Europa oder IWF Griechenland entscheidet
18.03.2010, 13:34 UhrWer den ersten Schritt tut, muss sich über den zweiten zumindest im Klaren sein: Bittet Griechenland den IWF um Hilfe, wird das Folgen haben. Denn Europa möchte sich nicht vom amerikalastigen IWF in die Geldpolitk reinreden lassen. Milde Gaben an Pleitekandidaten hat sowieso niemand zu verteilen. Griechenland begibt sich in mehrerlei Hinsicht auf Glatteis.
Ostern, wenn die Märkte geschlossen sind, könnte es die Nachricht des Tages werden. Griechenland will dann vielleicht - als "ultima ratio" - den Internationale Währungsfonds (IWF) um Finanzhilfen anrufen. Das melden zumindest hohe Regierungskreise. Mit Hilfen von den Eurostaaten rechnet Griechenland offenbar nicht mehr. Mit dem Gang zu IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn Strauss begibt sich Griechenland aber auf dünnes Eis, um nicht zu sagen, in die europäische Isolation. Denn die Eurozonen-Länder haben immer betont, ihre Probleme nach Möglichkeit "in der Familie" lösen und den IWF aus der Krisenlösung heraushalten zu wollen. So haben sie es auch vertraglich verankert. Ein Ausscheren ist somit nicht gerne gesehen. Der IWF ist leider auch kein Joker in Sachen griechischer Haushaltsanierng. Negativbeispiele für Interventionen des Fonds sind aus der Vergangenheit bekannt. Hinzu kommt, dass die Unterstützung durch den Fonds durchaus noch juristische Konsequenzen nach sich ziehen könnte. Griechenland muss das Für und Wider dieser Entscheidung also sehr genau abwägen.
Schulden sind Ansichtssache
Die Eurozone versteht sich bewusst als Gegengewicht zum Dollarraum. Die USA sollen nicht über den IWF, der als amerikalastig gilt, über die Euro-Politik mitbestimmen. Denn die USA und Europa verfolgen in der Geldpolitik durchaus unterschiedliche Interessen, wie sich erst kürzlich wieder n einem IWF-Vorstoß in Sachen Haushaltssanierung zeigte. Der IWF appellierte an die europäischen Zentralbanken, ihre Inflationsziele dauerhaft anzuheben. Für die EZB-Banker ein inakzeptabler Vorschlag, denn sie orientieren sich an Preisstabilität. Vom "Weginflationieren" der Schuldenberge halten sie nichts. Denn eine höhere Inflation löst nicht das drängende Problem, dass die Haushaltsdefizite in fast allen Industriestaaten die gesamtwirtschaftliche Entwicklung bedrohen. Zwar würde eine höhere Inflation kurzfristig die bestehenden Schuldenberge real etwas abbauen. Höhere Inflation bedeutet aber auch höhere Zinsen bei der Aufnahme neuer Schulden. Angesichts eines weltweiten Refinanzierungsbedarfs von mehr als 2700 Mrd. Euro alleine in diesem Jahr würden höhere Zinsen einige Staatshaushalte bedrohlich belasten. Vor allem Japan, das mittlerweile mit 200 Prozent seines BIPs in der Kreide steht, kann sich keine höheren Zinsen leisten. Bundesbankchef Weber wies den IWF-Vorschlag des "Weginflationierens" deshalb als "gefährliches Spiel mit dem Feuer" ab.
Negativbeispiel Argentinien

Nach Ansicht von IWF-Chef Strauss-Kahn droht Europa kein Fächenbrand. Griechenland ist seiner Ansicht noch eine Ausnahme.
(Foto: REUTERS)
Auch wenn der IWF bereits für Ungarn und Lettland erfolgreich die Krisenfeuerwehr gespielt hat, kann er keine Wunder bewirken. Ein Land vor dem Staatsbankrott bewahren, kann er nicht. Er verteilt nur Geld. Wenn ein Staat trotz Finanzhilfen in die Pleite schliddert, hat auch der IWF keine Antworten mehr parat. Er überlässt das Land sich selbst. Was dann passiert, hat man am Beispiel Argentinien gesehen. Nach zwei Jahren mit IWF-Hilfen war das Land 2001 pleite. Auch Griechenland wird also seine Schuldensuppe selbst auslöffeln müssen - auch mit Hilfen vom IWF.
Ob die IWF-Auflagen im Gegenzug für Finanzhilfen in der Regel angemessen sind, darüber lässt sich generell nichts sagen. Im konkreten Fall gehen die Meinungen immer auseinander. Entscheidet sich der Fonds zu einer Vollbremsung, konzentrieren sich seine Maßnahmen jedoch darauf, die Schuldnerländer zu größt- und schnelllstmöglichen Ausverkauf ihres Staatseigentums bis hin zur Entstaatlichung zu bewegen. Argentinien zwang der IWF zur Privatisierung der Zollbehörden. Das Ende des Lieds ist bekannt. Über Regeln zum Umgang mit zahlungsunfähigen Staaten wurde zwar im Zusammenhang mit der Argentinien-Krise vor zehn Jahren debattiert. Das Schlagwort lautete damals SDRM ("Sovereign Debt Restructuring Mechanism"). Im Kern ging es dabei um Regeln für direkte Verhandlungen von Schuldnern und Gläubigern. Das vom IWF angeschobene Projekt verlief aber im Sand, auch weil die USA sich dagegen sträubten. Im Nachhinein wäre es besser gewesen, meinen Experten, wenn man auf einen Staatsbankrott vorbereitet gewesen wäre, statt auf Hilfen des IWF zu vertrauen. In die gleiche Sackgasse könnte auch Griechenland laufen.
Befürworter eines europäischen Fonds wollen übrigens genau solche Szenarien auf dem europäischen Kontinent verhindern. Sie suchen vor allem einen funktionierenden Mechanismus bzw. eine Organisation für den Fall, dass ein Staat trotz aller Sparanstrengungen den Zahlungsausfall nicht mehr abwenden kann. Es sollte ihrer Vorstellung nach eine Organisation sein, die den "Anpassungsprozess" für die in Bedrängnis geratenen Staaten selber steuert. Möglicherweise könnte ein künftiger EWF in diese Bresche springen. Für Griechenland würde eine neue Organisation nach diesem Gedanken jedoch viel zu spät kommen, wie auch immer sie aussehen mag. Konkrete Vorschläge werden nach Medienberichten bis Ende Juni erarbeitet. Allein bis dahin müssen die Hellenen neue Anleihen im Umfang von mehr als 25 Mrd. Euro platzieren. Es wundert also nicht, dass Athen die IWF-Karte zückt.
Währungsbeistand ausgeschlossen!?!
Sollte sich die Athener Regierung in ihrer Not tatsächlich an den IWF wenden, muss sie sich darüber im Klaren sein, dass diese Entscheidung neben allen anderen Unwägbarkeiten auch juristische Konsequenzen nach sich ziehen könnte. Ökonomen und Europarechtler streiten derzeit immer noch über die sogenannte "No-Bail-out"-Klausel, die besagt, dass weder die Eurostaaten noch der IWF Währungsbeistand leisten dürfen. Ausgenommen davon ist vertraglich nur eine Notlage, wie sie durch höhere Gewalt, zum Beispiel bei Naturkatastrophen eintreten kann. Ein Fall wie Griechenland war bei Gründung der Währungsunion nicht einkalkuliert. Naturgemäß deuteln die Experten an diesem Passus herum.
Während die einen die Auslegung sehr weit dehnen, beharren die anderen, unter anderem Eruopa-Rechtler der ersten Stunde darauf, dass die Voraussetzung für IWF-Hilfen laut Maastricht-Vertrag ausdrücklich eine eigene Währung ist. Griechenland müsste also den Euro abgeben und die Neue Drachme einführen. Erst ein Ausscheiden aus der Euro-Zone würde nach der Gesetzesgrundlage vertragskonforme Unterstützungen zulassen. Griechenland müsste also das Bündnis verlassen. Was grundsätzlich möglich ist. Denn ein Austritt wird rechtlich wie ein Aufnahmeverfahren im Rückwärtsgang interpretiert. Nach "einer juristischen Sekunde" wäre sogar der Wiedereintritt möglich. Griechenland könnte den Sonderstatus außerhalb der Währungsunion ähnlich Großbritannien oder Dänemark neu aufleben lassen und damit auch umfangreiche Hilfsprogramme – auch vom IWF - in Anspruch nehmen. Unklar ist zu diesem Zeitpunkt, ob der Athener Regierung diese weitreichenden Folgen bewusst sind. IWF-Chef Strauss-Kahn gibt sich zumindest auffällig zurückhaltend in dieser Angelegenheit, wenn er sagt, dass er nicht damit rechnet, dass Athen um Hilfen nachsuchen wird.
Quelle: ntv.de