Schuldenschnitt in Griechenland ISDA stellt "Kreditereignis" fest
09.03.2012, 22:20 Uhr
Das Thema Griechenland bleibt heiß.
(Foto: REUTERS)
Griechenland gelingt erneut ein kurzfristiger Befreiungsschlag. Mehr als 100 Mrd. Euro Schulden kann Athen in einem Zug loswerden. Allerdings rücken nun die schwer einschätzbaren Kreditausfallversicherungen, kurz CDS, in den Blickpunkt. Sie spielten während der letzten großen Finanzkrise rund um die Lehman-Pleite eine entscheidende Rolle.
Nach dem griechischen Schuldenschnitt werden die schwer berechenbaren Kreditausfallversicherungen fällig. Der Branchenverband ISDA stellte wie erwartet ein sogenanntes Kreditereignis fest. Mit diesem Begriff ist ein Zahlungsausfall gemeint, der die Kreditausfallversicherungen (Credit Default Swaps/CDS) auslöst, mit denen sich bestimmte Halter von griechischen Staatsanleihen abgesichert haben.
Die Organisation begründete diesen Schritt folgendermaßen: Trotz einer hohen freiwilligen Beteiligungsquote wolle Athen alle Halter von Anleihen nach griechischem Recht zum Forderungsverzicht zwingen. Zu diesem Zweck hatte Griechenland vorsorglich bereits ein Gesetz verabschiedet, das die Möglichkeit eröffnet, alte Anleihen rückwirkend mit Zwangsklauseln (Collective Action Clauses/CAC) auszustatten.
Lehman lässt grüßen
Die Entscheidung der in London ansässigen International Swaps and Derivatives Association (ISDA) ist von großer Bedeutung, weil die Kreditausfallversicherungen während der letzten großen Finanzkrise eine entscheidende Rolle gespielt haben.
Nachdem CDS-Titel bei der Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers 2008 zu einem kolossalen Dominoeffekt und zur Beinah-Pleite des großen US-Versicherers AIG geführt hatten, sind ihre Auswirkungen gefürchtet.
Bei den Plänen zur griechischen Umschuldung war bisher alles daran gesetzt worden, dass Kreditausfallversicherungen nicht fällig werden. Es ist aber unklar, welche Folgen die ISDA-Entscheidung nun tatsächlich hat, da niemand weiß, welcher Investor nun Kreditausfallversicherungen besitzt und welche weiteren Effekte eintreten können.
Unter dem Strich stehen noch Kreditausfallversicherungen über etwa 2,6 Mrd. Euro aus. Profitieren dürften von der Fälligkeit der CDS vor allem Hedgefonds, die auf die Aktivierung der Klauseln gewettet hatten. Dieses Vorgehen stieß in der Politik auf heftige Kritik - auch deshalb, weil sich Spekulanten mit den CDS gegen einen Ausfall von Anleihen versichern können, die sie nicht einmal selbst besitzen.
Am Montag wird "geschnitten"
Zuvor hatte das griechische Finanzministerium bekanntgegeben, dass im Zuge des Schuldenschnitts eine Zusage zum Umtausch von insgesamt 83,5 Prozent der griechischen Staatsanleihen in privater Hand vorliegt - bei den nach griechischem Recht aufgenommenen Schulden sind es demnach 85,8 Prozent. Der Anleihentausch soll am Montag über die Bühne gehen.
Danach hatten die Euro-Länder einen ersten Teil des zweiten Hilfspaketes für das Land freigegeben. Bei einer Telefonkonferenz einigten sie sich darauf, dass 30 Mrd. Euro zur Unterstützung des Schuldenschnitts bereit stehen. Zudem leisten sie 5,5 Mrd. Euro für die Begleichung aufgelaufener Zinsen.
Über die restlichen 94,5 Mrd. Euro des Hilfspakets in Höhe von 130 Mrd. Euro solle kommende Woche entschieden werden, sagte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU). Griechenland habe die im EU-Jargon "prior actions" genannten Bedingungen für das zweite Hilfspaket "inzwischen vollständig erfüllt". Hürden für die Zustimmung zur Freigabe der restlichen Gelder sieht Schäuble nicht. "Materiell besteht kein Zweifel daran, dass wir in der nächsten Woche die Freigabe des zweiten Griechenland-Pakets beschließen können", sagte Schäuble.
IWF beteiligt sich
Der Internationale Währungsfonds (IWF) wird sich nach Worten von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble an den Hilfen beteiligen. Er gehe davon aus, dass der IWF mit einem "bedeutenden Beitrag" dabei sein werde. Dies habe IWF-Chefin Christine Lagarde in der Telefonkonferenz der Euro-Finanzminister erklärt und Sorgen ausgeräumt, der IWF wolle nicht mehr mitziehen. Das galt bis zuletzt als offen.
Schäuble betonte, die erfolgreiche Umschuldung in Athen stabilisiere die gesamte Eurozone. Der Schuldenschnitt sei kein Sündenfall. Es bestehe nicht "der Hauch einer Gefahr", dass es zu weiteren Umschuldungen in anderen Euro-Ländern kommen werde. Die Lage Griechenlands sei einzigartig.
Eurogruppen-Chef Jean-Claude Juncker sagte, die Eurogruppe sei über die hohe Beteiligung bei dem als freiwillig bezeichneten Schuldenschnitts "ermutigt". Die Euro-Finanzminister seien von ihrem griechischen Amtskollegen Evangelos Venizelos informiert worden, dass Athen die verpflichtenden Umschuldungsklauseln (CAC) ziehen werde, um verbliebene Privatgläubiger zur Umschuldung zu zwingen.
Quelle: ntv.de, rts/AFP/DJ