Wirtschaft

Kampf gegen die Krise EZB setzt auf Liquidität

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Mit starker Hand gegen die Krise: EZB-Chef Trichet

(Foto: dpa)

Die Europäische Zentralbank setzt ihren Kampf gegen die Wirtschaftskrise ungeachtet eines rekordniedrigen Leitzinses fort. Ihr neues Rezept: Der Kauf von Pfandbriefen. Damit verlässt die EZB erstmals ihren geldpolitischen Kurs. Dies geschehe aber ohne Druck von außen, versicherte EZB-Chef Trichet Bundeskanzlerin Merkel.

Ab Juli werde die EZB Pfandbriefe im Gesamtvolumen von bis zu 60 Mrd. Euro an den Finanzmärkten aufkaufen und auf diese Weise zusätzliche Liquidität in das Finanzsystem pumpen, sagte Notenbank-Chef Jean-Claude Trichet in Frankfurt. Zuvor hatte die EZB ihren Leitzins bei einem Prozent belassen.

Telefonat mit Merkel

In einem Telefonat mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wies Trichet den Vorwurf zurück, die Europäische Zentralbank lasse sich bei ihren Entscheidungen von außen beeinflussen. "Ich war sehr glücklich darüber, dass die Kanzlerin unsere Unabhängigkeit voll und ganz unterstützt und unsere Arbeit gewürdigt hat", sagte Trichet. Das Gespräch habe am Mittwoch stattgefunden.

Merkel hatte der EZB vorgeworfen, dass sich die Notenbank mit dem geplanten Kauf von Pfandbriefen dem "internationalen Druck etwas gebeugt" habe. "Alles, was wir tun, machen wir ohne jeden Einfluss oder Druck", entgegnete Trichet. "Wir entscheiden auf Basis unserer eigenen Urteile." Die EZB habe politischem Druck immer widerstanden. So seien 2004 Forderungen des damaligen Bundeskanzlers Gerhard Schröder nach Zinssenkungen zurückgewiesen worden.

Das Programm, mit dem die EZB ihren geldpolitischen Kurs zum ersten Mal in ihrer Geschichte verlässt und in die Fußstapfen anderer wichtiger Zentralbanken wie der US-amerikanischen Federal Reserve und der Bank von England tritt, soll spätestens im Juni 2010 enden. Gekauft würden nur Pfandbriefe (Covered Bonds) bester und guter Bonität aus verschiedenen Ländern der Währungsunion mit Laufzeiten zwischen drei und zehn Jahren, sagte Trichet. Derzeit gebe es noch keine endgültige Entscheidung darüber, wie das dafür aufgewandte Geld wieder aus dem System abgezogen werde solle. Manche Experten fürchten, dass zusätzliche Liquidität, die durch die Maßnahmen der EZB in den Wirtschaftskreislauf gepumpt wird, die Inflationsgefahr erhöht.

Strategie im Hinterkopf

Trichet versuchte, die Gemüter zu beruhigen. Es gebe eine Strategie für den Ausstieg aus der Politik des billigen Geldes. Sobald sich die Konjunktur beginne zu erholen, werde die EZB diese nutzen. Der EZB-Rat rechne damit, dass sich die Konjunktur zum Jahreswechsel stabilisiere und im kommenden Jahr eine leichte Erholung zum Tragen kommen werde. "Jüngste Umfragedaten lassen darauf schließen, dass nach zwei Quartalen mit sehr negativen Wachstumsvorzeichen im weiteren Verlauf des Jahres die wirtschaftliche Aktivität nicht mehr so stark nachlassen wird. Positive Quartalswachstumsraten sind allerdings erst Mitte 2010 zu erwarten", sagte Trichet.

Die Ökonomen der EZB senkten dennoch ihre Prognosen für die Wirtschaftsleistung in diesem und im kommenden Jahr. Dies sei einem negativen Überhang aus dem Vorjahr und dem extrem schwachen ersten Quartal geschuldet, sagte Trichet. Bei der Teuerung sieht die EZB derzeit keine Gefahr - weder für einen Inflations-, noch für einen Deflationsschub. Aufgrund von Basiseffekten durch den Rückgang der Öl- und Rohstoffpreise im Vergleich zum vergangenen Jahr bleibe die Teuerung niedrig und könne sogar für einige Monate in negatives Terrain abgleiten.

Während Bankenverbände die Politik der Notenbank lobten, sieht DGB-Chefvolkswirt Dierk Hirschel in dem Beschluss, die Zinsen nicht mehr weiter zu kappen, eine "verpasste Chance". Die EZB ignoriere die "akute" Gefahr einer Deflationsspirale aus sinkenden Preisen und weiter nachlassender Konjunktur. Zudem würden die Geschäftsbanken die Leitzinssenkungen der EZB nicht an die Kunden weitergeben und so die Gefahr einer Kreditklemme erhöhen. Trichet sagte hingegen, nach seiner Beobachtung würden die lockeren Refinanzierungsbedingungen von den Banken sehr wohl an die Kunden weitergereicht.

BoE: Politik der ruhigen Hand

Auch die britische Notenbank ließ ihren Leitzins wie erwartet unverändert. Der Leitzins liege weiterhin auf dem Rekordtief von 0,5 Prozent, teilte der geldpolitische Ausschuss der Bank of England (BoE) in London mit. Bei ihren Anleihenkäufen beließ die Bank of England ebenfalls alles beim Alten.

"Der geldpolitische Ausschuss geht davon aus, dass das angekündigte Programm binnen zwei Monaten beendet sein wird", erklärten die Währungshüter. Die BoE hatte das Volumen der Ankäufe von Staatsanleihen (Gilts) und anderen Wertpapieren erst im Mai um 50 auf insgesamt 125 Mrd. Pfund aufgestockt, um die Kreditklemme mit frischem Geld zu lösen.

Damit hat die BoE den von der Regierung gesteckten Rahmen von maximal 150 Mrd. Pfund noch nicht ausgeschöpft. Experten rechnen jedoch damit, dass die Notenbank bei Bedarf nachlegen wird. "Trotz wirtschaftlicher Stabilisierungstendenzen gibt es noch viele Hindernisse auf dem Weg zu nachhaltigem Wachstum. Künftig könnte die Zentralbank das Volumen daher durchaus ausweiten", meint Ökonom Howard Archer von IHS Global Insight. Die Notenbank hielt sich in ihrer knapp gehaltenen Erklärung zumindest eine Hintertür für weitere Maßnahmen offen: "Die Größenordnung des Programms wird weiterhin geprüft."

Niedrige Zinsen verbilligen Kredite für Unternehmen und Verbraucher und können so die Wirtschaft ankurbeln. Sparguthaben werden jedoch ebenfalls niedriger verzinst.

Quelle: ntv.de, sla/dpa/rts

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