Wirtschaft

Chinas Bond-Spezialitäten Deutsche entdecken Dim Sum

"Dim Sum": Kleine Teigtaschen ...

"Dim Sum": Kleine Teigtaschen ...

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Chinas Bondmarkt wird für deutsche Konzerne immer interessanter. Als erste Firmen wagen sich VW und Bosch/Siemens auf den Markt in Hongkong. Das Wachstum ist enorm - trotz der - typisch Kommunismus - langwierigen Genehmigungsprozesse. Auch die Vorteile können sich sehen lassen.

Die chinesische Küche ist längst in Deutschland angekommen. Doch eine kulinarische Spezialität ist hierzulande noch wenig verbreitet: "Dim Sum" - kleine Teigtaschen-Snacks aus der Region um die Metropole Hongkong. Investmentbanker und Anwälte hoffen, dass sich das bald ändert.

Dabei haben sie aber weniger die Speisekarten von China-Restaurants im Blick, sondern vielmehr ein neues reizvolles Geschäftsfeld. Denn Dim Sum (wörtlich übersetzt: "kleine Herzwärmer") heißen auch die Anleihen in chinesischer Währung Renminbi, die außerhalb der Volksrepublik etwa in der Sonderverwaltungszone Hongkong begeben werden. Und diese werden für deutsche und andere westliche Konzerne immer attraktiver, um ohne Wechselkursrisiken Investitionen in China zu finanzieren.

Wie so oft in dem kommunistischen Staat müssen aber langwierige Genehmigungsprozesse in Kauf genommen werden. Zudem treibt die Euro-Schuldenkrise auch in China die von den Firmen zu zahlenden Bond-Zinsen nach oben.

Kreditqualität entscheidend

Als erste deutsche Firmen haben sich im vergangen Jahr Volkswagen und das Gemeinschaftsunternehmen Bosch Siemens Hausgeräte auf den Markt in Hongkong gewagt. VW nahm dabei umgerechnet rund 170 Mio. Euro ein, der Hausgerätehersteller 230 Mio. Euro. Für beide Konzerne spielt China als Absatzmarkt eine wichtige Rolle.

Weitere Firmen stehen Bankern zufolge in den Startlöchern: "Wir verspüren ein reges Interesse deutscher Unternehmen über alle Industrien und Größenordnungen hinweg - vom Dax-Konzern bis zum Familienunternehmen ohne bisherigen Kapitalmarktauftritt", sagt Ingo Nolden, der als Investmentbanker von HSBC viele Anleihe-Emissionen begleitet. Ein bekannter Marken- oder Firmenname helfe bei der Vermarktung der Bonds genauso wie eine Bonitätsbewertung von Ratingagenturen. "Entscheidend ist aber letztlich zu wesentlichen Teilen die Kreditqualität des Unternehmens", betont Nolden.

Die Firmen wollen mit den Anleihe-Einnahmen indes nicht immer nur Investitionen in China finanzieren. "Einige Unternehmen brauchen keine Renminbi, sie suchen eher den Einstieg in den asiatischen Bondmarkt und den Zugang zu neuen Investorenschichten."

Panda-Bonds

Die in Hongkong oder Singapur eingeworbenen Gelder können die Firmen in die Volksrepublik transferrieren, sobald sie grünes Licht von den Behörden bekommen. Rechtsberater empfehlen, sich immer vorher die endgültige Genehmigung einzuholen, um am Ende kein blaues Wunder zu erleben. "Da kann eine Stelle schon einmal ihr OK geben, aber eine andere Behörde sagt in letzter Minute dann doch nein", beschreibt ein Jurist die Hürden der chinesischen Bürokratie. Es ist immer eine Einzelfallprüfung. China will so eine ungeregelte Geldschwemme ins Land und damit eine massive Aufwertung der eigenen Währung verhindern.

In jüngster Zeit bemerkt Michael Becker, Rechtsanwalt der Kanzlei Allen & Overy, gewisse Aufweichungen der strengen Vorgaben. "Die Behörden öffnen den Markt in Tippelschritten. Kurzfristig ist keine volle Liberalisierung zu erwarten", sagt auch Bernhard Esser, Schwellenländer-Experte bei HSBC. So wurde bislang keinem ausländischen Unternehmen die Emission einer Anleihe direkt in der Volksrepublik gestattet - im Fachjargon Panda-Bonds genannt.

Bondvolumen verdreifacht

Noch steckt der erst 2007 aus der Taufe gehobene Dim-Sum-Markt mit einem Volumen von umgerechnet rund 20 Mrd. bis 22 Mrd. Euro in den Kinderschuhen. In Europa beispielsweise werden sieben Mal mehr Unternehmensbonds pro Jahr begeben. Doch das Dim-Sum-Bondvolumen hat sich im vergangenen Jahr bereits verdreifacht. Angesichts des anhaltenden Wirtschaftsbooms in China und der tiefen Taschen dortiger Investoren erwarten Experten weiteres rasantes Wachstum - HSBC etwa prognostiziert eine Verdopplung bis Ende 2012.

Dabei spielt eine wichtige Rolle, dass Banken als alternative Geldgeber wegen der Finanz- und Schuldenkrise nicht mehr so bereitwillig zur Verfügung stehen. "Nischenmärkte gewinnen in diesem Umfeld ganz klar an Bedeutung", sagt Christoph Seibel, der für die Schweizer UBS Firmen bei Anleihe-Emissionen berät.

Schnäppchenjäger fehl am Platz

Nach einer Umfrage von Allen & Overy unter mehr als 1000 Unternehmensmanagern weltweit wollen ein Viertel in den nächsten fünf Jahren Dim-Sum-Bonds auflegen. Das steigende Angebot führt dazu, dass die Emittenten tiefer in die Tasche greifen müssen, um Investoren zu überzeugen. Bereits in den letzten Monaten 2011 ist es für Unternehmen deutlich teurer geworden, sich in Hongkong Renminbi zu beschaffen. Im Schnitt liegen die Renditen mittlerweile bei vier Prozent und in einigen Fällen sogar über dem Niveau von US-Anleihen. "Schnäppchenjäger sind in Hongkong mittlerweile fehl am Platz", fasst es ein Banker zusammen.

HSBC-Banker Nolden rechnet nicht zuletzt wegen der Euro-Schuldenkrise mit einem weiteren Anstieg der Zinsen. Die Krise verunsichere Investoren weltweit. "Wenn es für europäische Firmen in Europa schwieriger wird, sich frische Mittel zu besorgen, ist das auch in China der Fall", betont er. Am einfachsten hätten es da internationale Unternehmen, die ein Großteil ihrer Umsätze im Ausland erwirtschaften und weniger abhängig von einer Region sind. Deren Anleihe-Menü dürfte damit wohl bald um die "kleinen Herzwärmer" erweitert werden.

Quelle: ntv.de, Philipp Halstrick, rts

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