Wirtschaft

Vom "Keltischen Tiger" zum Bettvorleger und zurück? Der "irische Weg" aus der Krise

Schafft es Irland zurück zum Wachstums-Musterknaben der Eurozone - zum "keltischen Krieger"?

Schafft es Irland zurück zum Wachstums-Musterknaben der Eurozone - zum "keltischen Krieger"?

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Irland ist das Mutterland der Euro-Schuldenkrise. Auf der grünen Insel beginnt sie und führt weiter nach Portugal und Griechenland. Während sich die Griechen mit Protesten und Krawallen gegen die Sparpläne ihrer Regierung stellen, sind die Iren genügsam. Sie murren nur im Pub - und sparen weiter. Ein übertragbares Erfolgsmodell?

Seit den 1990er Jahren lebt Irland den "amerikanischen Traum" in Europa: Eine beispiellose Niedrigsteuerpolitik lockt Investoren aus dem Ausland an. Vor allem aus den USA kommen sie, schaffen im einzigen rein englisch-sprachigen Euroland hochwertige Arbeitsplätze. Die Wirtschaft auf der grünen Insel boomt, der Wohlstand wächst auf breiter Front, der "keltische Tiger" wird geboren und zeigt den restlichen Eurostaaten seine Krallen.

Mit der Finanzkrise ändert sich das schlagartig. Irlands Banken stehen am Abgrund, brauchen staatliche Hilfen, die das klamme Land nicht allein stemmen kann. Der Schuldenberg wächst auf 160 Mrd. Euro und Irland steht vor der Pleite. Aus dem einstigen "keltischen Tiger" ist innerhalb kürzester Zeit ein trauriger Bettvorleger geworden.

Sparen oder Pleite

"Irland ist stark genug, Irland kann seine Probleme selber lösen", betet damals Irlands Ministerpräsident Brian Cowen zwar noch vor. Allen mantraartig vorgetragenen Beteuerungen zum Trotz: Im November 2010 sind die Iren dann die ersten, die unter den Euro-Rettungsschirm EFSF schlüpfen. 85 Mrd. Euro machen die Europäische Union und der Internationale Währungsfonds für den einstigen Wirtschafts-Musterknaben locker - gebunden an harte Sparvorgaben.

Unmut ja, aber verhalten: Irlands Bevölkerung leidet unter Sparmaßnahmen.

Unmut ja, aber verhalten: Irlands Bevölkerung leidet unter Sparmaßnahmen.

(Foto: picture alliance / dpa)

Und Irland spart: Die Staatsausgaben sinken deutlich und liegen heute mehr als 20 Mrd. Euro unter jenen aus dem Jahr 2008. Ausbaden müssen diese von außen verordnete Sparwut die Bürger: Kürzungen gibt es etwa bei Bildung und in der Gesundheitsversorgung. Die Löhne im öffentlichen Sektor - betroffen davon sind auch Krankenschwestern - sinken beispielsweise  um rund 20 Prozent.

Im Gegenzug versucht die Regierung mehr Einnahmen zu generieren und setzt dabei überwiegend auf höhere Steuern. So soll die Mehrwertsteuer im kommenden Jahr um 2 Punkte auf dann 23 Prozent steigen. Auch Kraftstoff- und Kraftfahrzeugsteuern sollen angehoben werden. Neue Abgaben wird es beispielsweise für Grundbesitz und Finanzmarktinvestitionen geben.

Ziel sind allein 2012 noch einmal Einsparungen im Haushalt von 3,8 Mrd. Euro: 2,2 Mrd. Euro entfallen auf Einschnitte bei den Staatsausgaben - darunter 700 Mio. Euro in den Bereichen Bildung, Gesundheit und Soziales -, 1 Mrd. Euro auf den öffentlichen Dienst.

Lebenszeichen der Wirtschaft

"Die Aufgabe dieser Regierung ist es, die Kontrolle über Irlands Haushalts- und Wirtschaftspolitik wiederzugewinnen, die Wirtschaft wieder wachsen zu lassen und die Leute wieder zu Arbeit zu bringen", sagt Finanzminister Michael Noonan. Und die Maßnahmen scheinen zu wirken: Das Bruttoinlandsprodukt klettert wieder leicht, nachdem es seit dem 1. Quartal 2008 geschrumpft war. 2012 soll es 1,3 Prozent betragen. Das liegt zwar weit hinter den Tages des "keltischen Tigers" mit 7 Prozent und mehr zurück, stellt aber andere Krisenstaaten wie Griechenland locker in den Schatten. Das Dubliner Wirtschaftsforschungsinstitut rechnet allerdings mit "unter 1 Prozent".

Dennoch: Die Wirtschaft zeigt sich gefestigt. Die Exporte klettern - sie lagen in den ersten neun Monaten 2011 mehr als 5 Prozent über den Vorjahresvergleichswerten. Damit das so bleibt, sollen neu gegründete Unternehmen noch bis 2014 Steuererleichterungen bekommen. Anreize soll es auch weiterhin für die internationale Finanzdienstleistungsindustrie geben.

Finanzmärkte sind zufrieden

An den Märkten tragen die Bemühungen Irlands Früchte: Die Zinsen, die das Land an den internationalen Märkten aufbringen muss, sind von über 14 auf unter 9 Prozent gesunken. Das Defizit geht ebenso zurück, auf rund 10 Prozent im diesem Jahr nach mehr als 30 Prozent 2010. Bis 2015 hat sich Irlands Regierung unter Premier Enda Kenny auf die Fahnen geschrieben, die Defizitgrenze von 3 Prozent zu erreichen.

Wenn die Rezession zuschlägt, könnte Irlands leichte Erholungstendenz wieder abgewürgt werden: statt "keltischer Tiger" heißt es dann Bettvorleger.

Wenn die Rezession zuschlägt, könnte Irlands leichte Erholungstendenz wieder abgewürgt werden: statt "keltischer Tiger" heißt es dann Bettvorleger.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Alles gut also? Nicht wirklich. Ob Irlands Wirtschaft auch künftig wachsen wird, ist höchst unklar. Zwar gehen Regierung und Wirtschaftsforscher davon aus, bei einer sich andeutenden Rezession der Weltwirtschaft dürfte ein anvisiertes BIP-Plus von 1,3 Prozent aber nur schwer zu erreichen sein. Da das Land zudem auf Unternehmen aus dem Ausland angewiesen ist, die in einem schwierigen Wirtschaftsumfeld dann wegbleiben, würde die derzeit schon hohe Arbeitslosenquote von etwa 14 Prozent noch weiter steigen - zum Vergleich: In den Boomjahren 2000 bis 2007 lag sie bei rund 5 Prozent.

Ruhe bewahren

Dem Otto-Normal-Iren könnte es dann 2012 doppelt hart treffen: keine Arbeit, Sozialkürzungen und steigende Mehrwertsteuer. Das birgt einigen gesellschaftspolitischen Sprengstoff.

Auch wenn Irland von den führenden politischen Köpfen der Eurozone gern als Musterbeispiel zur Krisenbewältigung angeführt wird: Das Land ist bei weitem noch nicht über den Berg - und noch sehr weit davon entfernt, wieder zum "keltischen Tiger" zu werden.

Quelle: ntv.de

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