sind.
(Foto: picture alliance / dpa)
Sie sind schnell, zuverlässig, beliebt: die Shinkansen. Japans Hochgeschwindigkeitszüge feiern Geburtstag. Vor 50 Jahren ging der erste Zug auf die Schiene. Seitdem sind über 10 Milliarden Menschen transportiert worden. Ein Ende der Erfolgsgeschichte ist nicht in Sicht.
Die Schnauze langgezogen und flach, der Rumpf schlank und lang mit Fenstern, deren Form an Flugzeuge erinnern, gleitet der Zug wie aus einem Science-Fiction-Film in den Bahnhof Tokio ein. Die faszinierende Aura, die Japans Hochgeschwindigkeitszüge Shinkansen mit Spitzengeschwindigkeiten von mehr als 300 Kilometern in der Stunde umgibt, vermag nicht nur bei Eisenbahnfreaks ein ähnliches Staunen hervorzurufen wie einst beim Überflug des Überschallflugzeuges Concorde.
Doch anders als die Concorde hat der Shinkansen, der am 1. Oktober 1964 die Ära der Hochgeschwindigkeitszüge einläutete, eine so gut wie makellose Sicherheitsbilanz vorzuweisen. Seit Inbetriebnahme vor 50 Jahren ist kein einziger Mensch bei einem Unfall im Shinkansen gestorben.
"Damals wurde Shinkansen-Fahrer zu einem absoluten Traumberuf", erzählt Atsushi Niwa. Der 63 Jahre alte Japaner steuerte die erste Generation der Hochgeschwindigkeitszüge. Er erinnere sich noch gut, wie ihn schon damals Kinder umringten und sich mit ihm fotografieren ließen, sagte Niwa der Wirtschaftszeitung "Nikkei". Die erste Strecke mit einer Länge von rund 515 Kilometern war an jenem 1. Oktober 1964 rechtzeitig zu den Olympischen Spielen in Tokio zwischen der Hauptstadt und Osaka eröffnet worden. Seither wurde das Streckennetz des Shinkansen, was auf Deutsch "Neue Hauptstrecke" bedeutet, immer mehr ausgebaut.
Der sicherste Hochgeschwindigkeitszug der Welt
Heute umfasst das Streckennetz nach Angaben der japanischen Außenhandelsorganisation Jetro eine Gesamtlänge von 2663 Kilometern. Mehr als 10 Milliarden Fahrgäste wurden in den vergangenen 50 Jahren darauf befördert. Die Japaner waren ihrer Zeit weit voraus. Der Erfolg des Shinkansen sollte später auf viele Staaten Europas ausstrahlen. Heute fahren zwar auch in anderen Ländern Hochgeschwindigkeitszüge, darunter der ICE in Deutschland. Dennoch haftet Japans "bullet trains" (Geschoss-Züge) mit ihrem futuristischen Design weiter eine Aura an, die sie von anderen unterscheidet. Der Shinkansen genießt dabei zugleich noch immer den Ruf, der sicherste Hochgeschwindigkeitszug überhaupt zu sein.

Langgezogene Schnauze, schlanker Rumpf: der Shinkansen sieht aus wie aus einem Science-Fiction-Film.
(Foto: picture alliance / dpa)
Entsprechend fassungslos waren die Japaner, als im Oktober 2004 nach einem Erdbeben ein Shinkansen zum ersten Mal aus der Spur sprang - obgleich auch dabei niemand zu Schaden gekommen war. Noch tagelang war der entgleiste Zug im staatlichen Fernsehen zu sehen, so sehr nagte der Vorfall am Stolz der gesamten Nation. Eine weitere Quelle des Stolzes ist die schon geradezu legendäre Pünktlichkeit der Shinkansen-Züge, die weltweit ihresgleichen sucht. Außer bei Naturkatastrophen wie Erdbeben oder Taifunen kommt es in Japan kaum zu Verspätungen. 2011 betrug die durchschnittliche Verspätung eines einzelnen Shinkansen ganze 36 Sekunden, wie die Tageszeitung "Sankei Shimbun" stolz festhielt.
Zu verdanken haben die Japaner dies neben der hervorragenden Technologie und der guten Wartung dem Umstand, dass das Hochgeschwindigkeitsnetz baulich vom Nah- und Güterverkehrsnetz getrennt und fast durchweg eingezäunt ist. Die Fahrt-, Ankunfts- und Durchfahrtszeiten werden in Einheiten von 15 Sekunden geplant. Der Zugfahrer muss die Distanz zur nächsten Station genau im Blick haben. Sobald sich eine Verspätung von mehr als einer Minute abzeichnet, wird die Einsatzzentrale alamriert. Gemeinsam mit dem Fahrer wird dann alles versucht, um die Verspätung einzuholen.
Beeindruckend ist dabei auch die Sauberkeit der Züge. Bereits Minuten vor der Ankunft stellen sich uniformierte Putzkolonnen in Reih und Glied auf dem Bahnsteig auf. Bei der Einfahrt des Shinkansen verneigen sie sich tief. Mit höchster Effizienz und Akribie sammeln sie sodann den Müll im Zug ein und drehen Sitzreihen wieder in Fahrtrichtung. Mit einem kleinen "Zauberbesen", der an den Spitzen über Sensoren verfüge, würden nasse Stellen an Sitzen per Tonsignal angezeigt, erklärte Yuji Maeda von der Firma "Shinkansen Maintainance Tokai" der "Nikkei". So könne das Putzpersonal das Sitzkissen blitzschnell austauschen.
Teststrecke mit Geschwindigkeiten von 500 Stundenkilometern
Vom Hauptbahnhof Tokio fahren Shinkansen heute alle paar Minuten ab, praktisch so häufig wie normale Pendlerbahnen. Allein zwischen Tokio und Osaka pendeln täglich rund 400.000 Fahrgäste im Shinkansen. Brauchte man vor 50 Jahren dafür noch vier Stunden, sind es heute gerade einmal zweieinhalb. Es ist denn auch die durchgängig hohe Reisegeschwindigkeit und weniger die Höchstgeschwindigkeit, die den Shinkansen auszeichnet.
Doch die Entwicklung geht weiter. Erst dieser Tage führte die Bahngesellschaft Central Japan Railway (JR Tokai) erfolgreich einen Test mit der neuen Magnetschwebebahn Maglev durch und erreichte dabei auf einer Teststrecke eine Höchstgeschwindigkeit von 500 Kilometern pro Stunde - deutlich schneller als der schnellste derzeit im Betrieb befindliche Shinkansen "Hayabusa" mit einer Höchstgeschwindigkeit von 320 Kilometern pro Stunde.
Quelle: ntv.de, Von Lars Nicolaysen, dpa