Wirtschaft

Im Schatten von Trump Es läuft in der Eurozone

Führt die EZB: Mario Draghi.

Führt die EZB: Mario Draghi.

(Foto: REUTERS)

Während Donald Trump die Aufmerksamkeit auf sich zieht, erholt sich die Eurozone still und leise. EZB-Chef Mario Draghi kann das Getöse aus Übersee nur recht sein – denn es hilft ihm, die Zinsen niedrigzuhalten.

Glaubt man dem US-Präsidenten, dann ist es um die Wirtschaft in den USA schlecht bestellt: Ein riesiges Infrastrukturprogramm, massive Steuersenkungen, zahlreiche Deregulierungen müssen her, um Amerika wieder groß zu machen. Donald Trump will all das gegen alle Widerstände umsetzen und verspricht einen gigantischen Boom.

Auf der anderen Seite des Atlantiks ist es dagegen stiller. Und inmitten des Getöses von Trump wird leicht übersehen, dass die Eurozone die USA in Sachen wirtschaftlicher Entwicklung überholt.

In Zahlen ausgedrückt: Im vergangenen Jahr legte das Bruttoinlandsprodukt der Eurozone um 1,7 Prozent zu, während es in den USA mit einem Plus von 1,6 Prozent so gering wuchs wie zuletzt vor fünf Jahren.

Zudem nahm die Wirtschaft im gemeinsamen Währungsraum an Fahrt auf und wuchs im vierten Quartal im Vergleich zum Vorquartal um 0,5 Prozent. Das könne sich durchaus sehen lassen, sagte Thomas Gitzel, Chefökonom bei der Liechtensteiner VP Bank. Zum Vergleich: Das Bruttoinlandsprodukt in den USA legte (nach europäischen Standards berechnet) im letzten Quartal 2016 um 0,4 Prozent zu.

Die jüngsten Konjunkturdaten und –indikatoren der Eurozone sind durchaus ermutigend. Der Arbeitsmarkt erholt sich weiter, im gemeinsamen Währungsraum sind mit 9,6 Prozent so wenige Menschen ohne Beschäftigung wie seit über sieben Jahren nicht mehr.

"Sensationell"

Der Sammelindex für die Produktion der Privatwirtschaft der Eurozone, der Industrie und Dienstleistungen umfasst, lag im Januar bei 54,4 Zählern, wie das IHS Markit Institut berichtete. Der höchste Stand seit fünfeinhalb Jahren, der im Dezember erreicht worden war, wurde damit bestätigt. Ein weiteres Beispiel: Die deutsche Industrie hat das Jahr 2016 mit einem dicken Auftragsplus abgeschlossen. "Was für ein sensationell starkes Quartal im verarbeitenden Gewerbe", sagte Ulrike Kastens von Sal. Oppenheim. "Selbst bei den Stimmungsindikatoren war ein solcher Zuwachs nicht zu erwarten."

Derweil traut beispielsweise das Ifo-Institut der Eurozone einen weiteren Aufschwung zu. Das Barometer für das Wirtschaftsklima kletterte im ersten Quartal um 9,0 auf 17,2 Punkte. "Die konjunkturelle Erholung nimmt Fahrt auf", sagte Ifo-Präsident Clemens Fuest mit Blick auf die Umfrage unter 340 Fachleuten.

Also alles eitel Sonnenschein? Mitnichten. Italiens Bankensektor bleibt ein immenses Risiko, und auch Portugals Institute müssen von der Last fauler Kredite befreit werden. Ein Ende der Krise in Griechenland ist nicht in Sicht. Obwohl in Spanien die Wirtschaft kräftig wächst, ist die Arbeitslosigkeit dort noch immer hoch.

Die Eurozone ist jedoch offensichtlich dabei, sich von der tiefen Wirtschafts- und Finanzkrise zu erholen. Die ultralockere Geldpolitik der EZB trägt Früchte: Firmen und Haushalte leihen sich vermehrt Geld, sie investieren und konsumieren.

Der Kurs der EZB hat eine weitere wichtige Folge: Er schwächt den Euro. Das ist ein Segen für die Exporteure der Eurozone – und schadet beispielsweise US-Konzernen, die ihre Produkte im Euroraum verkaufen. Und so warf Peter Navarro, der Präsident Trump in Handelsfragen berät, Deutschland vor, die USA mit einer "extrem unterbewerteten impliziten Deutschen Mark" auszubeuten. Das sieht Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble zwar anders, doch auch er ist kein Freund der lockeren Geldpolitik der EZB.

Die EZB hat allerdings nicht vor, ihren Kurs schnell aufzugeben. Die Wirtschaft der Eurozone sei nach wie vor auf eine massive geldpolitische Unterstützung angewiesen, sagte EZB-Chefvolkswirt Peter Praet.

Dabei ist die Inflation im Währungsraum im Januar auf 1,8 Prozent nach oben geschnellt - insbesondere wegen des teureren Öls. Damit rückt die Teuerung im Euroraum sehr nahe an den Zielwert der Notenbank von knapp unter zwei Prozent heran. Deshalb steigt der Druck auf die EZB, die Geldpolitik zu verschärfen und die Zinsen bald wieder anzuheben. Dass die Konjunktur in der Eurozone wieder an Fahrt aufgenommen hat, macht es der EZB nicht leichter, diese Forderung zu ignorieren.

Vor diesem Hintergrund dürfte es Notenbankchef Mario Draghi sehr gelegen kommen, wenn Donald Trump weiter die öffentliche Aufmerksamkeit auf sich zieht – und von der robusten Entwicklung in der Eurozone ablenkt. Das macht es ihm leichter, die Zinsen nicht vorschnell zu erhöhen.

Quelle: ntv.de, mit rts/dpa

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