Wirtschaft

Zweifel am strengen Inflationsziel IWF öffnet Hintertürchen

Rund um den Erdball sehen es Zentralbanker als ihre vornehmste Aufgabe an, die Preise nach Möglichkeit nicht stärker als zwei Prozent steigen zu lassen. Der Internationale Währungsfonds äußert nun Zweifel an dieser Zielsetzung - und erschüttert damit den wichtigsten Glaubensgrundsatz der Währungshüter.

Gruselig: Schuldenberge sind unsichtbar.

Gruselig: Schuldenberge sind unsichtbar.

(Foto: picture-alliance/ dpa/dpaweb)

Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat in einem internen Papier das von den meisten Notenbanken gewählte Inflationsziel infrage gestellt. Das derzeitige Ziel von zwei Prozent sei ausreichend "in einer Welt der kleinen Schocks".

Angesichts der schweren Finanzkrise von 2008 könnten sich die Zentralbanken jedoch überlegen, ob sie in normalen Zeiten eine höhere Inflation zuließen, so dass ihnen in wirklich harten Zeiten mehr geldpolitischer Spielraum bliebe, schreibt der IWF-Forschungsdirektor Olivier Blanchard in dem Bericht. "Sind die Kosten der Inflation unterm Strich viel höher etwa bei vier Prozent als bei zwei Prozent?", fragte  Blanchard in seinem Bericht rhetorisch. Kritiker der starken Staatsverschuldung befürchten seit jeher, dass einzelne Staaten eine hohe Teuerungsrate bewusst als letzten Ausweg in Kauf nehmen könnten.

Unabhängig von diesen theoretischen Überlegungen der Ökonomen müssen sich die deutschen Verbraucher in diesem Jahr wieder auf etwas stärker steigende Preise einstellen. Die Bundesregierung und die meisten Experten erwarten eine Teuerungsrate von rund einem Prozent. 2009 war sie mit 0,4 Prozent so niedrig ausgefallen wie seit 1987 nicht mehr, nachdem sie 2008 mit 2,6 Prozent noch so hoch war wie seit 1994 nicht mehr. Was die Preise in diesem Jahr treiben und dämpfen könnte:

Was die Preise dämpft

1. Der scharfe Wettbewerb: Der Einzelhandelsverband HDE zum Beispiel sagt stabile Lebensmittelpreise voraus. Ein Grund dafür sind die Rabattschlachten der Discounter. Aldi, Lidl und Co haben eine enorme Marktmacht in Deutschland. Mit aggressivem Preiskampf versuchen sie, Marktanteile zu gewinnen.

Jüngstes Beispiel sind die stark gesunkenen Butterpreise. Eckhard Cordes, Chef von Deutschlands größtem Handelskonzern Metro (Real) sprach von einem "geradezu mörderischen Preiswettbewerb".

2. Die schwache Auslastung: Die Hersteller klagen noch immer über eine geringe Nachfrage. In der Industrie sind die Geräte nach einer Ifo-Umfrage nur zu 75,2 Prozent ausgelastet.

Um die Nachfrage anzukurbeln und die Kapazitäten besser auszulasten, sind viele Unternehmen zu Preissenkungen gezwungen. Und das, obwohl ihre Kosten mit den höheren Energie- und Rohstoffpreisen gestiegen sind, wie das Markit-Institut herausfand. Sie nehmen dadurch eine sinkende Gewinnmarge in Kauf.

3. Die geringen Lohnerhöhungen: Die meisten Arbeitnehmer werden sich mit bescheidenen Gehaltszuwächsen begnügen müssen.

Die IG Metall etwa geht ohne konkrete Lohnforderung in die Tarifrunde. Für sie steht Beschäftigungssicherung an erster Stelle. "Jetzt geht es darum, dass die Krise nicht zur Katastrophe für die Arbeitsplätze wird", sagte IG-Metall-Chef Berthold Huber.

In der Vergangenheit haben Unternehmen höhere Lohnkosten in der Regel auf die Kunden abgewälzt, indem sie die Preise für ihre Waren und Dienstleistungen erhöhten.

Was die Teuerung antreibt

1. Der schwache Euro: Deutschland besitzt kaum eigene Rohstoffe und muss sie deshalb importieren. Auf den Weltmärkten werden Rohstoffe zumeist in Dollar abgerechnet. Ein sinkender Euro-Kurs verteuert deshalb die Einfuhren.

Seit Jahresbeginn hat die Gemeinschaftswährung bereits fünf Prozent im Vergleich zum Dollar verloren. Wegen der Schuldenkrise in Griechenland und anderen Euro-Ländern drohen weitere Abwertungen. Benzin, Heizöl und andere Rohstoffe können sich dadurch spürbar verteuern.

2. Die anziehende Weltkonjunktur: Die globale Rezession hat die Preise für Nahrungsmittel, Öl und viele andere Rohstoffe 2009 einbrechen lassen. In diesem Jahr fängt sich die Weltwirtschaft wieder. Der IWF sagt ein Wachstum von 3,9 Prozent voraus, nach einem Rückgang von 0,8 Prozent im alten Jahr.

Mit der anziehenden Nachfrage steigen die Preise für viele Rohstoffe wieder. Der vom HWWI ermittelte Rohstoffpreisindex lag im Januar um 47 Prozent über dem Wert des Vorjahresmonats.

3. Das billige Geld: Die großen Notenbanken der Welt haben im Kampf gegen die Rezession Hunderte Milliarden an zusätzlichem Geld in die Wirtschaft gepumpt, und das zu extrem niedrigen Zinsen.

Die Weltbank befürchtet, dass Spekulanten auf der Jagd nach hohen Renditen den Agrarsektor wieder ins Visier nehmen. "Es gibt Vorboten für potenzielle Gefahren im Jahr 2010", warnte ihr Präsident Robert Zoellick.

Zucker etwa kostet so viel wie seit 29 Jahren nicht mehr - begünstigt allerdings auch durch schlechte Ernten der beiden größten Produzenten Brasilien und Indien.

Quelle: ntv.de, rts

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