Wirtschaft

Griechen befürchten "soziale Unruhen" EZB kennt nur ein Sorgenkind

Am Tag vor einem weiteren Treffen der Euro-Finanzminister appelliert EZB-Chef Trichet an "alle Griechen", die Sparbemühungen ihrer Regierung zu unterstützen. Die Bevölkerung geht davon aus, dass die bisher bekannten Einschnitte nicht ausreichen. Das Land steht vor einer harten Zerreißprobe.

Steuern auf Tabak, Spirituosen und Treibstoffe drastisch erhöht: Land und Leuten stehen harte Zeiten bevor (Archivbild).

Steuern auf Tabak, Spirituosen und Treibstoffe drastisch erhöht: Land und Leuten stehen harte Zeiten bevor (Archivbild).

(Foto: REUTERS)

Euro / US-Dollar
Euro / US-Dollar 1,19

Einen Tag vor europäischen Beratungen über die Griechenland-Krise erhöht die Europäische Zentralbank (EZB) den Druck auf Griechenland. EZB-Präsident Jean-Claude Trichet forderte von der Regierung in Athen weitere Schritte, um dem Programm zum Abbau seines riesigen Etatdefizits Glaubwürdigkeit zu verleihen. Das verlangten auch die europäischen Partner.

"Alle Griechen müssen erkennen, dass sie den außer Kontrolle geratenen Kurs korrigieren müssen", sagte Trichet am Sonntagabend im französischen Fernsehen. Der EZB-Chef zeigte sich zudem überzeugt, dass Griechenland das einzige Sorgenkind der Euro-Zone ist. Durch die Sorgen um Griechenland waren in den vergangenen Tagen auch die finanzielle Situation anderer Euro-Länder wie Portugal, Italien und Spanien in den Vordergrund gerückt. Marktbeobachter sehen zumindest aus Madrid und Lissabon vergleichbare Probleme auf die Währungsunion zurollen.

Die Finanzminister der Euro-Gruppe beraten am Montag über das Sanierungsprogramm der griechischen Regierung, über das dann alle 27 Chefs der Finanzressorts der Europäischen Union am Dienstag abschließend entscheiden werden. Die Regierung in Athen hat dem Land mit dem Plazet der EU eine Rosskur verordnet, um das Defizit von jetzt 12,7 Prozent binnen drei Jahren auf die zulässigen drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu senken. Nach Informationen des "Handelsblatt" lehnt eine Mehrheit der EU-Finanzminister die Forderung der EZB nach noch härteren Sparauflagen ab.

Trichet machte in dem Interview des französischen Fernsehsenders LCI deutlich, dass die EZB lediglich ein Problem mit Griechenland habe. Es gebe keinen Grund zum Zweifel an anderen Ländern, sagte der EZB-Präsident auf Fragen nach Spanien und Portugal. Die beiden Länder auf der Iberischen Halbinsel sind ebenfalls hoch verschuldet. Einige Ökonomen gehen mittlerweile sogar davon aus, dass die Finanzkrise in Spanien die Gemeinschaftswährung Euro stärker gefährden könnte als die Turbulenzen in Griechenland.

Deutlich mehr Rückhalt als die Opposition: Giorgos Papandreou.

Deutlich mehr Rückhalt als die Opposition: Giorgos Papandreou.

(Foto: dpa)

Die schwere Finanzkrise in Griechenland schürt immer wieder die Sorge über ein Auseinanderfallen der Euro-Zone. Der Chef der Euro-Gruppe und luxemburgische Ministerpräsident Jean-Claude Juncker mahnte deshalb, die Unterschiede zwischen den Ländern der Währungsunion nicht zu groß werden zu lassen. "Wir müssen aufpassen, dass die Divergenzen nicht immer breiter werden", sagte Juncker am Wochenende. Während er Hilfen bei einer Umschuldung in Aussicht stellte, warnte der frühere Chef-Volkswirt der Europäischen Zentralbank (EZB), Otmar Issing, davor.

In Griechenland wachsen angesichts der weltweiten Aufmerksamkeit für die Haushaltsprobleme des Landes auch die Sorgen in der breiten Öffentlichkeit weiter an. Einer Umfrage zufolge bewerten die Griechen den Sparkurs ihrer Regierung als notwendig, aber unzureichend. Wie aus einer in der Zeitung "Proto Thema" am Sonntag veröffentlichten Befragung hervorgeht, erachten 65 Prozent der Griechen die Rosskur als erforderlich. Aber nur 41 Prozent der Befragten denken, dass die Pläne genügen, um das Land aus der Schuldenkrise zu führen.

Knapp 56 Prozent sind der Meinung, dass die Angestellten im öffentlichen Dienst trotz der Haushaltskürzungen weiterhin besser gestellt sind als die Arbeitnehmer im Privatsektor. Fast 64 Prozent sehen die Politiker als die Hauptschuldigen für die Haushaltsmisere. Nach Ansicht von knapp 61 Prozent der Befragten geht das Krisenmanagement von Ministerpräsident Giorgos Papandreou aber in die richtige Richtung.

Vize-Präsident mit Insider-Kenntnissen

Griechenland ist hoch verschuldet und muss für Kredite immer höhere Zinsen zahlen. Im Frühsommer muss es erneut versuchen, auf den internationalen Kapitalmärkten an Geld zu kommen. Die EU hat dem Land bislang keine konkrete Hilfe in Aussicht gestellt, aber von grundsätzlicher Solidarität gesprochen. Der derzeitige Vize-Präsident der Europäischen Zentralbank, Lucas D. Papademos, war im Vorfeld der Euro-Einführung von 1994 bis 2002 Präsident der griechischen Zentralbank. Zuvor war unter anderem als Chefökonom der griechischen Nationalbank unter anderem mit der Beobachtung der griechischen Geld- und Wirtschaftspolitik betraut.

An was denkt Lucas D. Papademos?

An was denkt Lucas D. Papademos?

(Foto: REUTERS)

Vergangene Woche hatte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble Papademos einem Zeitungsbericht als EU-Sonderbeauftragten für Griechenland vorgeschlagen. Schäuble habe sich gegenüber den übrigen EU-Staaten für den 62-jährigen Griechen ausgesprochen, berichtetet die "Rheinischen Post". Die Zeitung berief sich auf Brüsseler EU-Kreise sowie Regierungskreise.

Die EU strebe die Einsetzung eines Sonderbeauftragten für Griechenland an, um die Konsolidierungsschritte der Athener Regierung für die Sanierung des Staatshaushaltes zu überwachen, berichtete die Zeitung weiter. Als potenzieller Nachfolger für den im Mai aus dem Amt scheidenden EZB-Vizechefs Papademos wird unter anderem der Portugiese Vitor Constancio gehandelt.

Griechen befürchten soziale Unruhen

Einer weiteren Umfrage zufolge befürchtet die Mehrheit der Griechen, dass es wegen des Sparprogramms zur Eindämmung der enormen Schulden des Landes zu Unruhen kommen könnte. Nach einer repräsentativen Umfrage, die die Athener Zeitung "Kathimerini" ebenfalls am Sonntag veröffentlichte, sind 80 Prozent der Befragten der Ansicht, dass dem Land in den kommenden Monaten "intensive Streiks" und zu "soziale Unruhen" bevorstehen.

Den regierenden Sozialisten unter Ministerpräsident Giorgos Papandreou trauen diesen Angaben zufolge noch 40 Prozent der Befragten die Führung des Landes aus der Krise zu. Nur sieben Prozent glauben, die im Oktober vergangenen Jahres abgewählten Konservativen der Nea Dimokratia könnten dies besser.

Die regierenden Sozialisten haben Lohnkürzungen angekündigt, die nach Ansicht der Gewerkschaften ein Ausmaß von bis zu 20 Prozent erreichen könnten. Anfang des Monats waren die indirekten Steuern auf Tabak, Spirituosen und Treibstoffe drastisch erhöht worden.

Zudem soll es Kürzungen bei den Renten und eine Erhöhung des Rentenalters geben. Die Gewerkschaften kündigten massiven Widerstand an. Am 24. Februar stehen im ganzen Land umfangreiche Streiks an. Ab Dienstag wollen die Zollbeamten für drei Tage streiken.

Quelle: ntv.de, mmo/AFP/dpa/rts

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