Streit um US-Geldpolitik EZB will nicht mitmischen
04.11.2010, 16:34 Uhr
Sieht kein falsches Spiel: EZB-Chef Jean-Claude Trichet
(Foto: dpa)
Die Europäische Zentralbank will sich aus dem Streit um die Geldpolitik der US-Notenbank Fed soweit es geht raushalten. EZB-Chef Trichet sieht zumindest keinen Anzeichen dafür, dass die USA den Dollar vorsätzlich niedrig halten. Er gehe davon aus, dass ein starker Dollar im Interesse der USA sei. Fed-Chef Bernanke verteidigt derweil seinen geldpolitischen Kurs.
EZB-Präsident Jean-Claude Trichet versucht, die europäische Notenbank aus dem Streit um die weltwirtschaftlichen Folgen der US-Geldpolitik herauszuhalten. "Ich habe keine Anzeichen dafür, dass der Chef der Federal Reserve oder der Finanzminister - oder sogar der Präsident der USA - das Spiel des schwachen Dollars spielen", sagte der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB) bei einer Pressekonferenz im Anschluss an die reguläre Zinssitzung des EZB-Rats in Frankfurt. Den Leitzins beließen die Währungshüter erwartungsgemäß bei einem Prozent.
In den USA hatte am Vorabend die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) eine neue mehr als 600 Mrd. Dollar schwere Liquiditätsspritze für die lahmende US-Wirtschaft beschlossen und den Dollar damit auf Talfahrt geschickt. Seitdem reißt die internationale Kritik an der Billiggeldpolitik der USA nicht ab. Viele Länder fürchten, dass ihre Währungen über Kapitalimporte aus den USA aufwerten und die heimische Wirtschaft in Bedrängnis bringen. In Berlin äußerte sich auch Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) kritisch zum Vorgehen der Fed. Er habe Zweifel, dass das Gelddrucken der US-Notenbank Fed die Konjunktur ankurbeln werde, sagte er: "Es reicht nicht, allein das Wasser hinzustellen. Die Pferde müssen auch saufen."
Zweifel an der Fed
US-Notenbankchef Ben Bernanke hat derweil den umstrittenen geldpolitischen Kurs der Federal Reserve gegen scharfe Kritik verteidigt. Der Kauf von Staatsanleihen für 600 Mrd. Dollar könne durchaus die lahmende Konjunktur ankurbeln, schrieb Bernanke in einem Beitrag für die "Washington Post". "Dieser Ansatz hat die finanziellen Rahmenbedingungen in der Vergangenheit entspannt und bislang sieht es so aus, als wäre er abermals wirkungsvoll."
Die Aktienmärkte bewegten sich nach der seit längerem erwarteten Ankündigung kaum. Es gibt starke Zweifel an der Wirksamkeit des Manövers. Nach Expertenmeinung hält der gigantische private Schuldenberg die Amerikaner von Käufen ab. Niedrigere Zinsen seien deshalb wirkungslos. Andere sorgen sich auf lange Sicht wegen ausufernder Inflation. Zudem wird eine Verschärfung der weltweiten Währungsungleichgewichte befürchtet. So hat der Dollar in Erwartung der Fed-Intervention seit Ende August gegenüber dem Euro etwa zehn Prozent an Wert verloren.
"Obwohl der Kauf von Vermögenswerten ein relativ unbekanntes geldpolitisches Werkzeug ist, sind einige Befürchtungen übertrieben", erklärte Bernanke dazu. Allerdings könne die Fed die Probleme des Landes nicht allein lösen. "Das wird gemeinsame Anstrengungen vieler Seiten benötigen, darunter der Zentralbank, des Kongresses, der Regierung, Aufsichtsbehörden und der Privatwirtschaft."
"USA an starkem Dollar interessiert"
Trichet sagte, er gehe weiter davon aus, dass ein starker Dollar im Interesse der USA sei, wie es Vertreter der weltgrößten Volkswirtschaft immer wieder betonten. "Ich teile diese Ansicht. Ich habe keinen Grund ihnen nicht zu trauen", bekräftigte Trichet. Zur starken Abwertung des Dollar nach dem Beschluss der Fed wollte sich Trichet nicht äußern. Die EZB ziehe bei ihren Entscheidungen stets alle verfügbaren Parameter in Betracht, also auch die Folgen der neuen geldpolitischen Lockerung in den USA. Die Fed zielt mit der zusätzlichen Geldschwemme auf den US-Arbeitsmarkt ab. In den Vereinigten Staaten haben derzeit fast 15 Millionen Menschen keinen Job; die Arbeitslosenquote liegt bei für die USA ungewöhnlich hohen 9,6 Prozent.
Während die Fed neue Milliarden über Anleihekäufe in die Wirtschaft pumpt, hat die EZB in den vergangenen drei Wochen keine Staatsanleihen von Schuldenländern wie Griechenland, Portugal und Irland mehr gekauft. Trichet betonte jedoch, dass das im Mai aufgelegte Programm trotzdem noch nicht beendet worden sei. Es ist in- und außerhalb der EZB sehr heftig umstritten. Zuletzt hatte Bundesbank-Präsident Axel Weber, einer der prominentesten Kritiker, es als Fehler bezeichnet und ein sofortiges Ende gefordert. Er war daraufhin von Trichet in aller Öffentlichkeit gerüffelt worden.
Vor der EZB hatte am Mittag bereits die Bank von England ihren Leitzins bei 0,5 Prozent bestätigt. Sie verzichtete im Gegensatz zur Fed darauf, abermals die Notenpresse anzuwerfen. Die Briten hatten im Kampf gegen Finanzkrise und Rezession für insgesamt 200 Mrd. Pfund Staatsanleihen erworben. Zuletzt war zwar am Finanzmarkt gemutmaßt worden, die BoE könne dieses Programm reaktivieren - jüngste Konjunkturdaten überraschten jedoch positiv und zerstreuten entsprechende Spekulationen in den vergangenen Tagen.
Quelle: ntv.de, sla/rts/dpa