Kein Wolfsburger Durchmarsch EU bremst VW bei MAN aus
27.06.2011, 19:55 Uhr
MAN + VW + Scania = Piechs Lkw-Traum
(Foto: picture alliance / dpa)
VW will seine Tochter Scania mit dem Lastwagenbauer MAN verheiraten. Dass Ferdinand Piëch dabei als Chefaufseher von VW und MAN doppelt Regie führt, empört Aktionäre. Und auch der EU-Kommission schmeckt das Ganze nicht so recht.
Die EU-Kommission hat den geplanten Durchmarsch von Volkswagen (VW) beim Lastwagen-Hersteller MAN überraschend gestoppt. Die Wettbewerbshüter empfahlen Europas größtem Autobauer, die fusionsrechtliche Genehmigung abzuwarten, bevor die VW-Führung in den MAN-Aufsichtsrat einziehe und diesen dominiere. "Man kann nicht die Kontrolle über ein Unternehmen ausüben, bevor die EU die Genehmigung erteilt hat," sagte eine EU-Sprecherin. Das dürfte Experten zufolge mindestens einige Monate dauern.
Der Wolfsburger Autobauer zog daraufhin die Kandidatur von Konzernchef Martin Winterkorn, Finanzvorstand Hans Dieter Pötsch und Lkw-Vorstand Jochem Heizmann für den MAN-Aufsichtsrat zurück. Alle drei gehören dem Kontrollgremium des schwedischen MAN-Rivalen Scania an, der von VW kontrolliert wird und nach jahrelangem Hickhack künftig enger mit MAN zusammenarbeiten soll.
MAN-Führung guter Dinge
MAN-Chef Georg Pachta-Reyhofen schwor die Aktionäre des Münchner Dax-Konzerns auf einen neuen Abschnitt in der Unternehmensgeschichte ein. Durch eine engere Zusammenarbeit mit Scania und VW könnten substanzielle Kostenvorteile in Einkauf, Entwicklung und Produktion erreicht werden. Die Details würden in den nächsten Wochen und Monaten erarbeitet. Volkswagen will die angestrebte Kontrolle von MAN in den nächsten Wochen bei den Wettbewerbshütern förmlich beantragen. Die Niedersachsen erhoffen sich Kostenvorteile von mindestens 200 Millionen Euro im Jahr, wenn MAN und Scania zusammenrücken.
Thema "gute Unternehmensführung"
VW teilte mit, die eigene Führung solle nun erst nach der Überprüfung durch Brüssel in den MAN-Aufsichtsrat einziehen. Da Piech und Audi-Chef Rupert Stadler dem Gremium bereits angehören, würde VW künftig fünf der acht Vertreter der Kapitalseite in dem Gremium stellen. Piech sitzt dem Aufsichtsrat von MAN bereits vor. In seiner Doppelrolle bei VW und MAN sehen insbesondere angelsächsische Investoren einen Verstoß gegen die Regeln guter Unternehmensführung.
Bei der Wahl durch die MAN-Aktionäre bekam Piech diesen Gegenwind zu spüren: Mit gut 74 Prozent wurde er zwar erneut in das Gremium gewählt, bekam aber mit Abstand das schlechteste Ergebnis. Bei anderen Firmen sind weit höhere Zustimmungsquoten üblich.
Teuer ver- und billig einkaufen
Harald Petersen von der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) kritisierte, Piech sei der "personifizierte Interessenkonflikt". Er müsse MAN teuer verkaufen und für VW billig kaufen: "Wie soll das gehen?". Fondsmanager Ingo Speich von Union Investment forderte, einen neuen Aufsichtsratschef für MAN zu suchen. Speich bemängelte außerdem die Ertragskraft von MAN. "Der Gewinn lässt zu wünschen übrig." Die Rendite von Scania sei fast doppelt so hoch, und auch beim Rivalen Volvo liege sie über zehn Prozent.
Positiv wurde aufgenommen, dass VW seine eigentlichen Aufsichtsratskandidaten zurückzog. Stattdessen wurden der ThyssenKrupp-Chefjustiziar Thomas Kremer und der Rechtsanwalt Matthias Bruse vorgeschlagen. Audi-Einkaufschef Ulf Berkenhagen sollte nach dem Willen von VW in dem Gremium bleiben. Die drei Manager wurden jeweils mit Quoten von über 98 Prozent gewählt.
Als ein Nebenaspekt gerät damit der Zeitplan für einen Wechsel Berkenhagens in den MAN-Vorstand ins Wanken. VW erklärte, bis zum Abschluss des Fusionskontrollverfahrens sei nicht beabsichtigt, etwas an der Besetzung der MAN-Führung zu ändern. Berkenhagen sollte nach früheren Informationen aus Unternehmenskreisen in gleicher Funktion zu MAN wechseln. Für ihn sollte dort eigens ein Vorstandsressort geschaffen werden.
MAN-Kleinaktionäre unzufrieden
VW hatte zuletzt die wichtige Schwelle von 30 Prozent überschritten und den übrigen MAN-Aktionären daraufhin ein Übernahmeangebot unterbreitet, das am Mittwoch ausläuft. Obwohl sich die Offerte formal an die Aktionäre des Münchner Konzerns richtet, will Volkswagen damit vor allem die Erlaubnis der Kartellbehörden zu einer Allianz seiner Tochter Scania mit MAN einholen. Ob das Angebot bei den MAN-Aktionären auf Gegenliebe trifft, spielt dabei für VW keine Rolle. Geboten werden 95 Euro je Stammaktie - der aktuelle Kurs liegt bei unter 94 Euro.
Zu Wochenanfang hielt VW nach eigenen Angaben 31,64 Prozent der MAN-Stimmrechte, nur wenig mehr als der Konzern bei Ankündigung des Pflichtangebotes Anfang Mai schon kontrollierte. MAN-Aktionäre nannten das VW-Angebot einen "Witz".
Quelle: ntv.de, rts