Wer will nochmal, wer hat noch nicht Die offene Zukunft der Commerzbank
16.07.2013, 17:44 Uhr
Im Sommerloch wird der Coba-Staatsanteil zum öffentlich diskutierten Thema.
(Foto: REUTERS)
Mehr als 18 Mrd. Euro investiert Deutschland 2008 in die Rettung der Commerzbank. Um sich mit Gewinn wieder zu verabschieden, wäre ein Kurs der Coba-Aktie von 26 Euro nötig - eine Vervierfachung zum heutigen Niveau also. Dennoch wird über den Ausstieg des Staates debattiert. Nur wer soll dafür rein?
Das Sommerloch und die Bundestagswahl beflügeln die Fantasie von Politikern und Experten: Was soll aus der Commerzbank werden? Über die Frage, ob Vorstandschef Martin Blessing noch eine Zukunft hat, wird schon seit Wochen hinter vorgehaltener Hand debattiert. Nun werden erneut die Banken durchdekliniert, die die Commerzbank übernehmen oder zumindest dem Staat seine auf 17 Prozent geschmolzene Beteiligung abnehmen könnten.
Wann der beim Bankenrettungsfonds SoFFin liegende Anteil verkauft werden könne, der nur noch 1,25 Mrd. Euro wert ist, sei "nicht absehbar", lässt Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) erklären. Der Nachsatz aber zeigt den Zwiespalt, wie er in der Bundesregierung zwischen CDU/CSU und FDP herrscht: Es sei stets das Ziel gewesen, die in der Finanzmarktkrise gewährten Staatshilfen "zeitlich so eng wie möglich zu begrenzen", sagte Schäubles Sprecherin.
Raus ohne Verlust - eine Illusion
Bis zur Bundestagswahl im September, da sind alle Experten einig, wird nichts passieren. Denn das würde eine Debatte neu entfachen, die Schäuble im Wahlkampf gar nicht in den Kram passen kann: Kommt der Staat ohne Schaden - sprich: ohne Verlust - wieder aus der Commerzbank heraus? 3,8 Mrd. Euro müsste er abschreiben, würde er die Aktien heute auf den Markt werfen. Anders gesagt: Der Kurs der Commerzbank-Aktie müsste sich auf 26 Euro vervierfachen, um dem Staat eine verlustfreie Trennung zu verschaffen. Dann wäre die Commerzbank insgesamt 29 Mrd. Euro wert - zum Vergleich: Die Deutsche Bank wird an der Börse heute mit 34 Mrd. Euro bewertet.
Öffentlich hat sich ein Politiker aus der Bundesregierung nie darauf festgelegt, dass der deutsche Staat mit der Rettung der Commerzbank Geld verdienen müsse - wohlweislich. "Das hat man sich auch inzwischen völlig abgeschminkt. Es ist klar, dass man einen Verlust wird realisieren müssen", heißt es in Kreisen der Koalition. Mehr als 18 Mrd. Euro hat die Koalition mit Kanzlerin Angela Merkel und dem heutigen SPD-Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück 2008 in die Bank gesteckt. Dass damals allein 16 Milliarden Euro in Form von Stillen Einlagen flossen, konnte nur vorübergehend verbergen, dass zwei Drittel des Eigenkapitals der Bank aus Staatshilfen bestanden. Denn die Rückzahlung der Stillen Einlagen finanzierten - mangels der erhofften Gewinne - die Aktionäre mit zwei großen Kapitalerhöhungen.
Grundsatzdebatte oder Pragmatismus
Mit der Einsicht in die Verlustträchtigkeit des Engagements wäre auch die Frage obsolet, wann der Bund aussteigen darf oder muss. Für die FDP und ihren Wirtschaftsminister Philipp Rösler ist es eine Frage der Ordnungspolitik, dass der Staat diesen "Sündenfall" gegen die Grundsätze der Marktwirtschaft so schnell wie möglich hinter sich bringen muss. Aber dass sie im Zweifel pragmatisch ist, hat die FDP bereits beim Staatseinstieg bei EADS gezeigt.
Der "Focus" hatte berichtet, Schäuble habe sich schon mit UBS -Verwaltungsratschef Axel Weber getroffen, um eine Lösung für die Commerzbank auszuloten. Doch in Regierungskreisen heißt es: "Es gibt keinen strategischen Plan für den Ausstieg." Und auch im Umfeld der UBS wird abgewunken. Die Tageszeitung "Die Welt" brachte am Dienstag erneut die spanische Santander als möglichen Käufer ins Gespräch, was in Madrider Finanzkreisen ebenfalls als abwegig bezeichnet wurde.
Für die Spanier, die hierzulande mit der Konsumfinanzierung groß geworden sind und das deutsche Privatkundengeschäft der schwedischen SEB gekauft hatten, wäre die Commerzbank die teuerste Übernahme überhaupt. Vor drei Jahren hatte sie umgerechnet 4,3 Mrd. Euro für die polnische Bank Zachodni gezahlt. Auch die französische BNP Paribas wird als Interessent genannt, den eine Übernahme der Commerzbank in Deutschland voranbringen könnte.
Ohne Staat steht die Coba nackt da
Immerhin: Die Finanzaufsicht BaFin würde einem ausländischen Käufer ihren Segen nicht verweigern: "Ob Anteile an einer deutschen Bank in in- oder ausländische Hände gehen - da bin ich völlig leidenschaftslos", sagte die Präsidentin der Behörde, Elke König, am Dienstag. "Es müssen nur verlässliche Gesellschafter sein."
Doch ein Banker, der sich um die Branche kümmert, glaubt nicht an eine Übernahme, sondern daran, dass der SoFFin nach und nach Anteile über die Börse verkaufen wird: "Der Weg raus aus der Commerzbank führt nur über Platzierungen. Und da wird man bis zu einer gewissen Kurserholung warten", sagt er. "Wenn sie das jetzt machen, verlöre die Commerzbank ihre implizite Staatsgarantie - dann kann der Staat gleich wieder einsteigen."
Ohne die Staatsbeteiligung - das haben die Ratingagenturen klar gemacht - hätte die Commerzbank, wie fast alle Großbanken, eine deutlich schlechtere Bonität. "Wie sollten eine Santander oder eine UBS die nötigen Kapitalquoten erfüllen, wenn sie die Bank kaufen würden? Die Zeit der großen Banken-Fusionen ist erstmal vorbei."
Besser verschenken?
Womöglich denken Schäuble oder sein Nachfolger nach der Wahl erstmal nicht an den Ausstieg, sondern müssen das Gegenteil ins Kalkül ziehen. Denn im Herbst will die Europäische Zentralbank (EZB) jene 150 Großbanken in den 17 Euro-Ländern auf versteckte Risiken hin unter die Lupe nehmen, die sie künftig beaufsichtigen soll. Was aber, wenn sie strengere Kriterien an Immobilien- oder Schiffskredite anlegt, als die Commerzbank das selbst in der Bilanz tun muss? "Da kann sich bei mancher Bank ein großes Loch auftun", sagt Mark Wahrenburg, Banken-Professor an der Universität Frankfurt.
Noch einmal könnte Blessing wohl nicht die Aktionäre um Geld bitten - und der Staat müsste ran. Spätestens dann sind mögliche Verluste zweitrangig. "Dann könnte es ein kluger Schritt sein, eine Bank mit einer kleinen Mitgift zu verschenken", sagt Wahrenburg. Wenn der Staat die Risiken im Schiffs- oder Immobiliengeschäft abfedert, wäre die Commerzbank für einen Käufer eher verdaubar.
Quelle: ntv.de, Alexander Hübner und Gernot Heller, rts