Nichts ist unnmöglich im Netz Der Kunde ist König
02.10.2009, 13:25 UhrVon der Schokolade über Müsli bis zum Hundefutter: Im Internet hat der Kunde inzwischen die Möglichkeit, viele Produkte nach individuellen Vorlieben zusammenzustellen. Die maßgeschneiderte Ware für die Masse kommt gut an, fast wöchentlich geht ein neues Projekt an den Start.
Die Qual der Wahl: Welche Zutaten dürfen's denn sein?
(Foto: picture-alliance/ dpa)
Eine Tafel Zartbitterschokolade mit Papaya-Würfeln, Schnittlauchröllchen und Bio-Salzbrezeln gefällig? Im Internet ist das kein Problem. Das Berliner Startup-Unternehmen Chocri bietet in seinem Online-Shop über 16 Milliarden verschiedene Schokoladentafeln an - bei gerade einmal 18 Mitarbeitern und ohne gigantische Lagerhallen. Dahinter steckt ein Konzept, das nur auf den ersten Blick widersprüchlich erscheint: Der Handel im Internet - Maßgeschneiderte Ware für die Masse.
"Der Kunde erhält ein genau auf seine Bedürfnisse zugeschnittenes Produkt, das effizient hergestellt und preisgünstig angeboten wird", erklärt der Professor für Technologie- und Innovationsmanagement an der RWTH Aachen, Frank Piller, das Konzept der personalisierten Massenproduktion oder "Mass Customization", wie es im Fachjargon heißt. Der Hersteller produziert auf Bestellung genau das, was der Kunde will, und spart sich die Lagerhaltung. Der Käufer ist dafür bereit, mehr Geld auf den Tisch zu legen.
Zutaten frei wählbar
Die eigene Wunschtafel in der Produktion.
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Statt selbst Schokoladen-Kompositionen zu entwickeln, überlässt Chocri die Auswahl der Zutaten seinen Kunden. Drei Schokosorten lassen sich mit zahlreichen Früchten, Gewürzen, Nüssen und anderen Zutaten mit wenigen Klicks zur eigenen Wunschtafel mixen, die von den Mitarbeitern per Hand hergestellt wird. Dafür liegt der Durchschnittspreis pro 100 Gramm mit 4,50 Euro deutlich über Supermarktpreisen. Ende des Jahres will das Startup die Umsatzmillion knacken. Das überrascht selbst den 23-jährigen Chocri-Mitgründer Franz Duge: "Dass es so groß wird, hätte ich nicht gedacht."
Duge ist nicht der erste Jungunternehmer, der tausendfach "personalisierte" Produkte an den Mann bringt. Schon 2001 ging in Leipzig die Firma Spreadshirt an den Start, deren Kunden online ihre T-Shirts gestalten und ihre Designs sogar weiterverkaufen können. Mit Parfüm, Müsli, USB-Sticks, Fotoalben oder Tapeten versuchten es andere Firmengründer - und große Konzerne mischen ebenfalls mit.
Teddybär im Wunschoutfit
Karl Lagerfeld als Teddybär.
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Als einer der ersten bot Nike Turnschuhe im Kunden-Design an. Vom Konkurrenten Adidas heißt es: "Individuelle Produkte und Services gewinnen zunehmend an Bedeutung." So hat Adidas personalisierbare Trikots und Turnschuhe im Programm. Steiff überlässt Kunden die Teddybär-Gestaltung, und bei der Post kann der Internetbenutzer Briefumschläge designen. Andere Firmen wie der Computerhersteller Dell oder Autohersteller bieten längst die Möglichkeit, Produkte bis ins Detail anzupassen.
"Fast jeder große Konsumgüterhersteller in den USA hat heute irgendein Mass Customization Angebot", sagt Frank Piller. "Aber bis auf wenige Ausnahmen handelt es sich dabei um Pilotprojekte." Das neue Geschäftsmodell stelle einen Umbruch für Firmen dar, die Massenproduktion und Einzelhandelsvertrieb gewohnt seien. Auch deshalb seien viele deutsche Firmen bisher zurückhaltend. Müsli-Marktführer Dr. Oetker sieht den kleinen Online-Konkurrenten Mymuesli zwar "als innovativen Nischenanbieter im Internet". Da man aber den Einzelhandel fokussiere, "ist kein vergleichbares Angebot im Internet geplant", heißt es von Dr. Oetker.
Individuelles Hundefutter
Schon am 30. April ging Mymuesli online.
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Der Trend bringt auch skurrile Geschäftsideen hervor: Hundebesitzer können bei Freischnauze-Online individuelles Futter für ihre Vierbeiner zusammenstellen. Der "Basis-Mix Strauß" lässt sich zum Beispiel mit Dinkelflocken, Ananas und Tomaten verfeiern. Der Online-Shop Coripa wirbt damit, für jeden Mann das passende Kondom im Programm zu haben. Und auf Gluecksgeschenk.de sind Hufeisen in zahlreichen Farben erhältlich, die sich individuell gravieren lassen.
"Derzeit merkt man noch, dass es für viele Kunden ein Erlebnis ist, alle möglichen Produkte überhaupt selbst zu gestalten", sagt Experte Piller. "Nachhaltig werden aber nur Angebote sein, die drei Kriterien erfüllen: Sie müssen genau die gewünschte Passform, Funktionalität und Ästhetik liefern. Sonst kauft keiner ein zweites Mal."
Erste Startups sind zwar schon vom Markt verschwunden. Trotzdem geht der Mass Customization-Boom weiter. "Jede Woche geht ein großes Projekt an den Start", sagt der Betreiber der Fachwebseite Egoo.de, Heiko Vogelgesang. Auch für das Berliner Unternehmen Chocri sieht die Zukunft gut aus. In wenigen Monaten will das Startup auch in den USA seine Schokolade anbieten. Ein Problem des neuen Geschäftsmodells bleibt dennoch ungelöst: Was, wenn die eigene Schokoladenkreation nicht schmeckt?
Quelle: ntv.de, rts