Spagat zwischen den Kontinenten Daimler zerlegt C-Klasse
02.12.2009, 08:34 UhrDer Autokonzern baut die Mercedes-C-Klasse künftig nicht mehr in Sindelfingen, sondern in Bremen und teilweise in den USA. Im Gegenzug wird von 2014 an die Mercedes-SL-Montage nach Sindelfingen verlagert. Die Betriebsräte der beiden deutschen Standorte kritisieren die Entscheidung des Managements scharf.

Bremen hat sich immerhin 60 Prozent der C-Klasse-Produktion gesichert.
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Konzernangaben zufolge wird Daimler künftig 60 Prozent der C-Klasse in Bremen produzieren, 20 Prozent in den USA und jeweils zehn Prozent in seinen Werken in China und Südafrika. Bereits heute wird die Mercedes C-Klasse in weltweit vier Werken von Daimler gebaut: in Sindelfingen nahe Stuttgart, in Bremen sowie in China und Südafrika. Neu ist demnach, dass Sindelfingen künftig leer ausgeht und die für den US-Markt bestimmten C-Klasse-Umfänge künftig im Werk Tuscaloosa im US-Bundesstaat Alabama produziert werden.
Durch die Verlagerung von Teilen der Produktion der C-Klasse in die USA will Daimler vor allem Kostenvorteile nutzen, denn der starke Euro macht derzeit Exporte in die USA teuer. Bei der C-Klasse-Limousine macht sich das besonders bemerkbar, weil sie meistverkaufte Modell in den USA ist.
Der vom Betriebsrat befürchtete Abbau von 3000 Stellen in Sindelfingen ist mit der Entscheidung zunächst vom Tisch. Nach Daimler-Angaben sind im bisher größten Produktionswerk aber 1800 Stellen von der Verlagerung betroffen. Den Mitarbeitern sollen jedoch "attraktive Beschäftigungsmöglichkeiten angeboten" werden, wie ein Daimler-Sprecher sagte. Die Beschäftigung für die Mitarbeiter in Bremen sei langfristig gesichert.
Betriebsrat kündigt Widerstand an

Tausende Daimler-Beschäftigte hatten gegen eine Produktionsverlagerung ins Ausland demonstriert.
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Der Arbeitnehmervertreter sind mit dem Ergebnis erwartungsgemäß nicht zufrieden und kündigen an, die geplante Neuorganisation der Pkw-Produktion nicht tatenlos hinnehmen zu wollen. "Wir haben die Entscheidung mit Entsetzen aufgenommen", sagte eine Sprecherin des Konzernbetriebsrats in Stuttgart. "Unsere schlimmsten Befürchtungen haben sich erfüllt."
Gesamtbetriebsratschef Erich Klemm nannte die Entscheidung des Managements "falsch und in ihrer Wirkung fatal". Er forderte die Daimler-Spitze auf, ein tragfähiges Konzept zur Sicherung der Jobs vorzulegen. "Der Vorstand steht in der Verantwortung für die Sindelfinger Belegschaft. Dieser muss er sich jetzt stellen, statt als Job-Killer aufzutreten." Trotz der vom Konzern angekündigten Maßnahmen zur Erhalt von Arbeitsplätzen seien in Sindelfingen nun 3000 Arbeitsplätze gefährdet. Am Vortag waren noch über 20.000 Daimler-Beschäftigte für den Erhalt der C-Klassen-Produktion und ihrer Jobs auf die Straße gegangen.
"Standort D ist das Herz"
Daimler-Chef Dieter Zetsche betonte: "Der Standort Deutschland ist und bleibt das Herz unseres Produktionsverbunds." Der Bau von Fahrzeugen in Tuscalooosa für den amerikanischen Markt ermögliche dort weiteres Wachstum in Zeiten eines starken Euro. Die zentrale Fertigung von Kompaktfahrzeugen der Marke Mercedes-Benz soll wie bisher im Werk Rastatt (Baden) bleiben.
Der stellvertretende Betriebsratschef bei Daimler in Bremen, Jürgen, Corrs sagte, die Entscheidung gebe im Moment dem Bremer Werk "Luft zum Atmen". Doch wer wisse schon, ob der Markt 2014 die C-Klasse auch in dem Umfang abfrage. Zudem schmerze die Bremer natürlich, dass sie die Mercedes-SL-Montage verlieren.
Aus Protest gegen die Standort-Entscheidungen des Vorstands will der Betriebsrat Arbeitsschichten am Samstag streichen und kurzfristig Abteilungsversammlungen abhalten. Dadurch kommt es in der Regel zu Produktionsausfällen. Die Gewerkschaft IG Metall hatte im Vorfeld der Entscheidung vor einem "Flächenbrand" in der Region gewarnt, falls Daimler die Produktion der Mercedes-Benz C-Klasse in Sindelfingen bei Stuttgart einstelle.
Duddenhöffer: Richtiger Schritt
Nach Ansicht des Autoexperten Ferdinand Dudenhöffer ist die teilweise Verlagerung der Produktion der Mercedes C-Klasse in die USA der richtige Schritt. "Daimler steht bei weitem nicht so gut da, wie man glaubt, wenn man an den Stern denkt", sagte der Professor von der Universität Duisburg-Essen. "Daimler kämpft mit Ertragsproblemen und kann sich daher keine Kosten-Ineffizienzen erlauben." Die größten Konkurrenten Audi und BMW hätten sich sehr stark im Premiummarkt positioniert.
Seit Jahren baue Daimler in den USA die M- und R-Klasse und auch die Konkurrenten produzierten im Ausland. "Dies bedeutet keinerlei Beeinträchtigung der Marke", sagte Dudenhöffer. "Der Kunde kauft mit seinem Mercedes nicht ein Stück Deutschland, sondern ein Stück Mercedes.
Quelle: ntv.de, ddi/dpa/rts/AFP