Schienen-Nadelöhr an der Elbe Hochwasser erfasst die Bahn
10.06.2013, 12:08 Uhr
Das Wassermassen an der Elbe legen auf einen Schlag große Teile des deutschen Schienenverkehrs lahm: Nach dem Dammbruch bei Fischbeck muss die Bahn auf eine ihrer wichtigsten Ost-West-Verbindungen auskommen. Die Hochgeschwindigkeitsstrecke zwischen Berlin und Hamburg, Hannover und Frankfurt fällt bis auf weiteres aus.

Ein Nadelöhr im deutschen Schienenverkehr: Das Ausmaß der Schäden an der Brücke ist noch nicht abzusehen.
Das Rekordhochwasser im Osten Deutschlands erfasst den deutschen Bahnverkehr. In der Nacht zum Montag erreichten die Wassermassen nach dem Dammbruch bei Fischbeck eine nahe gelegene Eisenbahnbrücke über die Elbe. Die Behörden ordneten daraufhin noch in der Nacht die Sperrung der wichtigen Elbüberquerung an.
Im Schienenverkehr sorgt diese Sperrung östlich von Stendal für erhebliche Behinderungen: Über die Brücke zwischen Hämerten am Westufer und Schönhausen am Ostufer führt unter anderem auch die Hochgeschwindigkeitstrasse der ICE-Verbindungen von Berlin nach Hamburg, Hannover und Frankfurt am Main. Das Nadelöhr im Schienenverkehr quert die Elbe etwa 100 Kilometer westlich der deutschen Hauptstadt.
"Aufgrund der Sperrung kommt es zwischen Hannover und Berlin sowie Frankfurt/Main und Berlin zu erheblichen Verspätungen im Personenverkehr und zu Teilausfällen von Verbindungen", teilte die Bahn mit. Das Unternehmen ruft Reisende dazu auf - sofern möglich - "auf Zugfahrten auf dieser Strecke zu verzichten oder sie zu verschieben".
Der Fernbahnverkehr auf den ICE-Hauptstrecken zwischen Frankfurt und Berlin sowie zwischen Hannover und Berlin sei auf unbestimmte Zeit lahmgelegt, heißt es. Aufgrund des Hochwassers bestehe Gefahr für die Brückenpfeiler. Sollte die Statik des Bauwerks durch Unterspülungen oder Bodenaufweichungen beeinträchtigt sein, dürften sich die Behinderungen wohl noch über Monate hinziehen.

Behinderungen weitab von der Elbe: Nach einem Unwetter stehen im Bahnhof Fluda die Zugänge zu den Bahnsteigen unter Wasser.
(Foto: dpa)
Auf der betroffenen Strecke müssen Bahn-Reisende zunächst mit Zug-Ausfällen, Umleitungen und Verspätungen zwischen ein und drei Stunden rechnen, erklärte die Bahn. Die Dauer der Sperrung sei bislang nicht absehbar und hänge mit der Entwicklung des Hochwasserns zusammen. Erst wenn die Wassermassen sich wieder zurückziehen, können Experten die Brücke samt Pfeilern und Fundamenten auf eventuelle Schäden hin überprüfen.
Riesige Umwege über die Elbe
Die Bahn versucht, die Auswirkungen der Brückensperrung durch großräumige Fahrplanänderungen abzufangen. So werden zum Beispiel die Züge der Strecke Berlin-Hannover-Köln über die Nord-Süd-Strecke umgeleitet. Sie queren die Hochwasser führende Elbe damit mehr als 100 Kilometer weiter stromaufwärts bei Lutherstadt Wittenberg. Die Züge der Strecke Berlin-Kassel-Frankfurt am Main fahren nun über Dessau, Halle (Saale) und Gerstungen.
Auf der Strecke München/Frankfurt/Berlin leitet die Bahn ihre Fernzüge ab Göttingen nach Hannover um, wo die Verbindung endet. Die Strecke Basel/Frankfurt/Berlin wird ab Fulda über Erfurt und Halle umgeleitet.
Indirekt führt das Elbe-Hochwasser dazu, dass eine ganze Reihe wichtiger ICE-Haltepunkte auf der Strecke Berlin/Frankfurt bis auf weiteres nicht direkt von Berlin aus angefahren werden. Durch die Fahrplanänderungen fallen mehrere tägliche ICE-Verbindungen aus. Betroffen sind davon nach Angaben der Bahn Wolfsburg, Braunschweig, Hildesheim, Göttingen und Kassel-Wilhelmshöhe.
Auskünfte zur Hochwasserlage im Schienenverkehr erhalten Reisende im Internet unter www.bahn.de/aktuell oder telefonisch unter der kostenlosen Rufnummer 08000 / 99 66 33.
Für betroffene Bahn-Kunden gelten umfangreiche Kulanzregeln:
- zuggebundene Fahrkarten können in den DB Reisezentren oder an den Informationsschaltern in den Bahnhöfen "für die nächstmögliche Reiseverbindung sowie die Nutzung des nächsten Zuges gültig geschrieben werden". Das gilt auch für eventuell notwendige Umwege.
- Für die Rückerstattung von Online-Tickets hat die Bahn ein Kontaktformular im Internet eingerichtet.
- Für Zeitkarten gelten laut Bahn die tariflichen Umtausch- und Erstattungsbedingungen, für Verbundfahrkarten die Regelungen der jeweiligen Verkehrsverbünde.
Über die Elbe bei Stendal führt allerdings auch die Hauptstrecke zwischen Berlin und Hamburg. Auch hier müssen sich Bahn-Reisende aufgrund von Zug-Umleitungen auf größere Verspätungen einstellen. Die Brückensperrung bei Stendal sorgt sogar bis in den europäischen Fernreiseverkehr hinein für Chaos: "Der Zugverkehr von und nach Amsterdam endet bzw. beginnt in Hannover", teilte die Bahn mit. Der IC von Amsterdam fährt demnach nicht bis Berlin durch. Eine Umleitung über die Nord-Südroute erschien wohl zeitlich zu aufwändig.
Auf einzelnen Teilstrecken fallen Verbindungen komplett aus: Zwischen Rathenow und Stendal in Sachsen-Anhalt verkehrt den Angaben zufolge bis auf weiteres kein Regionalverkehr. Die Einrichtung eines Busnotverkehrs war wegen des Hochwassers bis zum Vormittag nicht möglich.
Bahn bietet Kulanzregelungen an
Die außergewöhnliche Hochwasserlage schränkt die Betriebsabläufe bei der Bahn nicht nur an der Elbe ein. "Darüber hinaus kommt es weiterhin in Oberbayern, Sachsen, Thüringen und im südlichen Sachsen-Anhalt zu Verspätungen, Umleitungen und Ausfällen im Regional- und Fernverkehr", warnt die Bahn.
Deutschland und seine östlichen und südlichen Nachbarländer leiden seit mehr als einer Woche unter dem Hochwasser. Ganze Landstriche wurden überschwemmt. Nachdem zunächst auch Bayern und Thüringen massiv betroffen waren, ist die Lage nun in Gebieten und Städten entlang der Elbe besonders kritisch, aktuell vor allem in Sachsen-Anhalt.
In der Landeshauptstadt Magdeburg wurden allein am Sonntag weitere 23.000 Menschen aufgefordert, ihre Häuser zu verlassen. Die Elbe war zuvor auf den Rekordstand von 7,46 Metern gestiegen - das ist rund fünf Meter mehr als sonst. Die Bundesregierung hat Soforthilfe im Umfang von 100 Mio. Euro zugesagt.
Die Bahn kündigte im Zusammenhang mit dem Hochwasser umfangreiche Kulanzregelegungen für Reisende an: Die Ticketkosten für entfallene Fahrten in oder durch die Hochwassergebiete werden demnach auf Wunsch unbürokratisch erstattet. "Tickets und Reservierungen für Reisen in die oder aus den oben genannten Hochwassergebieten werden auf Wunsch kostenfrei erstattet, wenn Reisende von der Fahrt zurücktreten möchten", heißt es bei der Bahn. Bescheinigungen irgendeiner Art seien "nicht erforderlich". Die Ausnahmeregeln gelten zunächst bis zum 23. Juni.
Zum n-tv Liveticker mit den aktuellen Entwicklungen an der Elbe: "Hochwasser in Deutschland"
Quelle: ntv.de, mmo/dpa/rts