Firmen brauchen frisches Geld Europa stärker am US-Tropf
29.05.2012, 12:20 Uhr
Euro-Krise in Europa: Unternehmen, die Geld brauchen, besorgen es sich zunehmend in den USA.
(Foto: picture alliance / dpa)
Durch die Euro-Krise sitzt das Geld in Europa nicht mehr so locker wie früher. Das Wort "Kreditklemme" macht die Runde. Unternehmen, die auf frisches Kapital angewiesen sind, richten ihre Blicke deshalb verstärkt über den großen Teich. In den USA bekommen auch hochverschuldete Firmen noch Kredite.
Liquiditätshungrige europäische Unternehmen zapfen angesichts der Eurokrise inzwischen vermehrt den US-Markt für Kredite an. Das besser aufgestellte Bankensystem der USA ermöglicht die Kreditvergabe auch an relativ hochverschuldete Unternehmen. Europäische Unternehmen griffen seit Jahresbeginn in den USA bei besicherten, hochverzinslichen Krediten mit 14,4 Mrd. Euro zu, ergaben Daten der Analysten von S&P. Der Markt für diese Kredite an bonitätsschwache Unternehmen gibt diesen die Möglichkeit, sich noch zu refinanzieren. Angesichts des höheren Ausfallrisikos müssen sie dafür allerdings die Zahlung höherer Zinssätze in Kauf nehmen.
Die 14,4 Mrd. Euro gewährter Kredite übertreffen bereits heute die 6,7 Mrd. Euro vom gesamten Vorjahr um mehr als das Doppelte. Europas Kreditaufnahme in den USA befindet sich nahezu auf Rekordniveau: Seit 2007 haben stark verschuldete Unternehmen nicht mehr so stark gehebelte Darlehen in Übersee aufgenommen.
Trend könnte sich noch verstärken
Der Markt für diese Kredite reagiert besonders stark auf die europäische Staatsschuldenkrise. Normalerweise wird er nur für die Finanzierung von Fusionen und Akquisitionen genutzt. Jetzt, wo diese Transaktionen weitgehend ausbleiben, wird der Markt angegangen, um alte in neue Kredite umzuschichten.
Und der Trend zur Finanzierung jenseits des Atlantiks könnte andauern: Die Sorgen um Europa reißen nicht ab. Der Wahlausgang in Griechenland lässt die Märkte einen Ausstieg des Landes aus der Eurozone befürchten. Neuwahlen im Land wurden für den 17. Juni angesetzt.
Die spanische Bankengrippe
Derweil wühlen Ängste um die Gesundheit des Bankensystems in Spanien die Märkte zusätzlich auf. Im Gegensatz zu Griechenland ist Spanien als viertgrößte Ökonomie der Eurozone ein Schwergewicht innerhalb des gemeinsamen Währungsraums. Die Regierung in Madrid hat gerade die Verstaatlichung der notleidenden Geschäftsbank Bankia angekündigt. Der Schritt entfachte Spekulationen, ob die Sanierung von Spaniens Bankensektor nicht teurer wird und ob das Land dies alleine stemmen kann.
Doch der "europäische" Boom auf dem US-Markt für gehebelte Kredite entspringt nicht nur der Eurokrise. Auch die Knappheit an Hochzinspapieren von US-Firmen beflügelt diese transatlantischen Geschäfte. Die US-Nachfrage hilft den europäischen Firmen, ihre Finanzierung halbwegs im Griff zu halten.
Gefährliche Situation
Ein Risiko für liquiditätsknappe europäische Unternehmen besteht, wenn das Angebot von Hochzinskrediten durch US-Unternehmen wieder zulegt und den Geldfluss nach Europa weitgehend austrocknet. Das würde die Finanzierungsoptionen für die Europäer erheblich einschränken und Kreditkosten nach oben treiben. Europas Kreditmärkte seien nahezu geschlossen, und die Unternehmen fänden günstige Auswege nur außerhalb des Kontinents, sagt GoldenTree-Fondsmanager Frederick Haddad in New York.
Auch einige große Namen wenden sich derzeit in die USA. Beispiele sind der Betreiber der Rennserie Formel Eins und die Schweizer Chemiefirma Ineos Group. Ineos platzierte mehr als drei Viertel einer 3 Milliarden US Dollar schweren Emission in den USA. Die Eidgenossen wollten eigentlich einen größeren Anteil in Europa platzieren, merkten aber laut einer mit der Angelegenheit vertrauten Person schnell, dass einfach nicht genug Nachfrage besteht.
Die Finanzkrise in Europa dämpft den Appetit der europäischen Kreditgeber, riskante Darlehen zu vergeben. Viele potenzielle Geldgeber sind von eigenen Finanzierungsproblemen betroffen und müssen zudem mit den höheren Kapitalvorschriften kämpfen. Die Risikoneigung in Europa ist angesichts der lang anhaltenden Finanzturbulenzen deutlich eingeschränkt.
Ein anderes Bild bieten die USA: Hier stemmt sich die Wirtschaft besser gegen Rezessionstendenzen, und die Banken haben generell eine stärkere Kapitalposition. Deswegen fließen an die liquiditätshungrigen Unternehmen aus Europa auch dermaßen viele Gelder. Dabei bevorzugen die Kreditgeber Unternehmen mit einer makellosen Historie und solche mit einem einfach zu durchschauenden Geschäftsmodell, wie Robert Hetu sagt, Generaldirektor im Investmentbanking der Credit Suisse. Ein weiterer Grund für den Kapitalfluss: Die zunehmende Integration der europäischen und der US-Kreditmärkte.
Quelle: ntv.de, Dana Cimilluca, DJ