Wirtschaft

"Der einzige in der Tech-Liga" Das hat Tesla anderen Autobauern voraus

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Große Bühnenshow in SHanghai: Telsa-Chef Elon Musk persönlich übergibt den ersten Kunden ihre in China gebauten E-Autos.

(Foto: imago images/Xinhua)

Tesla hat diese Woche kurzzeitig VW als zweitwertvollster Autobauer an der Börse abgelöst. Droht nun der Absturz? Autoexperte Dudenhöffer und Investor Thelen sehen die Zukunft der E-Autoschmiede optimistisch. Tesla hätte demnach sogar das Zeug, Toyota vom Autothron zu stürzen.

Der US-Elektroautobauer Tesla spaltet die Expertengemüter wie kaum ein anderes Unternehmen. Trotz aller Kritik kannte die Aktie aber zuletzt kein Halten. Seit Oktober hat sich der Kurs annähernd verdoppelt. Vergangene Woche knackte Tesla sogar die magische 100-Milliarden-Dollar-Marke, womit die Papiere der Kalifornier an der Börse erstmals mehr wert waren als die des größten Autobauers der Welt Volkswagen.

Tesla Motors (USD)
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Die mitunter bereits totgeweihte E-Autoschmiede hat in den vergangenen Monaten den Turbo gezündet. Nur noch Toyota mit einem Börsenwert von 200 Milliarden Dollar ist in der Auto-Liga noch mehr wert. Würde die Rally auf dem gleichen Niveau im gleichen Tempo weitergehen, könnte Tesla mit einem weiteren Kursverdoppler in wenigen Monaten - theoretisch zumindest - auch die Japaner vom Thron stoßen. Ist das möglich oder naht nun doch das von Kritikern viel häufig prophezeite böse Erwachen? Seit Mittwoch hat der Kurs immerhin wieder etwas nachgegeben.

"100 Milliarden ist schon eine starke Hausnummer", sagt Branchenexperte Frank Schwope von der Nord LB. Mit Blick auf die Schwierigkeiten, die Tesla zum Beispiel in der Produktion großer Stückzahlen für den Auto-Massenmarkt habe, sei der zwischenzeitliche Börsenwert "doch wohl etwas überzogen". Diese Aktie habe "die Tradition, sich selbst vorauszueilen und dann in tiefen Pessimismus abzutauchen", zitiert das Portal Finanzen.net Gina Sanchez von der Investment-Consulting-Firma Chantico Global.

VW Vorzüge
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Eine 100-Milliarden-Dollar-Bewertung für eine Firma, die im vergangenen Jahr nur 367.500 Autos produziert hat und über weite Strecken unprofitabel war, ist auf jeden Fall bemerkenswert. Volkswagen produzierte in der gleichen Zeit immerhin fast elf Millionen Fahrzeuge. Und weist trotz hoher Strafzahlungen in der Diesel-Affäre und teurer Investitionen in die Elektromobilität Gewinne aus. Doch schließt aber nicht aus, dass es berechtigte Gründe für die Börsenbewertung gibt.

"Wir müssen auf die Tech-Unternehmen schauen"

"Natürlich sind 100 Milliarden Dollar Marktkapitalisierung sehr hoch", sagt Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer ntv.de. Allerdings nur im Vergleich mit anderen Autobauern. Tesla sei mehr als das: Die Elektroautoschmiede von Elon Musk "spielt nicht in der Liga der Autobauer, sondern der Tech-, Software-, Digital-Unternehmen", sagt der Leiter des Center Automotive Research (CAR) an der Universität Duisburg-Essen.

Tesla habe "die besten Elektroantriebe und eine äußerst hohe Innovationsdynamik", führt Dudenhöffer weiter aus. "Schauen wir doch mal auf die Tech-Unternehmen: Die SAP hat eine Börsenkapitalisierung von 155 Milliarden Dollar. Alphabet hat 850 Milliarden, das ist noch einmal eine andere Liga. Aber es zeigt die Richtung." Möglicherweise seien auch die Aktien der traditionellen Autobauer wegen der großen Transformation weg vom Verbrenner hin zur E-Mobilität unterbewertet, gibt der Autoexperte zu bedenken.

Für Tesla spreche, dass der Konzern keine teuren Alt-Probleme wie Dieselgate oder Rückrufe à la Takata mit sich rumschleppe, hebt Dudenhöffer hervor. Mit seinem China-Werk habe der Konzern auch "einen ganz dicken Fuß im wichtigsten Markt der Welt". Die Kalifornier hätten hierfür die richtigen Produkte. "Da ist viel Zukunft drin, und die Börse bewertet Zukunft und nicht pure Größe oder Marktanteile von gestern."

Und noch aus einem anderen Grund hat Musk seiner Ansicht nach die Nase vorn: "Tesla ist eine Premiummarke mit enorm hoher Bekanntheit und Sympathie", stellt der Autoexperte fest. "Tesla-Fahrer sind 100 Prozent loyal und sehr stolz auf die Innovationen der Fahrzeuge."

Eins gutes Beispiel hierfür ist der Startup-Investor Frank Thelen, der die Entwicklung von Tesla über die Jahre begeistert verfolgt hat. Dass Tesla an der Börse an Volkswagen vorbeigezogen sei, sei "ein trauriger Tag für Deutschland", schreibt der Gründer in einem Gastkommentar für das "Handelsblatt".

Konkurrenzlos bei Daten, Vermarkting und Ladeninfrastruktur

Für ihn kommt die Aufholjagd aber alles andere als überraschend. Tesla erntet lediglich die Lorbeeren für das, was der Konzern jahrelang investiert habe, ist Thelen überzeugt. Die deutschen Autobauer hätten unterschätzt, wie technologische Innovationen und Produkte Märkte verändern könnten. Tesla habe als einziger Konzern "Mut und Weitsicht" bewiesen.

Auch Thelen hebt hervor, dass der Konzern "in erster Linie eine Softwarefirma" ist. Kein Autobauer könne dem Konzern hier das Wasser reichen. "Tesla ist der deutschen Autoindustrie in Sachen E-Mobilität meilenweit voraus." Nur die Kalifornier hätten die Fahrdaten, die für die Industrie notwendig seien, um das autonome Fahren möglich zu machen. Sie werteten ständig Fahrdaten aus. "Neuerdings fahren drei Fahrer: wir, die aktuelle Softwaregeneration - und die nächste", erklärt Thelen.  Dadurch entstehe "der mit Abstand sicherste Fahrer der Welt". Die Unternehmensberatung McKinsey schätzt das Umsatzpotenzial dieser Daten auf jährlich 750 Milliarden Dollar.

Tesla macht nicht nur vieles besser, sondern auch erfrischend anders als traditionelle Autobauer: Tesla-Fans, zu denen sich der Investor selbst zählt, sind das perfekte Marketinginstrument aus seiner Sicht, - vor allem weil es das Unternehmen praktisch nichts kostet: "Musk hat vermutlich die größte Marketingabteilung der Welt - denn sie umfasst beinahe den kompletten Kundenstamm", so Thelen. Während jeder andere Autohersteller jährlich mehrere Millionen in das Marketingbudget stecke, um potenzielle Kunden von seinen Autos zu überzeugen, baue Musk einfach überzeugende Autos. Ob Cybertruck oder E-Roadster - was anders ist oder anders aussieht, sorgt für Gesprächsstoff und für Schlagzeilen. Da kann auch mal zu Bruch gehen, so wie bei der Präsentation des Cybertruck. Das Vertrauen der Tesla-Jünger scheint einfach unerschütterlich.

Und aus noch einem Grund ist Tesla für Thelen konkurrenzlos: Mit seinem weltweiten Supercharger-Netzwerk sind die Kalifornier die einzigen, die eine Lösung für das Problem flächendeckende Ladeinfrastruktur anbiete. Musk gehe Risiken ein, auch "wenn das kurzfristig zu hohen Verlusten führt - was viele Anleger nervös macht". Hinzu komme, dass die "agile und schlanke Produktion" die "beste und effektivste der Welt" sei, schreibt Thelen weiter. Niemand außer Elon Musk könne Fabriken innerhalb nur eines Jahres hochziehen - so wie in China geschehen oder im brandenburgischen Grünheide geplant

Diess: "Tesla ist für uns Ansporn und Antreiber"

Konkurrent Volkswagen macht sich keine Illusionen, wer die Nase vorn hat. VW-Chef Herbert Diess hat Musk mehrfach schon Respekt gezollt. Auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos sagte er: "Wir glauben, dass Tesla eine sehr wichtige Rolle im Wandel (der Autoindustrie) spielt." Tesla sei "ein Wegbereiter". Auf die Frage nach den viel diskutierten Überlebenschancen der Kalifornier sagte er der "Welt": "Ich hoffe, dass Tesla überlebt, weil es für uns Ansporn und Antreiber ist."

Den steigenden Börsenwert von Tesla kommentierte er mit den Worten: Die Zeit klassischer Automobilhersteller sei vorbei. "Das Auto wird das wichtigste 'Mobile Device'. Wenn wir das sehen, dann verstehen wir auch, warum Tesla aus Sicht der Analysten so wertvoll ist." Deshalb müsse Volkswagen zu einem "digitalen Tech-Konzern" umgebaut werden. "Der Sturm geht jetzt erst los. Sind wir schon gut genug vorbereitet auf das, was da kommt?", forderte er seine Führungskräfte Mitte Januar heraus.

Die Experten Dudenhöffer und Thelen prophezeien Tesla auch weiterhin eine große Zukunft: "Tesla wird in zehn Jahren deutlich mehr als zwei Millionen Neuwagen verkaufen und 2030 auf Augenhöhe mit BMW und Mercedes spielen", prognostiziert Dudenhöffer. Was die Kursentwicklung angeht, lehnt sich Investor Thelen sogar weit aus dem Fenster hinaus. Die Marktkapitalisierung werde sich "schon sehr bald verdoppeln", ist er überzeugt. Volkswagen und BMW würden gleichzeitig in der Bedeutungslosigkeit verschwinden. Die Kursverdoppelung wäre der Angriff auf den Thron, den Toyota derzeit noch innehat.

VW-Chef Diess gibt das Rennen allerdings noch nicht verloren. Auf die Frage, ob Volkswagen eher die technologische Führerschaft von Tesla erreichen könne oder Tesla eher die Produktionsexzellenz von VW, macht Diess eine ganz klare Ansage: "Wir werden gewinnen."

Quelle: ntv.de

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