Wirtschaft

Eine Wirtschaftsmacht erwacht Deutsche entdecken Indien

Im Schatten Chinas wandelt sich Indien mit zunehmender Geschwindigkeit zum Zukunftsmarkt - auch für deutsche Unternehmen. Trotz Wirtschaftskrise wächst die indische Wirtschaft jüngsten Statistiken zufolge nahezu ungebremst. Vor allem das produzierende Gewerbe boomt, die Mittelschicht wächst.

Haus, Auto, Sonnenbrille: Der Aufschwung weckt nicht nur im indischen Mittelstand neue Wohlstandsgelüste.

Haus, Auto, Sonnenbrille: Der Aufschwung weckt nicht nur im indischen Mittelstand neue Wohlstandsgelüste.

(Foto: REUTERS)

Der Boom der indischen Wirtschaft hält an: Die Regierung in Neu Delhi rechnet für das Ende März ablaufende Finanzjahr 2009/2010 mit einem Wirtschaftswachstum von 7,2 Prozent. Das Wachstum werde vor allem vom produzierenden Gewerbe angetrieben, teilte die staatliche Statistikbehörde CSO mit. Im Beobachtungszeitraum sei hier mit einer Wachstumsrate von 8,9 Prozent zu rechnen.

Im Finanzjahr 2008/2009 war dieser Wirtschaftszweig um 3,2 Prozent gewachsen. Das indische Wirtschaftswachstum lag im selben Zeitraum insgesamt bei 6,7 Prozent. Der Dienstleistungssektor legt nach der CSO-Rechnung im laufenden Finanzjahr um 9,9 Prozent zu - etwas schwächer als 2008/2009 mit einem Wachstum von 10,1 Prozent. Im Agrarsektor verlangsamt sich das Wachstum den Angaben zufolge von 1,6 Prozent im Vorjahr auf 1,4 Prozent.

Neugierig beäugt die Bevölkerung die Folgen des Wachstums.

Neugierig beäugt die Bevölkerung die Folgen des Wachstums.

(Foto: REUTERS)

Die staatliche Zentralbank hatte für das laufende Finanzjahr mit einem Wachstum von 7,5 Prozent gerechnet. Investoren reagierten am Montag enttäuscht. Der Leitindex Sensex an der Börse in Mumbai (früher Bombay) gab bis zum Mittag um 1,8 Prozent auf 15.650 Punkte nach.

Die Wachstumsschätzungen werden jedes Jahr vor den Haushaltsdebatten im Parlament veröffentlicht. Die Regierung von Premierminister Manmohan Singh will den Haushalt 2010/2011 am 26. Februar ins Parlament in Neu Delhi einbringen.

Indien zählt neben Brasilien, China und Russland zur Gruppe der aufstrebenden Schwellenländer. Vergangene Woche hatte Bundespräsident Horst Köhler im Rahmen eines Staatsbesuchs auf die Bedeutung des Landes als neue Wirtschaftsmacht und Handelspartner hingewiesen. Die deutsche Wirtschaft hat Indien in den vergangenen Jahren offensichtlich eher vernachlässigt - zugunsten Chinas mit seinen Riesenmärkten.

Köhler lobt das Riesenreich

Köhler sagte, er wolle nicht davon sprechen, dass die deutsche Wirtschaft etwas verschlafen habe. Doch sie merke jetzt, dass sich hier "große Chancen" böten. Köhlers Staatsbesuch in Indien nutzte der deutsche Siemens-Konzern als Hintergrund, um in Neu Delhi seine Indien-Strategie vorzustellen. Bis 2012 will der Konzern seine Investitionen auf 250 Mio. Euro verdoppeln.

Bundespräsident Köhler spricht in Indien.

Bundespräsident Köhler spricht in Indien.

(Foto: picture alliance / dpa)

Siemens ist vor allem am Ausbau der Infrastruktur für das Milliarden-Volk interessiert, vor allem an der Energieversorgung und dabei auch an der grünen Technologie. Deutlich wurde zudem, dass der Konzern seinen Einsatz auf dem Land ausdehnen will. Dabei wurde klar, dass es hier vor allem um einfache, auch für Analphabeten beherrschbare Technologien geht.

Offensichtlich sieht Siemens in diesem Markt jenseits der großen Metropolen gute Chancen. Das Unternehmen dürfte damit neben den üblichen Großprojekten auch die aufstrebende, junge und dynamische Mittelschicht Indiens im Blick haben - ähnlich wie zum Beispiel Volkswagen. Im Rahmen seiner Indienreise besuchte Köhler auch die neue Produktionsanlage des VW-Konzerns in Pune.

Volkswagen lässt in Indien bauen

Nicht ohne Stolz betonten die VW-Oberen, dass die Anlage, die vergangenes Jahr die Produktion aufnahm, insgesamt 580 Mio. Euro verschlungen hatte. Soviel habe bisher kein anderes deutsches Unternehmen in Indien investiert. Allerdings es das Werk in Pune nicht der erste Anlauf, den VW in der indischen Autobranche genommen hat.

Vor zehn Jahren brachten die Wolfsburger Audi, Skoda und VW auf den indischen Markt. Die Modelle waren für den indischen Geldbeutel damals noch viel zu teuer. Die Einfuhr lohnte sich nicht und die Produktionsverlagerung nach Indien genau so wenig. Erst 2007 fing VW an, sich über Größe und Ausstattung von Wagen der indischen Mittelschicht ernsthaft Gedanken zu machen.

VW spart beim Polo-Bau in Indien - will aber nicht verraten, an welcher Stelle.

VW spart beim Polo-Bau in Indien - will aber nicht verraten, an welcher Stelle.

(Foto: REUTERS)

Mittlerweile produziert VW einen Polo und einen Skoda Fabia vollständig in Indien. Allerdings in einer indischen Variante, die zwar die gleichen Sicherheitsstandards habe, hieß es im Konzern, aber zu deutlich geringen Kosten als in Europa produziert werden könne. Genaue Angaben macht VW zu den Kostenvorteilen nicht. Und mit dem Preis für den indischen Polo will das Unternehmen erst im März rausrücken.

Autos, Waschmaschinen, TV-Geräte

VW macht angesichts der wachsenden Mittelschicht in Indien folgende Rechnung auf: Bis 2014 steigt die jährliche Produktion von derzeit 1,4 Mio. Fahrzeugen auf 2,0 Mio. Einheiten. Von diesem Kuchen wollen sie sich acht bis zehn Prozent abschneiden. Andere Spekulationen gehen davon aus, dass die Zahl der Autos in Indien bis 2020 von derzeit 40 Mio. auf 200 Mio. Einheiten steigt. Doch solche Prognosen sind zweifelhaft. Noch leben in dem Land mehrere hundert Millionen Analphabeten. Insgesamt 900 Millionen Menschen müssen mit weniger als 2,50 US-Dollar am Tag auskommen.

Köhler, der durchaus Genugtuung über die VW-Präsenz in Indien zeigte, versetzte der Zuversicht der Autobauer aber auch einen kleinen Dämpfer. Er mahnte bei einer Diskussion in dem VW-Werk von der indischen Politik ein klimafreundliches Verkehrskonzept für das Land an, das nicht nur auf das Auto, sondern auch auf öffentliche Verkehrsmittel setzt. "Folgen Sie nicht nur den Autobauern", gab er seinen indischen Gesprächspartnern mit auf den Weg. Sollte die Rechnung von VW in Indien nicht aufgehen, wäre von dort aus aber auch ein Export in andere asiatische Länder möglich.

Quelle: ntv.de, mmo/dpa

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