Wirtschaft

"Keine Fortschritte" EU erinnert Berlin an Hausaufgaben

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(Foto: picture alliance / dpa)

Erstmals äußert sich die EU-Kommission zu den Haushaltsentwürfen der Euro-Länder. Der Schritt ist eine Reaktion auf die Schuldenkrise. Kritische Worte gehen dabei an die Krisenstaaten. An Deutschlands Etat gibt es nichts aussetzen - dafür an vielem anderen.

Die EU hat den deutschen Budgetentwurf für 2014 abgesegnet. Allerdings gab die Kommission auch Arbeitsaufträge an Berlin. So soll die Bundesregierung zum Beispiel die Löhne anheben, Strukturreformen anpacken und die Mehrwertsteuer senken, um den Konsum zu beleben. Neben Deutschland erhielt einzig Estland Lob seinen Etatplane. "Die Haushaltsentwürfe beider Länder weisen darauf hin, dass sie mit den Anforderungen des Stabilitäts- und Wachstumspakt übereinstimmen", sagte Rehn. Eine Warnung erging derweil an Frankreich, Italien und Spanien.

Doch auch Berlin blieb von Kritik nicht verschont: Die Bundesregierung habe bei den im Sommer von der Kommission empfohlenen strukturellen Änderungen "keine Fortschritte" erzielt, hieß es. Deutschland sei empfohlen worden, "diese Dinge zum eigenen Nutzen aber auch zum Nutzen der gesamten Eurozone anzugehen", sagte EU-Wirtschafts- und Währungskommissar Olli Rehn.

Reichlich Arbeit für Berlin

Deutschland wurde aufgefordert, die hohe Steuer- und Abgabenbelastung besonders für Geringverdiener zu senken, Fehlanreize für Zweitverdiener abzuschaffen, die Kosteneffizienz der öffentlichen Ausgaben im Gesundheitswesen und in der Langzeitpflege zu verbessern, die Effizienz des Steuersystems zu verbessern und den vorhandenen Spielraum für mehr und effizientere Bildungs- und Forschungsausgaben zu nutzen und die Schuldenbremse in allen Ländern umzusetzen.

Zudem solle die Teilnahme von Frauen am Arbeitsmarkt gestärkt werden durch mehr Möglichkeiten zur Kinderbetreuung, forderte die Kommission. "Diese Empfehlungen gelten noch immer", sagte Rehn. "Ich kann nur darauf vertrauen, dass sie während der Koalitionsverhandlungen ernst genommen werden." Die Kommission forderte Deutschland ferner auf, einen aktualisierten Haushaltsplan einzureichen, sobald die neue Bundesregierung im Amt ist, da sich aufgrund der derzeitigen Bildung der neuen Bundesregierung noch Änderungen an den Haushaltsplanungen ergeben könnten.

Etat profitiert von kritisierter Exportstärke

Da 2011 die Schuldenquote Deutschlands 80 Prozent des Bruttoinlandsprodukts betrug und somit über dem Referenzwert von 60 Prozent lag, gelten in den drei Folgejahren Übergangsregeln, um das Schuldenstandskriterium zu erfüllen. Der Abstand zwischen der Schuldenquote und dem 60-Prozent-Richtwert muss binnen drei Jahren um durchschnittlich ein Zwanzigstel jährlich verringert werden. Laut dem deutschen Haushaltsplan soll der Haushalt 2013 und 2014 ausgeglichen sein und die Gesamtverschuldung sinken.

Erst vor zwei Tagen hatte die EU-Kommission in Deutschland weit weniger Freude mit der Ankündigung ausgelöst, den Exportüberschuss der Bundesrepublik wegen möglicher wirtschaftlicher Ungleichgewichte genauer unter die Lupe zu nehmen. Doch die starken Ausfuhren kommen laut jüngster Steuerschätzung mit Einnahmen von 620,5 Milliarden Euro in diesem Jahr auch dem Haushalt zugute. Die Einnahmen sollen in den kommenden Jahren sogar noch steigen. Ab 2015 will der Bund ganz ohne neue Schulden auskommen.

Frankreich lässt sich keine Luft

Mit Blick auf Frankreich sagte Rehn, dass der Haushalt und bereits beschlossene Maßnahmen ausreichend seien, um fristgerecht bis 2015 das Defizit abzubauen. Allerdings habe die Regierung in Paris "keinen Spielraum", warnte Rehn. "Ziemlich umfassende Anstrengungen werden in den kommenden Jahren benötigt, um in der Spur zu bleiben."

Frankreichs Finanzminister Pierre Moscovici wertete das Urteil als "eine Art von Beglaubigung der haushaltspolitischen Ernsthaftigkeit der französischen Politik". Die Finanzpolitik seiner Regierung sei "vollkommen bestätigt" worden.

Spanien droht, mit dem Haushalt 2014 sein Defizitziel nicht zu erreichen. Rehn forderte die Regierung in Madrid auf, ihren Haushaltsplan zu überarbeiten. Sorge bereitet der EU-Kommission auch Italien: Ausgehend von ihrer Herbstprognose 2013 sieht die Kommission das Risiko, dass die Haushaltsplanung Rom "möglicherweise nicht in die Lage versetzen wird, 2014 den Richtwert für den Schuldenabbau einzuhalten", hieß es.

Italiens Regierungschef Enrico Letta wies die Kritik zurück: "Zu viele Einsparungen töten die Wiederbelebung der Wirtschaft." Letta warnte zudem vor politischen Folgen des Sparkurses. "Ich kämpfe für ein Europa, das versteht, dass wir an der Sparpolitik sterben können", sagte der Sozialdemokrat. Sie stärke nur Rechtspopulisten und Euroskeptiker.

Die EU-Kommission untersuchte erstmals die Haushalts-Entwürfe von 13 Euro-Staaten sowie von Kroatien, Polen und Litauen, bevor diese an die nationalen Parlamente gehen. In abgeschwächter Form erhielten auch die Niederlande und Slowenien Rüffel aus Brüssel.

Quelle: ntv.de, jwu/rts/DJ/AFP

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