Wer bietet mehr? Das Geschacher um Opel
21.07.2009, 14:45 Uhr
Die Angebote liegen auf dem Tisch.
(Foto: AP)
Beim Bieterwettkampf um Opel liegen die Angebote auf dem Tisch: Der Finanzinvestor RHJ, der kanadisch-österreichische Autozulieferer Magna und die chinesische BAIC haben ihre Konzepte abgegeben. Zuvor wurden noch Betriebsräte umworben, dem Opel-Mutterkonzern General Motors günstige Konditionen geboten und der Bundesregierung Versprechungen gemacht.
Sah es lange Zeit danach aus, als ob Magna sicher das Rennen machen würde, hat sich zuletzt RHJ die Favoritenrolle erkämpft. Der chinesische Autobauer BAIC soll dagegen zurückgefallen sein. Die Zeit drängte, denn bis Ende Juli will GM die Entscheidung fällen. Obwohl die Konzepte der drei Interessenten eigentlich geheim sein sollten, sickerten bereits vor der Angebotsabgabe Details an die Öffentlichkeit durch. n-tv.de schaut sich die Angebote und die Für- und Wider-Argumente an.
RHJ – der Finanzinvestor
Gerüchten zufolge sollen die Gespräche von RHJ und GM bereits seit längerem weit fortgeschritten sein: "In wesentlichen Punkten" hätten sich die beiden Parteien bereits geeinigt. Nun gilt es noch Berlin zu überzeugen. Zu diesem Zweck ist RHJ auch bereit, sein Angebot noch mal nachzubessern. Auch die Arbeitnehmerseite muss RHJ noch für sich gewinnen, denn hier ist man alles andere als wohl gesonnen: "RHJ ist ein Finanzinvestor, der Opel so schnell wie möglich wieder an GM verkaufen wird und im Interesse von GM handelt", glaubt etwa Opel-Betriebsratschef Klaus Franz.
Der Investor weist Spekulationen um einen schnellen Verkauf zurück. "Wir sind eine börsennotierte Industrieholding und denken in langen Zeiträumen. Das trifft auch bei Opel zu", sagte der RHJ-Chef Leonhard Fischer. "Es gibt keinerlei Verpflichtung, dass RHJ zu irgendeinem Zeitpunkt seinen Anteil an Opel an General Motors wieder verkauft." Solange die staatlichen Hilfen nicht vollständig zurückgezahlt seien, sei ein Ausstieg oder Weiterverkauf der Opel-Anteile ohnehin ausgeschlossen.
Das Konzept: RHJ will Opel sanieren und später verkaufen - etwa über die Börse oder möglicherweise zurück an GM. Geplant ist der Erwerb von 50,1 Prozent an Opel. 39,9 Prozent soll GM behalten, zehn Prozent die Belegschaft. Der Investor will 275 Mio. Euro an Eigenkapital mitbringen und fordert 3,8 Mrd. Euro an staatlichen Garantien. Die Kosten sollen massiv gesenkt werden. Firmenchef Fischer beziffert das jährliche Einsparvolumen auf 800 Mio. Euro. Erreicht werden soll diese Summe unter anderem durch Zugeständnisse der Belegschaft beim Gehalt.
Arbeitsplätze: Im Falle einer Übernahme will RHJ 9.900 Stellen in den europäischen Opel-Werken streichen, davon 3.900 in Deutschland. Alle deutschen Werke sollen erhalten bleiben, allerdings soll Eisenach bis Anfang 2012 vorübergehend stillgelegt werden. Dies lehnt unter anderem die Landesregierung von Thüringen ab.
Pro/Contra: Für GM ist RHJ Branchenexperten zufolge die interessanteste Wahl. Denn bei dem Finanzinvestor hätte der US-Autobauer die Aussicht auf einen späteren Rückkauf von Opel. Damit würde GM den Zugriff auf Opel und somit auf die Entwicklung von neuen spritsparenden Technologien behalten.
Für Opel selbst kann RHJ wenig tun. Der Finanzinvestor hat bisher keinen anderen Autobauer unter seinen Fittichen, mit dem Opel Synergieeffekte erzielen könnte.
Beim Opel-Betriebsrat stößt RHJ zudem auf wenig Gegenliebe. Opel-Betriebsratschef Klaus Franz bezweifelt die Stichhaltigkeit des zuletzt nachgebesserten Angebots. Im ersten Konzept sollten die Werke Antwerpen und Bochum geschlossen und Eisenach verkauft werden, zudem wurden 4,8 Mrd. Euro Staatsgarantien verlangt, so Franz. Jetzt gehe es plötzlich nur noch um Garantien von 3,8 Mrd. Euro und kein Werk solle geschlossen werden.
Magna – die österreichisch-kanadisch-russische Mischung
Lange sah Magna wie der sichere Sieger im Bieterwettstreit um die Übernahme des Autobauers Opel aus. Denn der kanadisch-österreichische Zulieferer hatte als einziger mit GM eine Absichtserklärung unterzeichnet. Dann besserte die Konkurrenz jedoch ihre Angebote noch mal kräftig nach und war plötzlich wieder im Rennen. Doch bei Magna scheint der Kampfgeist ungebrochen, die Vorbereitungen auf den Vertragsabschluss sollen auf Hochtouren laufen. Und die Chancen stehen nicht so schlecht, denn schließlich machen sich die vier Bundesländer mit Opel-Standorten und der Opel-Betriebsrat für Magna stark.
Das Konzept: Magna will gemeinsam mit der staatlichen russischen Sberbank bei Opel einsteigen. Zudem ist als Kooperationspartner der russische Hersteller GAZ im Gespräch. Die GAZ-Gruppe erhofft sich eine dringend benötigte Strukturhilfe, im Gegenzug soll Opel das Vertriebsnetz der Russen nutzen. "New Opel" soll sich in Russland die Vertriebsrechte der US-Konzern-Marke Chevrolet mit GM teilen und die Produktion möglicherweise übernehmen. Nach letzten Korrekturen strebt Magna nun 27,5 Prozent an Opel an, die Sberbank ebenfalls 27,5 Prozent. 10 Prozent soll die Belegschaft übernehmen, 35 Prozent soll GM behalten. Magna plant Staatsgarantien von 4,5 Mrd. Euro ein und damit deutlich mehr als die Mitbewerber. Gemeinsam mit der Sberbank will Magna 500 Mio. Eigenkapital einbringen.
Arbeitsplätze: Magna will in den europäischen Opel-Werken 11.600 Stellen abbauen. Die vier deutschen Werke sollen erhalten bleiben, die Zahl der Mitarbeiter in Duetschland aber von 26.000 um 2.500 verringert werden.
Pro/Contra: Gewerkschaftsvertreter kritisieren die harten Forderungen Magnas an die Opel-Arbeitnehmer. So verlangt der Zulieferer neben dem Arbeitsplatzabbau eine Leiharbeiterquote von bis zu 30 Prozent in den Werken und den Verzicht auf Urlaubsgeld. Dennoch befürwortet die Arbeitnehmerseite den Einstieg von Magna. Besonders die Zusage, dass die Mitarbeiter eine Beteiligung am neuen Unternehmen erhalten sollen, kommt gut an.
Auch die Bundesländer machen sich für Magna stark. Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) stellte gar den Beitrag des Landes von 474 Mio. Euro zur Brückenfinanzierung für Opel von 1,5 Mrd. Euro in Frage, sollte jemand anders den Zuschlag erhalten. Ob und inwieweit ein anderer Investor Staatsgeld bekomme, müsse in jedem Fall neu überprüft werden, so Koch.
BAIC – der Türoffner zu China
Mit dem chinesischen Hersteller würde Opel einen Zugang zum Wachstumsmarkt China erhalten. Gleichzeitig befürchten Bundesregierung und Opel-Betriebsrat den Ausverkauf der deutschen Opel-Technologien. Und GM selbst würde sich eine Konkurrenz für den riesigen chinesischen Markt ins Haus holen.
Das Konzept: BAIC strebt 51 Prozent an Opel an, GM soll 49 Prozent behalten. BAIC fordert staatliche Garantien in Höhe von 2,64 Mrd. Euro und will damit die geringsten Beihilfen. Mit 660 Mio. Euro bringt BAIC zudem das meiste Eigenkapital mit.
Arbeitsplätze: Im Falle einer Übernahme wollen die Chinesen 7.584 Stellen in Europa streichen, davon rund 3.000 in Deutschland. Die vier deutschen Werke sollen zwar fortbestehen. Allerdings wollen die Chinesen das Werk in Eisenach zwei Jahre lang stilllegen und die Belegschaft bis 2012 über Kurzarbeit im Unternehmen halten.
Pro/Contra: Branchenkenner zweifeln daran, dass der kleine Autobauer, der im Jahr 2008 12.000 Fahrzeuge produziert hat, genügend Kompetenz für die westliche Automobilindustrie hat. Die Chinesen haben zudem selbst betont, vor allem an der deutschen Technologie interessiert zu sein. Damit schürten sie die Angst vor einem Know-How-Abfluss.
Aufgrund der niedrigen Forderungen nach Staatsgarantien würde der Einstieg von BAIC für deutsche Steuerzahler am billigsten werden.
Quelle: ntv.de, sla/rts/dpa/AFP