Mehr Handlungsfähigkeit in Krisen EU plant effektiven Risikorat
28.05.2009, 09:43 UhrDach den Turbulenzen der Finanzkrise hat die EU-Kommission eine zügige Reform der europäischen Finanzaufsicht in die Wege geleitet.
Die EU müsse die Schwächen der bisher weitgehend nationalen Kontrolle von Banken oder Versicherungen überwinden, erklärte Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso am Mittwoch in Brüssel. "Wenn es nicht gelingt, die Finanzaufsicht in einer Krise von Grund auf zu reformieren, wann dann?" Künftige Krisen könnten durch ein Frühwarnsytem unter Führung der Europäischen Zentralbank verhindert werden. Zugleich sollen europäische Gremien gegenüber den nationalen Behörden mehr Gewicht bekommen.
Das Konzept soll zunächst von den EU-Staats- und Regierungschefs auf dem nächsten Gipfel am 18./19. Juni diskutiert werden. Geben sie grünes Licht, legt die Kommission im Frühherbst formelle Gesetzesvorschläge vor.
Die Kommission regt an, die Überwachung der einzelnen Banken, Versicherungen und Börsen durch eine Aufsicht des gesamten Finanzsystems zu ergänzen. Der europäische Rat für Systemrisiken soll über alle Sektoren wachen, vor Gefahren warnen und Empfehlungen an die Mitgliedstaaten aussprechen. Diese wären zwar rechtlich nicht bindend. Doch eine nationale Aufsicht müsste sich rechtfertigen, wenn sie die Ratschläge nicht befolgt. Den Vorsitz des Risikorates soll der Präsident der EZB übernehmen. Dagegen hatte Großbritannien, das nicht der Währungsunion angehört, Bedenken geäußert. Die EU-Kommission kommt diesen entgegen, indem sie als Vize-Vorsitzenden einen Zentralbankchef eines Nicht-Euro-Landes vorsieht.
Der Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft monierte, die Versicherungen seien im Risikorat gegenüber den Banken unterrepräsentiert. Es müsse deshalb einen Unterausschuss für die Branche geben. Der Europäische Bankenverband forderte, die Verbände an der Aufsicht zu beteiligen. Der Bundesverband deutscher Banken (BdB) erklärte, der Risikorat dürfe nicht nur Empfehlungen aussprechen, sondern müsse auch handeln können.
Sparkassen gegen europäische Aufsicht
Der BdB begrüßte die Stärkung der Spartenaufsicht auf europäischer Ebene. Doch werde damit die Kluft zwischen der zersplitterten Aufsichtsstruktur und dem integrierten Finanzmarkt noch nicht völlig überwunden. Die bereits bestehenden Expertenausschüsse auf EU-Ebene für die Aufsicht über Banken (CEBS), Versicherungen und Pensionsfonds (CEIOPS) sowie Wertpapierhandel (CESR) sollen zu Behörden aufgewertet werden. Bisher haben sie nur beratende Funktion. Sie sollen über die Einhaltung des EU-weiten Aufsichtsrechts wachen und bei Verstößen die Kommission einschalten. Die Aufsicht an sich bleibt Sache der nationalen Behörden. Diese haben für die rund 40 grenzüberschreitend tätigen Banken bereits gemeinsame Aufsichtskollegien aufgebaut. Die europäischen Behörden würden bei Streit unter den nationalen Aufsehern vermitteln.
Der Deutsche Sparkassen- und Giroverband befürchtet eine Spaltung der Bankenaufsicht. Die großen systemrelevanten Banken würden von der EU beaufsichtigt, die national tätigen Institute von den nationalen Aufsehern. Dies verzerre den Wettbewerb vor Ort, warnte der DSGV.
Abgeordneten des Europäischen Parlaments, das über die neue Aufsicht mit zu entscheiden hat, gehen die Pläne der Kommission nicht weit genug. In seltener Eintracht forderten Parlamentarier von CDU/CSU und Grünen eine zentrale europäische Finanzaufsicht. Eine europäische Aufsicht hat nach Einschätzung der Kommission aber keine Chance, realisiert zu werden. Die Mitgliedstaaten wehren sich dagegen, weil sie im Fall einer Bankenpleite mit dem Geld ihrer Steuerzahler einspringen müssen. Barroso appellierte an die EU-Staaten, die neue Struktur schon bis Ende 2010 einzuführen. Die Bundesregierung hält diesen Zeitplan für unrealistisch.
Quelle: ntv.de, rts