Wirtschaft

Der Tankerstreit kocht hoch EU kritisiert Pentagon

Der Streit um die Ausschreibung des milliardenschweren Tankerauftrags in den USA ruft höchste Kreise der Europäischen Union auf den Plan: "Die US-Regierung sollte das überdenken", heißt es aus Berlin. Auch die EU-Kommission meldet ernste Zweifel an: Grundsätzliche Fragen des freien Wettbewerbs stehen im Raum.

Blick aus der Heckluke einer KC-135 Stratotanker: Die US-Luftwaffe kennt die Nachteile ihrer veralteten Maschinen.

Blick aus der Heckluke einer KC-135 Stratotanker: Die US-Luftwaffe kennt die Nachteile ihrer veralteten Maschinen.

(Foto: REUTERS)

Nach dem Rückzug des europäischen EADS-Konzerns aus dem Bieterrennen für US-Militärflugzeuge hat sich die EU eingeschaltet. "Die EU-Kommission wäre extrem besorgt", falls sich herausstellen sollte, dass die Ausschreibungsbedingungen einen offenen Wettbewerb verhindert haben, erklärte Handelskommissar Karel De Gucht.

Am Montagabend hatten die EADS-Tochter Airbus und ihr US-Partner Northrop Grumman ihren Ausstieg aus dem Riesenprojekt erklärt. Dabei ging es um zunächst 179 Tankflugzeuge für rund 35 Mrd. Dollar (25,7 Mrd. Euro), die nun voraussichtlich der US-Rivale Boeing baut.

"Es ist höchst bedauerlich, wenn ein wichtiger potentieller Anbieter sich außerstande fühlt, für einen Vertrag dieser Art zu bieten", erklärte De Gucht. Offene Beschaffungsmärkte garantierten einen besseren Wettbewerb und setzten das Geld des Steuerzahlers besser ein. Die Kommission werde nun "weitere Entwicklungen in dem Fall sehr genau verfolgen".

Niemand kehrt gerne auf halber Strecke um: Ein Tarnkappenbomber übernimmt Treibstoff.

Niemand kehrt gerne auf halber Strecke um: Ein Tarnkappenbomber übernimmt Treibstoff.

(Foto: picture-alliance / dpa)

Die deutsche Bundesregierung forderte unterdessen die US-Regierung dazu auf, das Angebotsverfahren und die Bedingungen des Wettbewerbs zu prüfen. "Ich würde mich freuen, wenn es zu diesem Schritt käme", sagte der Luftfahrtkoordinator der Bundesregierung, Peter Hintze. "Die US-Regierung sollte das überdenken."

EADS und sein Partner Northrop Grumman wollten mit ihrem Rückzug aus dem Bieterverfahren offenbar das Signal setzen, dass sie sich nicht fair behandelt fühlen, sagte Hintze. "Ich sehe eine winzige Restchance, dass die US-Administration dieses Signal erkennt und sich das Verfahren noch einmal anschaut", ergänzte er.

Auch Wirtschaftsminister Rainer Brüderle äußerte Kritik. Der EADS-Konkurrent Boeing werde bei dem Auftrag für Tankflugzeuge der US-Luftwaffe deutlich bevorzugt. Als einziger Anbieter erhalte der US- Flugzeugbauer wirtschaftliche und finanzielle Vorteile, ohne dass die Luftwaffe das beste Produkt erhalten würde. "Auch bei der Beschaffung von Rüstungsgütern sollte der freie Wettbewerb nicht einseitig eingeschränkt werden", sagte Brüderle. Gerade in der aktuellen Krise seien schon Anzeichen schädlich, dass Regierungen ihre eigene Wirtschaft vor ausländischer Konkurrenz schützen wollten.

Technische Feinheiten

Luftfahrtexperte Heinrich Großbongardt warnte bei n-tv dagegen vor voreiligen Schlüssen: "Die Sache ist sehr viel komplexer. Man darf nicht vergessen, es waren nicht amerikanische Politiker, die dafür gesorgt haben, dass die ursprüngliche Entscheidung widerrufen wurde, nachdem Boeing protestiert hatte, sondern es war der amerikanische Rechnungshof, der gesagt hat, es ist nicht ordnungsgemäß abgelaufen."

Nicht gerade bequem: Der Einstieg in den Stratotanker.

Nicht gerade bequem: Der Einstieg in den Stratotanker.

(Foto: REUTERS)

Die beiden Maschinen sind nach Expertenmeinung zudem nicht unbedingt vergleichbar. "Es ist die Boeing 767 und es ist die A330, die deutlich größer ist, und der grundlegende Streit geht darum, welche Größe ist eigentlich richtiger, welche ist besser für die Bedürfnisse des amerikanischen Militärs", erklärte Großbongardt bei n-tv.

"Von daher waren die Ausschreibungsbedingungen jetzt so gefasst, dass das etwas kleinere Flugzeug den Vorteil hatte." Ursprünglich, in der ersten Ausschreibung, sei dies bereits der Fall gewesen, allerdings seien diese Bedingungen nachträglich geändert worden, bevor EADS in das Bieterverfahren eingestiegen war. "Ich glaube, wenn die Entscheidung andersrum gefallen wäre, könnte man dieselben Worte, die jetzt von Northrop Grumman und von EADS kommen, aus Seattle hören", meine Großbongardt. Es sei sehr schwer zu entscheiden, "was da wirklich in diesem ganzen Pulverdampf geschoben worden ist oder was tatsächlich gute Argumente sind."

Das "bessere Flugzeug"

EADS und Northrop Grumman hatten kritisiert, die Modalitäten der Ausschreibung seien auf den US-Rivalen Boeing zugeschnitten. Die Ausschreibung bevorzuge unfairerweise das Boeing-Angebot. "Die US-Luftwaffe weiß, dass wir bei weitem das bessere Produkt anbieten", sagte Airbus-Chef Thomas Enders.

Die Ausschreibung verschaffe Boeing "einen Vorteil", stellte EADS-Chef Louis Gallois fest. "Wir haben keine Möglichkeit, den Wettbewerb zu gewinnen." Er betonte sein Bedauern. Bei EADS sei man der Meinung, "dass wir das bessere Flugzeug haben", so Gallois weiter.

Das Konsortium mit Airbus und dem US-Partner Northrop Grumman hatte den Auftrag 2008 eigentlich bereits in der Tasche, bis Boeing dagegen vorging und schließlich eine Neuausschreibung erreichte.

Boeing bietet alleine weiter

Mit Blick auf die aufflammende Protektionismus-Debatte wies Luftfahrtexperte Großbongardt darauf hin, dass EADS und Northrop Grumman eigenen Angaben zufolge im Fall eines Zuschlags angeblich bis zu 48.000 Arbeitsplätze in den USA schaffen wollten. "Ein großer Teil der Wertschöpfung wäre in jedem Fall in den USA entstanden", schlussfolgerte Großbongardt. "Northrop Grumman sagt sogar, mehr als in dem Falle der Boeing-Entscheidung. Von daher glaube ich, Protektionismus spielt eine Rolle, aber sicherlich nicht die entscheidende."

EADS-Chef Gallois schloss unterdessen einen Alleingang ohne Northrop Grumman aus. EADS plane nicht, ohne den US-Partner ein Gebot abzugeben, sagte er. Der Konzern werde aber seine Strategie "mit Blick auf den amerikanischen Markt nicht ändern. Wir wollen unsere Präsenz in den USA erhöhen."

Quelle: ntv.de, mmo/AFP/dpa/rts

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