Klares Signal aus Brüssel EU gibt Irland-Hilfe frei
28.11.2010, 19:15 UhrEuropa steht den Iren bei: Das Land bekommt insgesamt 85 Mrd. Euro aus den Töpfen des europäischen Rettungsfonds. Die Hilfen sind an harte Bedingungen geknüpft. Dublins Finanzminister Lenihan steht vor einer schweren Heimreise.

Schwerer Gang nach Brüssel: Brian Lenihan, Finanzminister der Iren weiß, was ihn daheim erwartet.
(Foto: dpa)
Europa hat das Rettungspaket für das hoch verschuldete Irland unter Dach und Fach gebracht. Nach den Finanzministern der Euro-Zone stimmten auch die Ressortchefs aller 27 EU-Staaten den Hilfen von 85 Milliarden Euro zu, wie Währungskommissar Olli Rehn in Brüssel mitteilte. Irland hatte vor einer Woche wegen seiner Bankenkrise als erstes Land Hilfen aus dem Euro-Rettungsschirm beantragt, der als Reaktion auf die Schuldenkrise in Griechenland eingerichtet worden war.
Irland soll zu dem Rettungsplan 17,5 Milliarden Euro an eigenen Mitteln beisteuern, wie die Regierung in Dublin mitteilte. Sie verpflichtete sich, dazu die Rücklagen für Renten anzuzapfen. Der durchschnittliche Zinssatz für die internationalen Hilfen soll bei 5,8 Prozent liegen. Dies ist mehr als Griechenland zahlen musste, das im Frühjahr vor dem Staatsbankrott gerettet werden musste. Athen hatte damals noch einen Zinssatz von 5,2 Prozent bekommen.
Die Details der Rettung
Die Hilfen sollen dem Vernehmen nach mit 50 Mrd. überwiegend für die Sanierung des Staatshaushaltes und mit 35 Mrd. Euro zur Stützung des irischen Bankensystems genutzt werden. Irland ist das erste Land, das den Euro-Rettungsschirm für wackelnde Euro-Staaten in Höhe von 750 Mrd. Euro in Anspruch nimmt.
Im Vorfeld des Brüsseler Krisentreffens versuchte Deutschlands Wirtschaftsminister Rainer Brüderle die Befürchtungen in der Bevölkerung zu dämpfen. Nicht erst seit dem Fall Irland werden Szenarien von einem Ende der Währungsunion und den möglichen Milliardenkosten für den Steuerzahler offen diskutiert. "Wenn wir diese Krise überwunden haben, wird der Euro härter und stabiler sein als je zuvor", sagte Brüderle der "Bild am Sonntag".
"Rückkehr zur D-Mark wäre fatal"
"Der Wechselkurs von deutlich über 1,30 Dollar zeigt, dass der Euro eine stabile Währung geblieben ist. Es sind derzeit keine Inflationsgefahren erkennbar", sagte der FDP-Politiker. Die Rettungspakete für Irland und Griechenland seien alternativlos. Die EU werde keine Transferunion "wie zum Beispiel in Deutschland mit einem Länderfinanzausgleich", sagte Brüderle. "Es gibt einen Rettungsschirm, und der wird 2013 wieder eingeklappt." Danach müssen die privaten Gläubiger bei möglichen Rettungsaktionen mit ins Boot, betonte Brüderle vor dem Krisentreffen.
Nach einer Umfrage des Instituts TNS Emnid für den "Focus" wollen 47 Prozent der Deutschen die D-Mark zurück. 50 Prozent stehen zum Euro, der vor allem bei den Grünen viele Anhänger hat. Brüderle warnte vor dem Scheitern der Währungsunion. "Eine Rückkehr zur D-Mark wäre fatal", sagte er. Die Folgen wären sinkende Wirtschaftsleistung, steigende Arbeitslosigkeit und Rückgang des Wohlstands.
Trittin fordert neue Ziele
Der Grünen-Fraktionsvorsitzende Jürgen Trittin sieht in der Irland-Rettung eine Chance, bei der Abstimmung der Steuer-, Lohn- und Investitionspolitik in Europa voranzukommen. Ein Grund der Euro-Krise sei die unterschiedliche Wettbewerbsfähigkeit der Staaten, erklärte Trittin in einem Gastbeitrag für die "WirtschaftsWoche". Der Stabilitätspakt müsse um das Ziel des außenwirtschaftlichen Gleichgewichtes ergänzt werden.
"Das Problem sind Leistungsbilanzungleichgewichte zwischen den Mitgliedstaaten der Währungsunion", erklärte Trittin. "Wenn ein Land jahrelang mehr konsumiert, als es produziert, mehr importiert, als es exportiert, dann ist Verschuldung die Folge." Er kritisierte auch das kreditfinanzierte deutsche Exportmodell. "Deutsche Unternehmen exportieren Güter in Defizitländer, diese verschulden sich bei deutschen Banken, am Schluss garantiert der europäische Steuerzahler die vom Ausfall bedrohten Kredite. Das kann nicht gut gehen."
Unions-Fraktionschef Volker Kauder gibt dem Euro trotz der Irlandkrise "bessere Perspektiven" als dem US-Dollar. "Unser Euro ist
und bleibt eine stabile Währung", sagte Kauder der Zeitschrift "Super Illu".
Die Verfassungsbeschwerde läuft
Anders sieht das der CSU-Bundestagsabgeordnete Peter Gauweiler. Er fordert eine schnelle Entscheidung über seine im Frühjahr eingelegte Verfassungsbeschwerde gegen den Euro-Rettungsschirm. "Wenn es zu spät zur Entscheidung kommt, sind die Garantien über 750 Mrd. Euro weg", sagte sein Prozessvertreter Dietrich Murswiek dem "Focus".
Umstritten bleibt, ob der Rettungsschirm in seiner jetzigen Größe reicht. Ökonom Michael Burda von der Berliner Humboldt-Universität brachte sogar einen unbegrenzten Rettungsschirm in die Debatte ein. "Es ist gefährlich, konkrete Zahlen zu nennen. Der Markt testet jede Obergrenze", sagte er dem Berliner "Tagesspiegel".
Ähnlich argumentiert der Wirtschaftsweise Peter Bofinger: "Selbst ein doppelt so großer Schirm ist nicht glaubwürdig", sagte Bofinger der "Berliner Zeitung".
"Nur mit der gemeinsamen Anleihe ist der Euro noch zu retten", sagte Bofinger. Nach Informationen des Nachrichtenmagazins "Focus" ist die Bundesregierung inzwischen unter strikten Bedingungen bereit, solche Eurobonds zu akzeptieren, bei denen alle Staaten gemeinsam für die Schulden haften sowie die gleichen Zinsen erhalten würden.
Quelle: ntv.de, mmo/AFP/dpa/rts