Wirtschaft

Gespenstische Stille im Kuhstall EU packt Agrarreform an

Der Sponsor sitzt in Brüssel: Milchkühe in Deutschland.

Der Sponsor sitzt in Brüssel: Milchkühe in Deutschland.

(Foto: picture alliance / dpa)

Auf die deutschen Landwirte kommen schwere Zeiten zu: In Brüssel stellt die EU-Kommission ihre Pläne zur Reform der europäischen Agrarpolitik vor. Es geht um eine neue, gerechtere Verteilung der EU-Mittel. Für die Bauern in Deutschland zeichnen sich tiefe Einschnitte ab.

Fakt ist: Von den Agrarbeihilfen profitiert nicht nur der Bauer von nebenan.

Fakt ist: Von den Agrarbeihilfen profitiert nicht nur der Bauer von nebenan.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Den deutschen Bauern drohen von 2014 an Einbußen bei den direkten Beihilfen aus Brüssel. EU-Agrarkommissar Dacian Ciolos hat in Brüssel erste Pläne für eine Reform der gemeinsamen Agrarpolitik vorgestellt. Die Direktzahlungen der EU sollen künftig anders zwischen den Mitgliedsstaaten verteilt werden. Soziale und ökologische Standards bekommen den Vorschlägen zufolge künftig mehr Gewicht. Beobachtern gingen im Vorfeld davon aus, dass dies vor allem den Landwirten in Osteuropa zugute kommen dürfte. Deutsche Bauern hätten dagegen das Nachsehen.

Die Agrarminister von Bund und Ländern stemmen sich daher gegen eine Kürzung. Einen konkreten Gesetzgebungsvorschlag hat Ciolos bis Mitte nächsten Jahres angekündigt, diesem müssen die EU-Regierungen zustimmen

Die milliardenschweren Subventionen für Kleinbauern, landwirtschaftliche Betriebe und Unternehmen der Agrarindustrie bilden den größten Brocken im Haushalt der Staatengemeinschaft. Die Fördertöpfe für die Landwirtschaft umfassen im EU-Haushalt derzeit rund 56 Mrd. Euro.

Vor allem in Staaten mit großen strukturell schwach entwickelten Gebieten wie zum Beispiel Frankreich oder den jungen EU-Mitgliedern in Osteuropa hängen ganze Regionen von den Mitteln aus Brüssel ab. Entsprechend hart ist die Verteilung der Gelder umstritten.

Agrarmilliarden mit Nebeneffekten

Agrarsubventionen sichern nicht nur Arbeitsplätze in strukturschwachen Regionen. Die Milliardensummen machen die Versorgung mit Nahrungsmitteln in Europa weitgehend unabhängig von Preisschwankungen am Weltmarkt. Ohne die Zahlungen aus Brüssel sähe auch die Lage in Deutschland vollkommen anders aus: Nur in wenigen Nischen wären die Landwirte tatsächlich international konkurrenzfähig. Die Importabhängigkeit bei Lebensmitteln würde schlagartig zunehmen. Auch Abstriche bei der Qualität wären möglicherweise die Folge, argumentieren die Bauern. Manche Beobachter fürchten zudem, dass ohne die Subventionen die Verstädterung voranschreiten und ganze Landstriche veröden könnten.

Außerhalb Europas entwickeln die milliardenschweren Beihilfen gleichzeitig starke Negativeffekte im Welthandel. Die umfangreichen Agrartöpfe der Europäischen Union gelten als schwer überwindbare Handelsschranke für Exporteure in unterentwickelten Staaten. Weil Landwirten in armen Ländern in der Regel keinerlei Beihilfen zur Verfügung stehen, bleiben ihnen die Absatzmärkte in Europa faktisch verschlossen. Der Agrarsektor bleibt schwach, die Menschen fliehen in wirtschaftliche prosperierende Weltregionen. In Krisenzeiten sind diese Staaten dann unter Umständen schnell auf Hilfe von außen angewiesen.

Unter deutschen Landwirten stößt die geplante Agrarreform auf Widerstand. Der Präsident des Deutschen Bauernverbandes, Gerd Sonnleitner, kritisierte die bisher bekannten Eckpunkte und die Konzentration auf den Umweltschutz. Die Vorschläge seien "sehr unausgewogen", sagte Sonnleitner der "Passauer Neuen Presse". "Wir sehen nicht, dass dadurch grünes Wachstum entsteht, sondern vielmehr eine Überbürokratisierung der europäischen Landwirtschaft. " Es fehle "die klare Linie, der schlüssige Ansatz".

"Schwächung des ländlichen Raumes"

Die Milliardenhilfen für Bauern sollen - soweit bislang bekannt - ab 2013 stärker als bisher an soziale und ökologische Standards geknüpft werden. Die Brüsseler Vorschläge sind ein erster Auftakt für die Verhandlungen, in denen die Agrarreform im Ringen mit den Mitgliedsstaaten in den kommenden Jahren ihre endgültige Form erhalten dürfte. Die letzte große Agrarreform der Europäischen Union datiert auf das Jahr 2003. 2008 gab es kleinere Korrekturen.

Sonnleitner kritisierte, die Kommission wolle die Zahlungen und Umweltauflagen der ersten und zweiten Säule der EU-Agrarpolitik "nicht mehr strikt trennen, sondern immer mehr miteinander vermischen". Die Umsetzung dieses Konzepts "würde eine Schwächung des ländlichen Raums bedeuten, einen gewaltigen Rückschritt". Die um die Jahrtausendwende eingeführte sogenannte zweite Säule der Agrarpolitik sieht Zahlungen etwa für die Umstellung auf Öko-Landbau oder den Erhalt ländlicher Räume vor.

Sonnleitner zufolge sind deutsche Bauern beim Tier- und Umweltschutz bereits "vorbildlich". Ein Drittel der landwirtschaftlichen Nutzfläche in Deutschland sei in Umweltprogramme eingebunden. Deshalb solle die EU-Kommission "mehr Mühe verwenden, andere europäische Länder beim Umweltschutz im Agrarbereich dorthin zu bringen, wo wir bereits seit langem sind", sagte der Verbandschef.

Quelle: ntv.de, mmo/AFP/dpa

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