Wirtschaft

"Zuckerbrot und Peitsche" EZB zur Fonds-Debatte

Bei der Europäischen Zentralbank führt der Vorschlag zur Gründung eines Europäischen Währungsfonds zu öffentlich ausgetragenen Meinungsverschiedenheiten. Ausgerechnet die beiden deutschen Vertreter lehnen einen EWF ab. Alles nur Strategie?

Jean-Claude Trichet ist nicht völlig abgeneigt.

Jean-Claude Trichet ist nicht völlig abgeneigt.

(Foto: REUTERS)

Die EZB hält sich in der Debatte um einen Europäischen Währungsfonds alle Optionen offen. Lange war unklar, was die Zentralbank von der von der EU forcierten Idee eines Fonds hält, um Schuldenstaaten wie Griechenland im Notfall unter die Arme zu greifen. Doch dann legte sich Notenbank-Chef Jean-Claude Trichet fest: "Der EZB-Rat lehnt das nicht völlig ab zum gegenwärtigen Zeitpunkt."

Allerdings forderte er mehr Details, wie ein solcher EWF funktionieren kann. Bundesfinanzminister machte da schon einmal den Anfang. Die paar Worte verschaffen Trichet nicht nur Zeit, sondern erhöhen auch die Manövrierfähigkeit der Euro-Hüter in der politisch heiklen Frage.

Zentralbanker sind keine Entscheider

Trichets Äußerung macht zugleich das Dilemma der Zentralbanker in der Sache deutlich, in der sie am Ende nichts zu entscheiden haben. "Die EZB nutzt in der Debatte um den EWF Zuckerbrot und Peitsche", meint Commerzbank-Analyst Michael Schubert und verweist zur Begründung auf einen EZB-Chefvolkswirt Jürgen Stark, der mit einem Zeitungsbeitrag aufhorchen ließ. Stark nahm die EWF-Idee darin mit markigen Worten auseinander. War es ein Alleingang des Deutschen? Niemand weiß es. Im Nachhinein könnte sich dieser Frontalangriff auch als strategischer Kniff herausstellen.

Nach Stark betrat am Dienstag auch Bundesbank-Präsident Axel Weber die Bühne und fand schon wesentlich moderatere Töne als der Chefökonom, der sich nahe der US-Hauptstadt Washington aufhielt, als sein Brandbrief für Furore sorgte. Weber blieb zur EWF-Idee von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble zwar klar auf Distanz und hält einen Notfall-Fonds für unnötig, weil die Schulden- und Defizitregeln bei konsequenter Anwendung schon jetzt ausreichten. Sollte der Fonds aber eine Stärkung des Stabilitäts- und Wachstumspaktes bringen, dann könne er sich damit anfreunden, ließ er wissen - ungewohnt konziliant und spürbar bereits im Wahlkampf um die Nachfolge Trichet im Herbst 2011. "Ich bin mit jedem Plan B einverstanden, der eine Stärkung von Plan A beinhaltet", erklärte er.

Fantasie-Fonds

Trichet selbst reichte das Problem EWF elegant an seinen noch nicht benannten Nachfolger weiter: "Das ist eine Idee für morgen oder übermorgen." Und Luxemburgs Zentralbankchef Yves Mersch spielte den Ball gleich ganz zurück ins Feld der Politik: "Es sollte nicht verboten sein, die Währungsunion mit einem weiteren Transfer von Souveränität zu erweitern, aber das ist eine Entscheidung der Politik", erklärte er. Mersch nutzte zugleich die Gelegenheit für einen Seitenhieb gegen jene Staats- und Regierungschefs, die einen Notfonds im Waffenarsenal der EU im Kampf gegen Finanzprobleme haben wollen: "Wenn man kein Geld hat, gibt es immer viel Fantasie."

Es bleibt nach dem diplomatischen Drahtseilakt Trichets das Befremden vieler über EZB-Chefökonom Stark. "Er könnte sich einen Bärendienst erwiesen haben", unkt ein Ökonom einer großen ausländischen Privatbank, der nicht namentlich genannt werden wollte. Denn sollte Bundesbank-Chef Weber 2011 das Rennen um die Nachfolge Trichets für sich entscheiden, müsste Stark wohl weichen. Er könnte dann mit Weber die Plätze tauschen, spekulieren nicht wenige; oder zur Mitte der Legislaturperiode Finanzminister Schäuble beerben. In beiden Fällen braucht Stark das Ja von Kanzlerin Angela Merkel.

Doch die gehört zu den prominentesten Fürsprechern eines Währungsfonds in Europa. Aus Sicht von Citigroup-Volkswirt Jürgen Michels wird sie aber womöglich gar nicht nachtragend sein. Ganz im Gegenteil könnte Starks harscher Ton nach Ansicht Michels sogar gut ins Berliner Kalkül passen. Denn der EWF soll ja den Beteuerungen zufolge möglichst kein Vehikel für einen europäischen Finanzausgleich und schon gar kein Fass ohne Boden werden. Michels sagt: "Die Deutschen wollen mit Sicherheit einen bissigen Tiger und keinen Papiertiger." 

Quelle: ntv.de, rts

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