Land der aufgehenden Hoffnungen Eine große Chance für Japan
03.06.2010, 11:35 UhrKrisen sind kein guter Zeitpunkt für Personalien? Mitnichten. Manch ein Wechsel ist am Ende bekömmlicher als man denkt. So setzen Analysten nach dem Abgang des japanischen Regierungschefs Hatoyama große Hoffnungen auf seinen möglichen Nachfolger Kan. Er könnte die Schuldenbekämpfung endlich deutlich voranbringen.
Eine gigantische Staatsverschuldung, hartnäckig fallende Preise, eine alternde Gesellschaft: Japans Ministerpräsident Yukio Hatoyama hinterlässt nach seinem Rücktritt alle Zutaten für eine Krise. Doch die Märkte jubeln. Sie räumen seinem mutmaßlichen Nachfolger, Finanzminister Naoto Kan, deutlich höhere Chancen ein, die Probleme in den Griff zu bekommen und mit dem Abbau des Schuldenberges zu beginnen.
Ratingagenturen machen Druck
Ratingagenturen haben bereits damit gedroht, Japan die Top-Bewertung zu entziehen, wenn nicht bald Sparpläne vorgelegt werden. Eigentlich sollten bis Ende Juni die Vorschläge zur Reform des Haushalts stehen. Die Bank von Japan befürchtet nun, dass das politische Vakuum diesen Zeitplan in Gefahr bringt. Doch Kan gilt als ein Befürworter harter Einschnitte. So hatte er sich kürzlich für Obergrenzen bei der Schuldenaufnahme ausgesprochen, um die Verschuldung in den Griff zu bekommen. "Die Lage in Griechenland und in der Euro-Zone zeigt, was passiert, wenn die Märkte das Vertrauen in ein Land verlieren", hatte er seine Haltung begründet. "Das bedeutet riesige Gefahren für die Lebensumstände der Bevölkerung." Bei Hatoyama war er damit auf taube Ohren gestoßen, wohl auch aus Furcht, allzu harte Einschnitte könnten den Erfolg seiner Demokratischen Partei bei den Oberhauswahlen im Juli gefährden.
Auf diese Befürchtungen dürfte Kan weniger Rücksicht nehmen. Er hat auch Steuererhöhungen nicht ausgeschlossen, um den Haushalt in den Griff zu bekommen. Nach den nächsten Unterhauswahlen, die 2013 anstehen, könnte es zu einer Erhöhung der Mehrwertsteuer kommen, die derzeit bei fünf Prozent liegt. Das dürfte zwar den Konsum belasten, der seit Jahren schwächelt - Analysten gehen jedoch davon aus, dass kein Weg um höhere Verbrauchssteuern herumführt.
Maßnahmen gegen Deflation überfällig
Die Binnenwirtschaft wird auch durch die anhaltende Deflation belastet. Die Verbraucher halten sich bei sinkenden Preisen mit ihren Einkäufen zurück, weil sie auf noch günstigere Schnäppchen hoffen. Die Unternehmen senken darauf ihre Preise weiter, das kostet zunächst Gewinnmargen und später Arbeitsplätze oder sogar die Existenz ganzer Firmen. Die Regierung in Tokio und besonders Kan üben seit längerem Druck auf die Bank von Japan aus, mehr gegen die Deflation zu tun. Doch der Leitzins liegt bereits nahe Null. Dazu kommen unkonventionelle Maßnahmen wie ein Kreditprogramm für Branchen mit Wachstumspotenzial. Die Notenbank ist der Meinung, dass das im Kampf gegen die sinkenden Preise reicht. Die Aussicht auf eine politische Hängepartie dürfte der Bank von Japan etwas Luft geben, keine weiteren Schritte einzuleiten.
Noch hat Japan keine Schwierigkeiten, seine Anleihen auf den Markt zu bringen, trotz der Rekordschulden von 217,7 Prozent der Wirtschaftsleistung im vergangenen Jahr, die der Internationale Währungsfonds errechnet hat - in Griechenland sind es "nur" 115,1 Prozent. Grund dafür ist die hohe Sparquote in Japan, viele Verbraucher nutzen Staatsanleihen zur Altersvorsorge. Das ändert sich aber langsam: Die Bevölkerung altert, viele Rentner bestreiten mit ihrem Ersparten den Lebensunterhalt. Wegen der fallenden Einkommen sparen auch junge Menschen weniger. Die Schonfrist läuft damit langsam aber sicher aus: "Unserer Einschätzung nach ist die Gefahr gering, dass es in nächster Zeit zu einer Schuldenkrise kommt", verlautete der IWF jüngst. "Aber wie klein das Risiko auch ist, so ist es doch zuletzt gestiegen. Das heißt, dass ein Gegensteuern nötig ist."
Quelle: ntv.de, rts