Hype, Optionen, Börsenpsychologie Wie tief fällt Facebook noch?
30.05.2012, 12:26 Uhr
Daumen rauf oder runter? Die Anleger neigen derzeit eher zu Letzterem.
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Daumen hoch oder Daumen runter? Die Anleger tendieren derzeit zu Letzterem.
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38 Dollar kostet eine Facebook-Aktie zum Börsengang. Die Marktkapitalisierung beträgt mehr als 104 Mrd. Dollar. Sieben turbulente Handelstage später ist ein Viertel des Börsenwerts dahin. Anleger sind verunsichert. Marktteilnehmer suchen nach Gründen.
Mit einer unglaublichen Euphorie und einer Marktkapitalisierung von 104,1 Mrd. Dollar startet Facebook an der Börse. Es ist der 18. Mai 2012. Nicht einmal zwei Wochen später ist von der Jubelstimmung um das größte IPO (Initial Public Offering) eines Internetunternehmens aller Zeiten nichts mehr übrig. Der Kurs liegt unter der 29-Dollar-Marke und ist damit nur noch ein Schatten des Ausgabepreises von 38 Dollar. Fast 25 Prozent Kursverlust. An der Börse spricht man bei so etwas von einem Kursrutsch. Der Börsenwert beträgt noch 79 Mrd. Dollar. Das sind die harten Fakten, die Facebook-Gründer und Großaktionär Mark Zuckerberg auch an seinem eigenen Geldbeutel spürt: Statt 19 Mrd. Dollar ist sein Anteil nur noch knapp 14,5 Mrd. Dollar wert. Ist damit der Boden erreicht?
Am Markt schüttelt man darüber den Kopf: "Ich kann mich an so einen drastischen Umschwung in der Stimmungslage in 15 Jahren nicht erinnern", sagt der Aktienhändler Keith Bliss dem "Wall Street Journal" (WSJ). Allein am Dienstag ging es für den Kurs knapp 10 Prozent nach unten. Der Grund dafür liegt in erster Linie am Start des Optionsgeschäfts. Damit können Anleger mit deutlich geringeren Einsätzen auf einen künftigen Kurs der Facebook-Aktie wetten. Das Interesse war hoch. Laut "WSJ" wurden 365.000 Optionen gehandelt, nur Apple-Terminkontrakte seien noch gefragter gewesen.
Optionen, Leerverkäufe, Aktien
Das Gros der Optionen spiegelte dabei den derzeit herrschenden Pessimismus rund um das Facebook-Papier wieder: Diejenigen, die darauf setzen, dass der Aktienkurs bis Januar 2014 65 Dollar erreicht, waren danach klar in der Minderheit. Die meisten der gehandelten Optionsscheine sind Kurzläufer (bis Mitte Juli) und implizieren einen Preis der zugrundeliegenden Aktie von 25 Dollar.
Auf fallende Kurse konnte bereits vor dem Start des Optionsgeschäfts gewettet werden - mit Hilfe sogenannter Leerverkäufe (Aktien verkaufen, ohne sie zu besitzen). Das Verlustrisiko ist dabei aber theoretisch unbegrenzt, bei Optionen kann es dagegen deutlich reduziert werden: Bei einer Put-Option, dem verbrieften Anrecht, eine Aktie zu einem späteren Zeitpunkt zu einem Festpreis verkaufen zu können, ist bei ungünstiger Entwicklung maximal der Preis für die Option verloren.
Wo ist der Boden?
Den Start des Optionshandels wurde am Aktienmarkt mit Argusaugen beobachtet. Vor allem bei kurzfristig orientierten Aktienhändlern rückte das Geschehen in den Fokus. Als sich dann abzeichnete, dass die meisten Optionen auf einen Kursrückgang setzten, seien sie auf den Zug aufgesprungen, sagt Experte Bliss dem "WSJ". "Die Momentumtypen entscheiden für sich, wohin sich eine Aktie bewegt und setzen dann auf diese Richtung, womit das zu einer selbsterfüllenden Prophezeiung wird."
Nackte Börsen-Psychologie ist es also, die den Facebook-Kurs derzeit nach unten treibt. Nackte Börsen-Psychologie war auch für den Hype vor dem Börsengang verantwortlich: Jeder wollte dabei sein, ein Stück vom großen Facebook-Kuchen abhaben: 900 Millionen Nutzer bieten eine einzigartige Zukunftsperspektive. Die Facebook-Gemeinde wäre als Nation der drittbevölkerungsreichste Staat der Welt nach China und Indien.
Dazu kommt - im Gegensatz zu manch anderem gehypten Internetunternehmen der einstigen New-Economy-Ära -, dass Facebook bereits Gewinne einfährt. 2011 waren es nach Angaben aus dem Börsenprospekt rund 1 Mrd. Dollar bei einem Umsatz von 3,71 Mrd. Dollar. Eine Marge, die an Hightech-Riesen wie Microsoft, Apple oder Intel heranreicht.
An diesen Zahlen hat sich seit dem Börsendebüt nichts geändert. Dennoch hat sich die grundlegende Stimmung Facebook gegenüber gedreht. Zugegeben ist bei 900 Millionen Nutzern das Wachstumspotenzial beschränkt. Aber das schert die Händler, Anleger und Investoren auch nicht, wenn es beispielsweise um Apple geht: Bei einer Marktkapitalisierung von rund 500 Mrd. Dollar erscheint eine nochmalige Kursverdopplung mehr als fraglich. Hier bietet Facebook mehr Potenzial.
Bleibt noch die Frage, ob das derzeitige Facebook-Kursniveau eine Bodenbildung darstellt. Eine Antwort darauf wäre reine Spekulation.
Quelle: ntv.de