Inflationsängste EZB kämpft um Glaubwürdigkeit
16.05.2010, 13:56 UhrEs ist gekommen, wie es kommen musste: Die Glaubwürdigkeit der EZB ist nach ihrer beispiellosen Hilfsaktion in Sachen Schulden futsch. Vergeblich bemüht man sich um Schadensbegrenzung.

Müssen wir der Kaufkraft des Euro hinterherlaufen so wie die EZB ihrer Glaubwürdigkeit?
(Foto: © Thommy Weiss)
Die Europäische Zentralbank (EZB) kämpft mitten in der schwersten Krise der Währungsunion um ihre Glaubwürdigkeit. EZB-Präsident Jean-Claude Trichet bemüht sich, die Inflationsängste der Bürger zu zerstreuen. Durch den Aufkauf von Staatsanleihen hätten die Währungshüter ihre Unabhängigkeit nicht der Politik geopfert. Die Bundesregierung dringt auf einen entschiedenen Sparkurs in der Euro-Zone, um das Schuldenproblem an der Wurzel zu packen. Diese Woche beraten die Euro-Finanzminister über die Haushaltspolitik und über eine grundlegende Reform des Euro-Stabilitätspaktes. Fast die Hälfte der Bundesbürger wünscht sich die D-Mark zurück.
Die EZB sei "absolut entschlossen", Preisstabilität zu gewährleisten, sagte Trichet dem "Spiegel". "Diejenigen, die glauben - oder schlimmer noch: suggerieren -, dass wir Inflation künftig tolerieren werden, unterliegen einem schwerwiegenden Irrtum", sagte der Franzose. Inflation sei destruktiv für die Demokratie.

Die Milliarden, die EZB-Chef Trichet in den Geldkreislauf pumpt, passen längst nicht mehr in diese Tüte.
(Foto: REUTERS)
Die Notenbank steht in der Kritik, weil sie die Milliardengarantien der Euro-Länder zur Stabilisierung der Gemeinschaftswährung durch den Kauf von Staatsanleihen flankiert. Dadurch pumpt sie Milliarden in den Geldkreislauf, was Inflationsgefahren birgt. Experten sehen darin einen Dammbruch und ein Einknicken vor der Politik. "Es besteht die Gefahr, dass der Euro eine Schwachwährung wird", warnte etwa Ex-Bundesbankchef Karl Otto Pöhl im "Spiegel".
Trichet wies solche Befürchtungen entschieden zurück. Die EZB werde die zusätzliche Liquidität wieder abschöpfen, "jeden einzelnen Euro". Die Notenbank treffe ihre Entscheidungen völlig unabhängig und habe sich schon oft gegen die Regierungschefs in Europa gestellt.
Rückkehr zur D-Mark fatal
Sorgen um die Geldwertstabilität hatten vergangene Woche den Goldpreis auf einen Rekordstand von 1230 US-Dollar je Feinunze getrieben. Dabei greifen auch Privatleute verstärkt zu. Der Euro war unter 1,24 US-Dollar und damit auf den tiefsten Stand seit eineinhalb Jahren gefallen. In der Bevölkerung verliert der Euro ebenfalls an Vertrauen, wie eine Allensbach-Umfrage zeigt.

Eine übergroße Deutsche Mark, Teil eines Brunnens vor der Deutschen Ausgleichsbank in Bonn als Zeichen für die Währungsreform 1948.
(Foto: picture-alliance/ dpa)
Eine Rückkehr zur D-Mark wäre Experten zufolge allerdings katastrophal für die Wirtschaft, weil sich deutsche Exporte radikal verteuern würden. Siemens-Aufsichtsratschef Gerhard Cromme warnte in der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung": "Alle Spekulanten würden in die D-Mark flüchten, die Kurse würden so hochschießen, dass wir als Industrie draußen in der Welt nichts mehr verkaufen könnten."
Die EU-Regierungen hatten am vergangenen Wochenende einen Schutzschirm für den Euro im Volumen von bis zu 750 Mrd. Euro aufgespannt, davon kommen 250 Mrd. vom IWF, 60 aus dem EU-Haushalt und der Rest in Form von Kreditgarantien von den Euro-Ländern. Dadurch soll Spekulationen gegen Schuldenländer wie Griechenland und Portugal der Boden entzogen werden.
Merkel: Rettungsschirm reicht nicht aus
Trichet forderte von den Regierungen einen "Quantensprung" in der Überwachung der Wirtschaftspolitik. Europa befinde sich "in der schwierigsten Situation seit dem Zweiten Weltkrieg, vielleicht sogar seit dem Ersten". Auch nach Ansicht von Bundeskanzlerin Angela Merkel reicht der Euro-Rettungsschirm nicht aus. Einige Euro-Länder müssten ihre Finanzen ordnen und wettbewerbsfähiger werden, sagte sie der "Süddeutschen Zeitung".
Langfristig lasse sich die Stabilität des Euro nur sichern, wenn Europa in der Finanzpolitik weiter zusammenrücke, sagte die CDU-Vorsitzende. Nach einem Bericht der "Wirtschaftswoche" will die Bundesregierung auf scharfe Sanktionsmechanismen dringen. Finanzminister Wolfgang Schäuble werde am Freitag in einer EU-Arbeitsgruppe ein Dutzend Maßnahmen vorschlagen, darunter den Entzug des Stimmrechtes für ein Jahr und ein Bußgeld bei einem vorsätzlichen Verstoß gegen EU-Wirtschafts- und Währungsrecht
Österreichs Finanzminister Josef Pröll sprach sich vor dem Euro-Finanzministertreffen am Montag für eine europäische Schuldenbremse aus. Diese würde zu einer klaren Deckelung neuer Schulden, strikter Haushaltsdisziplin und letztlich zu ausgeglichenen Etats führen, sagte er der Zeitung "Die Welt", Außerdem würde sie Spekulanten den Nährboden entziehen.
Quelle: ntv.de, rts