Nullzins bleibt Fed lässt Zügel locker
27.04.2011, 19:04 Uhr
Zuletzt waren die Sitzungen der Fed eher eine dröge Angelegenheit: Die kurzen Mitteilungen sagten fast nichts, mit einem Zinsschritt rechnete sowieso keiner.
Die US-Notenbank lässt den Zins wie erwartet nahe Null. An den Börsen herrscht jedoch weiter angespannte Stimmung, denn US-Notenbankchef Ben Bernanke wird erstmals in der 97-jährigen Geschichte der Fed seinen Zinsbeschluss detailliert der Presse erläutern.
Die US-Notenbank Fed bleibt ungeachtet der Zinswende in Europa bei ihrer ultralockeren Geldpolitik. Die Zentralbanker um Fed-Gouverneur Ben Bernanke beschlossen, den Zins nahe Null zu belassen und die seit November laufenden milliardenschweren Staatsanleihenkäufe trotz des Wirtschaftsaufschwungs fortzusetzen.
Die wirtschaftliche Erholung setze sich mit moderatem Tempo fort, schrieben die Notenbanker, die Bedingungen am Arbeitsmarkt besserten sich schrittweise. Die höheren Preise für Energie und Rohstoffe hätten die Teuerungsrate nach oben getrieben, doch dieser Effekt sei nicht von Dauer.
Euro und Goldpreis legten nach der Zinsentscheidung kräftig zu. Die Gemeinschaftswährung markierte bei 1,4741 US-Dollar ihren bisher höchsten Stand in diesem Jahr. Der Goldpreis kletterte auf ein Rekordhoch von 1.523,18 US-Dollar je Feinunze.

Das soll sich jetzt ändern. Ben Bernanke will nach europäischen Vorbild wie EZB-Chef Trichet vor die Presse treten und soll dafür sogar ein Medientraining absolviert haben.
(Foto: dpa)
An den Märkten herrschte mit Blick auf die Pressekonferenz, die Notenbank-Präsident Bernanke im Anschluss an die Zinssitzung um 20:15 Uhr MESZ geben will, weiterhin Spannung. Der Fed-Chef könnte darin Hinweise auf seinen Kurs nach dem geplanten Auslaufen der geldpolitischen Lockerung im Juni geben - mit möglichen Auswirkungen auf den ohnehin unter Druck stehenden Dollar.
Neue Sitten bei der Fed
Ben Bernanke unterscheidet sich in mancher Hinsicht von seinem schillernden Vorgänger Alan Greenspan, ganz besonders aber in einem Punkt: seinem Verhältnis zu klaren Ansagen. Während Greenspan der Finanzwelt mit seinen wolkigen Äußerungen zur Geldpolitik durchaus mit voller Absicht oft Rätsel aufgab, hält sein Nachfolger von Orakelei eher wenig.
Gut fünf Jahre nach seinem Amtsantritt wird Bernanke an diesem Mittwoch Zentralbank-Geschichte schreiben, wenn er die erste Pressekonferenz der Fed gibt. Und was der mächtigste Notenbanker der Welt zu sagen haben wird, dürfte auf ganz besonderes Interesse stoßen.
Denn mit Spannung wird erwartet, ob Bernanke durchblicken lässt, was nach der im November begonnenen geldpolitischen Lockerung kommen wird. Denn im Juni soll das heftig umstrittene Manöver enden, bei dem die Zentralbank dann insgesamt für 600 Mrd. Dollar längerlaufende Staatsanleihen gekauft haben wird. Ziel der Aktion: Die Zinsen drücken, um die schwächelnde Nachfrage zu befeuern und gleichzeitig den Aktienmarkt anzuschieben. Zu den Kritikern zählte auch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble. "Ich glaube nicht, dass sie ihre Probleme damit lösen", mäkelte der CDU-Politiker seinerzeit.
Bei der Fed ist man da anderer Meinung. Das Programm, das seit November 85 Prozent aller vom Finanzministerium verkauften Schuldtitel aufsaugte, habe sich durchaus bewährt, sagten Zentralbank-Offizielle dem "Wall Street Journal": Das Gespenst der Deflation - ein Preisrückgang auf breiter Front - sei verscheucht, die Börsen brummen, weil Anleihen zu wenig abwerfen. Seit August, als Bernanke erstmals andeutete, massiv die Notenpresse anwerfen zu wollen, legte der S&P-500-Index um satte 28 Prozent zu.

Damit bricht er auch die Tradition seines Vorgängers, des Orakels Alan Greenspan, der sich stets in unverständlichen "greenspanesisch" an die Märkte wandte.
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Überdies: Zwar zählte der schwächelnde Dollar nicht zu den erklärten Zielen. Doch können die USA einen Exportschub dank einer billigeren Währung etwa gegenüber dem Euro gerade jetzt gut brauchen. Kritik, in der Folge hätten auch die Rohstoffpreise extreme Höhen erklommen, weist man bei der Zentralbank zurück: Daran seien der Nachfragedruck aus Schwellenländern und unvorhergesehene Engpässe etwa durch Ernteausfälle in Russland oder Australien schuld.
Lange Abschiedstour
Niemand glaubt, dass die Fed gleich nach dem Ende des in den USA als "Quantitative Easing 2" ("QE2") bekannten Manövers - als Antwort auf die Finanzkrise hatte es bereits zuvor eine ähnliche Aktion gegeben - gleich an der Zinsschraube drehen wird. "Wie Cher, deren Abschiedstour drei Jahre dauerte, weiß auch Fed-Chef Ben Bernanke um die Weisheit eines langen, ausgedehnten Lebewohls", schreibt das renommierte US-Finanzmagazin "Barron's".
Um den Übergang nicht allzu abrupt zu gestalten, dürfte Bernanke das auf nunmehr über zwei Billionen Dollar angeschwollene Fed-Portfolio aus Staatsanleihen und hypothekenbesicherten Wertpapieren zunächst stabil halten, tippt man bei "Barron's". In einem zweiten Schritt könnte die Zentralbank dann fällig werdende Papiere aus den Büchern nehmen, was einer passiven, geldpolitischen Straffung gleichkommt. Und erst danach sei wohl mit einer expliziten Zinserhöhung zu rechnen. "Ein Schlussakt, der noch mehr als ein Jahr entfernt sein könnte", prophezeit das Magazin.
Ob es am Markt zu Entzugserscheinung kommen wird angesichts der plötzlich fehlenden Mega-Nachfrage nach Staatsanleihen durch die Fed, darüber streiten sich Auguren. Da das Ende von "QE2" nicht überraschend komme, glaube man bei der Fed und unter Investoren nicht an Schockwellen, schreibt das "Wall Street Journal". Von einem "großen Ereignis" spricht derweil der legendäre Gründer der US-Fondsmanagement-Firma Pimco, Bill Gross. Mancher will nicht ausschließen, dass in der Folge die Zinsen steigen.
Also jede Menge Stoff für Fragen, wenn Ben Bernanke vor die Presse tritt. Experten begrüßen den Schritt des Fed-Chefs, künftig viermal im Jahr zur Geldpolitik Rede und Antwort zu stehen. Bernanke hofft, Erwartungen des Marktes klarer zu formen und dadurch Schwankungen zu mindern. "Wir haben zwar jetzt jede Menge Transparenz, aber keine Klarheit", meint Rick Mabus, Ökonom bei der Schweizer Großbank UBS. "Wenn Bernanke uns mehr Einblicke gibt, in welche Richtung die Fed steuert, wäre das ein Plus", sagte er dem US-Sender CNBC.
Quelle: ntv.de, sla/dpa/rts