"Jahrelang viel zu günstig" Warum Zucker plötzlich ein Luxusgut ist


Lecker, aber vermutlich bald teurer: Fruchtgummis.
(Foto: picture alliance / PantherMedia)
Wir sehen es bei jedem Einkauf auf dem Kassenbon: Lebensmittel werden immer teurer. Vor allem die Zuckerpreise gehen durch die Decke: Sie sind zuletzt um 80 Prozent gestiegen. Schuld daran sind nicht nur Ernterückgänge bei der Zuckerrübe.
Zum Kuchenbacken, für den Kaffee und zum Kochen: Zucker brauchen wir überall. Er wird aber immer mehr zum Luxusartikel. Im Juni mussten die Menschen in Deutschland knapp 80 Prozent mehr für Zucker bezahlen, fast doppelt so viel also wie vor einem Jahr. Seit vergangenem Oktober zeigt die Kurve stetig nach oben.
Zucker sei auf dem europäischen Markt und dem Weltmarkt lange Zeit eigentlich viel zu günstig gewesen, bringt es Sandra Fürderer, Sprecherin der Wirtschaftlichen Vereinigung Zucker im ntv-Podcast "Wieder was gelernt" auf den Punkt. Der Referenzpreis der EU, ab dem es sich lohnt, für die Unternehmen wirtschaftlich Zucker zu produzieren, habe von 2017 bis 2021 unter der 400-Euro-Grenze pro Tonne gelegen. "Das bedeutet, Zucker war sehr, sehr billig. Für die Unternehmen war es fast nicht wirtschaftlich, wirklich Zucker zu produzieren." Ende 2021 sei der Preis dann wieder angestiegen.
Es gibt mehrere Gründe dafür, dass Zucker teurer geworden ist: Einmal sind die Energiekosten extrem angestiegen, vor allem durch den Krieg in der Ukraine. Das merken sowohl die Landwirte als auch die Produzenten. Zuckerrüben werden direkt nach der Ernte, von September bis Januar verarbeitet. Gerade in den kalten Monaten waren aber Gas und Co. sehr teuer.
Die Bauern zahlen auch mehr für Treibstoffe und Düngemittel. All das macht ihre Rüben für die Zuckerhersteller deutlich teurer. "Die Unternehmen müssen den Landwirten einen höheren Preis für ihre Rüben bezahlen, weil die sich sonst entscheiden, keine Rüben, sondern etwas anderes anzubauen", sagt Fürderer. Zudem kämen auf die Zuckerproduzenten noch weitere Kostenstellen hinzu, es gebe immer höhere Klimaziele, Umwelt- und Sozialauflagen, die umgesetzt werden müssten.
Schlechte Ernte in Deutschland und Frankreich
Der Zucker, den wir bei uns im Supermarkt kaufen können, ist meist aus heimischem Rübenzucker. Die Hauptzuckerproduzenten in Europa sind Frankreich und Deutschland. In Deutschland werden auf rund 360.700 Hektar Zuckerrüben angebaut. Aus rund 25 Millionen Tonnen Zuckerrüben wurden im vergangenen Produktionszeitraum rund 3,8 Millionen Tonnen Zucker hergestellt. Im Zeitraum davor, 2021/2022, war der Ertrag höher: rund 4,5 Millionen Tonnen Zucker wurden aus rund 29 Millionen Tonnen Rüben produziert.
Vergangenes Jahr war die Ernte wegen mehrerer Hitzewellen schlecht, vor allem in Frankreich. Eigentlich sei die Zuckerrübe ideal für heißeres und trockeneres Klima, weil sie mit ihren langen Wurzeln Wasser aus tieferen Schichten ziehen könne, erklärt die Expertin im Podcast. "So wie wir es letztes Jahr gesehen haben, war es aber zu viel." Zudem würden durch den Klimawandel auch mehr Schädlinge und Pflanzenkrankheiten auftreten.
Zwei Drittel des Zuckers weltweit wird aus Zuckerrohr gemacht. Die größten Produzenten im Zuckergeschäft sind Brasilien, Indien und Thailand. Auch diese Länder haben mit Wetterextremen zu kämpfen, haben vergangenes Jahr weniger geerntet und deshalb weniger Zucker exportiert. Jetzt im Frühjahr gab es auch bereits Ernterückgänge.
Biokraftstoff statt Zucker
Weil sie damit mehr Geld verdienen, produzieren einige Zuckerrohrhersteller, unter anderem in Brasilien, schon keinen Zucker mehr, sondern sie machen aus ihrem Zuckerrohr Biokraftstoff, also Ethanol. "Der Ukraine-Krieg hat bewirkt, dass auch Treibstoffe deutlich teurer werden", erklärt Fürderer. Auf dem Weltmarkt landet somit weniger Zucker - der Zucker wird teurer, "auch bei uns".
Für die Rübenbauer und die Zuckerindustrie sind die hohen Zuckerpreise gut. Sie können mit Zucker wieder Geld verdienen. Europas zweitgrößter Produzent Nordzucker sowie Südzucker konnten ihre Gewinne im Geschäftsjahr 2022/2023 deutlich steigern.
Sandra Fürderer erwartet, dass Zucker erst einmal eine Weile teuer bleiben wird. Das extreme Wetter spielt dabei eine Hauptrolle, dadurch sei eine Prognose über die Erträge in Europa und weltweit für die Analysten schwierig. "Gerade, wenn die Unsicherheit da ist, wird der Preis eher hoch bleiben. Auf das Niveau vor vier, fünf Jahren wird es wahrscheinlich so schnell nicht wieder zurückgehen."
Süßwarenhersteller erwarten Zuckerengpass
Für die Süßigkeitenhersteller dagegen sind die hohen Zuckerpreise ein großes Problem. Der Schokoladenproduzent Ritter Sport sieht die hohen Rohstoff-, Energie- und Packkosten als eine ernste Belastung an. Einige Süßwarenhersteller haben Angst, dass bald nicht mehr genug Zucker da ist. Storck erwartet laut der Wirtschaftswoche Lieferengpässe im August und September, bevor neuer Zucker aus der Ernte von diesem Jahr zur Verfügung steht. Und auch Katjes erwartet laut dem Bericht, dass das Zuckerkontingent bis September ausverkauft ist.
Rohrzucker zu kaufen ist für die Hersteller teuer: wenn sie ihn in die EU importieren wollen, müssen sie dafür Strafzölle von über 400 Euro pro Tonne zahlen.
Es ist absehbar, dass Schokoriegel oder Gummibärchen für uns bald noch teurer werden. Für Kekse mussten wir schon im März rund ein Drittel mehr bezahlen als noch im Jahr davor. Auch Kuchen und anderes süßes Gebäck sind stark von der Inflation betroffen.
Dieser Text ist eigentlich ein Podcast: Welche Region schickt nur Verlierer in den Bundestag? Warum stirbt Ostdeutschland aus? Wieso geht dem Iran das Wasser aus? Welche Ansprüche haben Donald Trump und die USA auf Grönland?
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Quelle: ntv.de