Wirtschaft

Applaus und Mahnung Draghi empfiehlt Deutschland als Vorbild

Der EZB-Chef Mario Draghi verweist auf Deutschlands Vorbild-Charakter.

Der EZB-Chef Mario Draghi verweist auf Deutschlands Vorbild-Charakter.

(Foto: picture alliance / dpa)

EZB-Chef Draghi rät Italien und Frankreich zum Blick nach Deutschland. Stichwort sind Wettbewerbsfähigkeit und Produktivität. Doch auch der Musterschüler könnte noch besser sein.

Nach Ansicht von EZB-Präsident Mario Draghi sollten Italien und Frankreich ihre Volkswirtschaften nach dem Vorbild Deutschlands reformieren. Zugleich verteidigte er die Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank auch als Versuch, den Südländern notwendige Anpassungsprozesse zu erleichtern, und legte der Bundesregierung nahe, Voraussetzungen für mehr Investitionen in Deutschland zu schaffen. Bei Vertretern italienischer und französischer Unternehmen rannte Draghi mit seinen Reformforderungen offene Türen ein.

"Deutschland hat sich in eine Richtung orientiert, von der alle europäischen Länder profitieren könnten - vorausschauend, weltoffen und konzentriert auf Wettbewerbsfähigkeit und Produktivität", sagte Draghi. Frankreich und Italien hielt der EZB-Präsident die kleineren krisengeplagten Länder des Euroraums als Beispiele vor.

So hätten die in Anpassungsprogrammen befindlichen Länder ihre Lohnstückkosten seit 2009 gegenüber dem Eurozone-Durchschnitt um 15 Prozent gesenkt und ihre Leistungsbilanzen ausgeglichen - "größere Länder wären gut beraten, diesem Beispiel zu folgen", sagte er.

Draghi: Bei Reformen nicht nachlassen

Einmal mehr verteidigte Draghi die jüngste Zinssenkung auf das Rekord-Tief von 0,25 Prozent. EDie Zinsraten sind niedrig, weil die Wirtschaft schwach ist." Eine Zinserhöhung wäre schädlich. Dies wiederum hätte Auswirkungen auf die Ersparnisse. Er verstehe die Ängste vor einer langanhaltenden Niedrigzinsphase. Die EZB aber müsse den optimalen Zins für die gesamte Euro-Zone finden. Draghi bekräftigte, der gemeinsame Währungsraum stehe vor einer längeren Phase niedriger Inflation nahe 2,0 Prozent.

Angesichts leicht verbesserter Konjunkturaussichten warnte Draghi vor nachlassendem Reformeifer in der Euro-Zone. "Die Rückkehr des Wirtschaftswachstums ist kein Signal dafür, dass die Reformanstrengungen hinter uns liegen", mahnte er. Die Eurozone komme zwar langsam auf dem Weg der Besserung voran. Das Wachstum bleibe aber schwach, uneinheitlich und fragil.

Mit Blick auf die Exportstärke Deutschlands vermied Draghi mahnende Worte. Gleichwohl appellierte er an die Regierung mehr Anreize für eine höhere Binnennachfrage zu setzen. Draghi verwies darauf, dass die Unternehmensinvestitionen in Deutschland derzeit noch unter dem Niveau von 2007 liegen, und sagte: "Höhere Investitionen sind eine Sache des Privatsektors, aber die Behörden müssen für Rahmenbedingungen sorgen, die Investitionen begünstigen.

Merkel sieht flächendeckenden Mindestlohn

Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte zuvor in ihrer Rede ihre Entschlossenheit bekräftigt, einige der von Draghi gelobten Reformen zu verteidigen. Zwar sei die Einführung eines flächendeckenden Mindestlohns durch die wahrscheinliche Große Koalition wohl unausweichlich. Doch werde sie darauf achten, dass dabei Arbeitsplatzverluste vermieden würden. Zudem werde sie darauf achten, dass die Rente mit 67 "nicht zerlöchert" wird, sagte die CDU-Politikerin.

Auch Vertreter großer Europäischer Unternehmen plädierten für Reformen. Jean Lemierre, Berater von BNP Paribas, forderte in einer Podiumsdiskussion Italien und Frankreich auf, endlich Reformen zu liefern. Angesichts ihrer hohen Arbeitslosigkeit stünden diese Länder jetzt "am Scheideweg", sagte er. Der Euro ist für Lemmiere "wie ein schönes deutsches Auto. Es funktioniert, man muss nur wissen, wie man es fährt."

Deutschland hält der BNP-Berater entgegen einer vielfach gegenteiligen Wahrnehmung zugute, dass es in der Euro-Krise eine Führungsrolle übernommen habe - nicht laut, sondern clever. "Deutschland hat gesagt, das Auto muss repariert werden, das ist nicht leicht, aber wir müssen es tun und wir sagen euch, wie das geht."

Luca Garavoglia, Chef des Mailänder Spirituosenherstellers Davide Campari, räumte ein, dass das Geschäftsmodell vieler italienischer Unternehmen in der Zeit vor dem Euro auf der wiederholten Abwertung der Lira beruhte.

Quelle: ntv.de, jwu/DJ/dpa

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