Wirtschaft

Mega-Chance oder blinde Euphorie? Der neue Hype um Online-Aktien

Fulminant und ohne Selbstzweifel: Fassaden-Marketing an der Wall Street: Die Börse hat schon ganz andere Aktien kommen und wieder gehen gesehen.

Fulminant und ohne Selbstzweifel: Fassaden-Marketing an der Wall Street: Die Börse hat schon ganz andere Aktien kommen und wieder gehen gesehen.

(Foto: REUTERS)

Die Begeisterung um die neuen Internetaktien weckt unter erfahrenen Börsianern unangenehme Gefühle: Viele fühlen sich an die wilden Zeiten der Dotcom-Ära erinnert. Die Erwartungen waren hoch, die Geschäftsmodelle visionär, die Erträge ungewiss. Wiederholt sich die Geschichte?

Die Parallelen drängen sich geradezu auf: Sollte sich die Masse der Anleger tatsächlich irren?

Die Parallelen drängen sich geradezu auf: Sollte sich die Masse der Anleger tatsächlich irren?

(Foto: REUTERS)

Viele Internetfirmen, die Ende der 90er Jahre die Fantasie der Anleger beflügelten, ruhen mittlerweile auf dem Friedhof der New Economy. Das Start-Up Pets.com etwa, das Haustierzubehör über das Netz vertrieb, mit einem Börsengang mehr als 80 Mio. Dollar einnahm und neun Monate später pleite war. Wie im Rausch stiegen Investoren damals in Unternehmen ein, deren Namen nach digitaler Revolution klangen, ohne dass die Geschäftsmodelle den übertriebenen Gewinnerwartungen Stand halten konnten. Heute üben soziale Online-Netzwerke einen ähnlichen Reiz auf die Finanzmärkte aus. Experten warnen bereits vor einer neuen Spekulationsblase im Web 2.0.

In der vergangenen Woche legte die Karriereseite Linkedin einen fulminanten Start an der Wall Street hin. Die Papiere schossen am ersten Handelstag um fast 110 Prozent in die Höhe und pendelten sich in den Folgetagen bei etwa dem Doppelten des Ausgabekurses von 45 Dollar ein. Der Beratungsfirma Renaissance Capital zufolge gelang Linkedin damit die erfolgreichste Neuemission seit dem Börsengang des Internet-Giganten Google 2004. Das Unternehmen mit Sitz in Kalifornien war auf einen Schlag mehr Wert als die Lufthansa.

Linkedin verführt zum Einstieg

Der Online-Dienst für die berufliche Kontaktpflege ist das erste große soziale Netzwerk, das den Sprung an die Börse wagte. Folgen könnten der Kurznachrichtendienst Twitter, das Schnäppchenportal Groupon und natürlich Facebook, die Königin der sozialen Netzwerke. Über Jahre erhielten die Firmen frisches Geld von Wagniskapitalgebern, die sich von den Börsengängen für ihre Anteile nun eine saftige Rendite versprechen.

Und die Anleger haben offenbar großen Appetit auf die neuen Stars der IT-Branche. "Linkedin war ihre erste Chance. Und es scheint, dass sie jeder nutzen wollte", sagt Bill Buhr von der Beratungsfirma Morningstar. Dabei habe Linkedin auch stellvertretend von den Erwartungen der Börsianer an Twitter und Facebook profitiert, die bislang noch nicht auf den Aktienmärkten präsent sind. Dennoch hütet sich Buhr vorerst, von einer Blase zu sprechen. "Wir müssen noch sehen, was die anderen Unternehmen machen und wie es mit Linkedin weitergeht."

Andere Finanzmarkt-Experten fühlen sich dagegen an die Festtagsstimmung des Dotcom-Booms erinnert, die nach der Jahrtausendwende mit einem Kater an den Aktienmärkten endete. Sogar die Deutschen, deren bevorzugte Anlageform traditionell eher das Sparbuch denn der Investmentfonds ist, schienen damals zu einem Volk der Spekulanten zu werden. Neben den Fußballergebnissen wurden am Stammtisch plötzlich auch die Kurse von Telekom und Infineon diskutiert. Der für IT-Werte gegründete Neue Markt erreichte im März 2000 seinen Höchststand - danach wurden dort umgerechnet mehr als 200 Mrd. Euro Kapital vernichtet.

Technologie-Analyst Arun George von Altium Securities warnt vor Anleger vor einem Einstieg in Aktien sozialer Netzwerke. "Ich denke, sie werden massiv überbewertet sein", sagte er dem TV-Sender CNBC. Doch vor allem Facebook hat es den Investoren angetan, nicht zuletzt seit das Finanzinstitut Goldman Sachs zu Jahresbeginn 450 Mio. Dollar in das Unternehmen steckte. Einige Experten bewerten Facebook, das Google als meistbesuchte Website in den USA verdrängte und nach eigenen Angaben weltweit mehr als 600 Millionen Nutzer hat, bereits mit 70 Mrd. Dollar.

Das Lehrgeld eines Rupert Murdoch

Richard Holway von der Beratungsfirma Techmarketview hält es nicht für ausgeschlossen, dass Facebook die hohen Erwartungen erfüllen kann. "Wie bei der Dotcom-Blase wird es eine kleine Zahl von Firmen geben, die es schaffen", erklärt er. "Aber für jeden Erfolg wird es 99 oder 999 Fehlschläge geben."

Als negatives Beispiel gilt in der Branche Myspace, einst die Avantgarde der sozialen Netzwerke. Medienmogul Rupert Murdoch erwarb die Seite vor sechs Jahren für 580 Mio. Dollar. Jetzt steht Myspace wieder zum Verkauf. Murdochs Mediengruppe News Corporation rechnet dem "Wall Street Journal" zufolge mit kaum mehr als 100 Mio. Dollar - für ein Online-Netzwerk, dem Mitglieder in Scharen davonlaufen.

Quelle: ntv.de, AFP

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