Wirtschaft

Die Busch-Trommel Der Charme der Langsamkeit

Die Aktienbörse ist mehr als nur ein Abenteuerspielplatz für clevere Schnäppchenjäger, sagt Börsenkommentator Friedhelm Busch. Sie ist auch der Ort, an dem sich nötiges Eigenkapital für arbeitsplatzschaffende Investitionen besorgt wird.

Friedhelm Busch

Friedhelm Busch

Es mag ja sein, dass vor allem für jüngere Börsenspieler die Schnelligkeit der Entscheidung die entscheidende Voraussetzung für den Erfolg ist. Wer so denkt und auch danach handelt, wird nur wenig Verständnis aufbringen für ältere, eher bedächtige Anleger, die gerade in diesen Tagen hoher Volatilität ständig Gefahr laufen, vor lauter Nachdenken und Abwägen den besten Zeitpunkt für den Einstieg in den Aktienmarkt zu verpassen.

Wäre aber die Börse tatsächlich nur ein kurzweiliges Ereignis, das neben Spannung und Spaß auch noch zählbaren Gewinn im Handumdrehen verspricht, wie vor gar nicht so langer Zeit der Veitstanz am Neuen Markt, dann könnte man in der Tat auf langfristiges Planen ebenso verzichten wie auf die gründliche Analyse unternehmerischer Daten oder gesellschaftsrelevanter Abläufe. Für das derzeitige hektische Rauf und Runter bei Aktien, Anleihen, Zertifikaten und Devisen reichten dann allemal simple Wasserstandsmeldungen über Kurse und Charts.

Die Aktienbörse aber ist mehr als nur ein Abenteuerspielplatz für clevere Schnäppchenjäger, munitioniert durch schrille Tippdienste mit täglichem Verfallsdatum. Zumindest sollte sie es sein. Sie ist auch der Ort, an dem sich Unternehmer das nötige Eigenkapital besorgen für arbeitsplatzschaffende Investitionen, als Sicherheitspuffer in stürmischen Zeiten. Sie bietet Möglichkeiten an für den langfristigen Aufbau einer privaten Altersvorsorge. Sie ist nicht zuletzt der Marktplatz, auf dem die Bürger die Eintrittskarte erwerben können zur aktiven Teilhabe an der Wirtschaft. Über die Aktie hat der Aktionär Zugang zur jährlichen Hauptversammlung "seines" Unternehmens, wird er interessiert für das wirtschaftliche und gesellschaftspolitische Umfeld des Betriebes, an dem er beteiligt ist. Dass dafür in der Vergangenheit nicht ausreichend geworben worden ist, dass viele Berater und Informationsdienste allein die maximale Rendite als Zielgröße im Aktienhandel propagiert haben, das rächt sich nun.

Aktie als Demokratisierungsschlüssel

Jetzt beklagt sich die Politik über die Verdrossenheit der Bürger, leidet die Wirtschaft unter deren Desinteresse und Unwissenheit wenn es um ökonomische Abläufe geht. In vielen Auseinandersetzungen unseres Alltags rühren machtorientierte Ideologen mit erschreckendem Erfolg die Trommel, weil die Masse von zu Grunde liegenden Themen nur wenig Ahnung hat und darum schnell geneigt ist, alles zu glauben. Schon aus dieser Sicht wäre es sinnvoll, die Aktie als Schlüssel zu mehr Wissen breiter Bevölkerungsschichten und damit zu einer stärkeren Demokratisierung der Wirtschaft wieder zu entdecken. Ein möglicher Kursgewinn ist natürlich wichtig, aber er ist doch nicht alles!

Angesichts der gegenwärtigen Achterbahnfahrten an den Aktienmärkten mag das naiv oder gar lächerlich klingen, geht es doch heute vorrangig nur um das schnelle Geld. Aber daraus könnte sich auf lange Sicht der Grabgesang der deutschen Aktienkultur entwickeln, mit bösen Folgen für die allgemeine Wirtschaft unseres Landes. Wer nämlich genau hinschaut, der erkennt in Deutschland seit dem Einbruch des Neuen Marktes vor knapp 10 Jahren eine schleichende Veränderung im Anlegerverhalten.

Keine kurzfristigen Renditejagden

Die börsentäglich zu beobachtende Abhängigkeit des DAX von der US-Börse, diese plötzlichen, unerklärlichen Kursveränderungen schon bei den geringsten Schwankungen am amerikanischen Markt, die widersprüchlichen, zum Teil auch unsinnigen Begründungen für Trendwechsel , alles das sind zusätzliche Erklärungen für die wachsende Abkehr der Deutschen von der Aktienanlage. Nicht nur die Enttäuschung über geschwundene Kursgewinne. Vertrauen ist seit jeher ein hohes Gut, auch - oder gerade- an der Börse. Wenn dieses Vertrauen erst einmal geschwunden ist, wie nach dem Platzen der High-Tech-Blase vor 10 Jahren, dann kann man es nur ganz langsam, Schritt für Schritt, zurückgewinnen.

Das ist jedoch kein Grund zur Resignation! In Sten Nadolnys Roman" Die Entdeckung der Langsamkeit" erscheint die Bedächtigkeit des Protagonisten anfänglich als Behinderung; aber durch überlegtes, nachdenkliches Handeln erwächst allmählich aus dieser Behinderung sein Erfolg. Vielleicht ein Hinweis an Kreditinstitute, Vermögensberater und Medien, wie hier zu Lande die verschüttete Aktienkultur wieder belebt werden könnte: Nicht auf kurzfristige Renditejagden setzen, sondern auf langfristige Perspektiven der Wirtschaft, die ja schließlich den Kursen zugrunde liegt. Mehr Hintergrundwissen vermitteln über vorhersehbare weltweite Entwicklungszyklen beispielsweise im Bereich Ernährung oder Energieerzeugung, in der Bevölkerungsstruktur, in der medizinischen Versorgung alter Menschen oder bei Sozial- und Sicherheitsdiensten.

Auf zahlreichen Gebieten winken wirtschaftliche Erfolge, die sich in steigenden Aktienkursen niederschlagen können. Doch um sie zu finden, braucht es halt mehr als nur eine flüchtige Nanosekunde auf dem Großrechner. Man sollte die Hoffnung nicht aufgeben: Vielleicht entdecken ja auch die heutigen fixen Börsenspieler diesen Charme der Langsamkeit. Eines fernen Tages, im fortgeschrittenen Alter.

Quelle: ntv.de

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